Wie Hate Speech unsere Demo­kratie gefährdet

Datum
12. November 2019
Autor*in
Melanie Schönberger
Thema
#JMT19
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Foto: Jugendpresse Deutschland/Annkathrin Weis

Immer häufiger sind Journalist*innen von Hass­rede im Internet betroffen. poli­ti­ko­range-Redak­teurin Melanie Schön­berger war bei den Jugend­me­di­en­tagen dabei, als junge Medi­en­in­ter­es­sierte die Möglich­keit bekamen, sich aus Sicht von Betrof­fenen und Konzernen mit dem Thema ausein­an­der­zu­setzen.

Hate Speech erkennen Fast alle Internetnutzer*innen sind Hate Speech im Internet ausge­setzt. Ob in den Face­book Kommen­tar­spalten oder im eigenen Twitter Feed sind Hass und Ausgren­zung für viele User*innen alltäg­lich geworden. Der Amadeu-Antonio-Stif­tung zufolge ist Hass­rede ein sprach­li­cher Ausdruck von Hass gegen Personen und Gruppen, insbe­son­dere durch die Verwen­dung von Ausdrü­cken, die der Herab­set­zung und Verun­glimp­fung dieser Perso­nen­gruppe dienen.“ Die Stif­tung enga­giert sich gegen Rechts­extre­mismus, Rassismus und Anti­se­mi­tismus. Typi­sche Merk­male von Hate Speech sind Verschwö­rungs­theo­rien, gezielte Desin­for­ma­tion, der Verweis auf Stereo­type und die vermeint­li­chen Unter­schiede zwischen verschieden gesell­schaft­li­chen Gruppen. Hass­rede im Jour­na­lismus Die Jour­na­listin Thembi Wolf erzählte auf den Jugend­me­di­en­tagen 2019 von ihrem persön­li­chen Shit­s­torm. Nach einem kurzen Snap­chat Beitrag, in dem sie die Abschaf­fung aller christ­li­chen Feier­tage forderte, sei eine Welle von Hass­kom­men­taren auf sie zuge­rollt. Es ging nicht um den Inhalt des Beitrags, sondern die Tatsache, dass er von einer schwarzen Frau verfasst wurde. In den Kommen­taren ging es mehr um das Aussehen der Autorin als um ihr Video. Sina Lauben­s­tein vom No Hate Speech Move­ment, einem Netz­werk, das sich gegen Hass im Netz einsetzt, erklärt, dass Hate Speech ein Problem ist, was viel zu lange igno­riert wurde und als etwas abgetan wurde, dass nur im Internet exis­tiert.“ Einer, der vom Gegen­teil berichten kann ist der Blogger Linus Giese, der auf Twitter unter anderem über seine Geschlechts­an­glei­chung berichtet. Er erzählt, wie er dem Hass nicht nur täglich im Internet ausge­setzt sei, sondern auch im realen Leben regel­mäßig Besuch von seinen“ Hatern bekäme. Demo­kratie in Gefahr Hate Speech verletzt unsere Gesell­schaft, es gibt keine Meinungs­viel­falt mehr, es macht uns kaputt“, verdeut­licht Sina Lauben­s­tein. Die Pres­se­frei­heit ist in Deutsch­land im Grund­ge­setz veran­kert. Diese ist nicht mehr gewähr­leistet, wenn Journalist*innen aufgrund ihrer Arbeit bedroht werden. Dann gewinnen immer mehr dieje­nigen die Meinungs­ho­heit, die menschen­feind­liche Narra­tive legi­ti­mieren, zur poli­tisch moti­vierten Gewalt aufrufen und mit gezielt falschen Infor­ma­tionen den Wahr­heits­be­griff ins Lächer­liche ziehen. Die Amadeu-Antonio-Stif­tung nennt einige präven­tive Maßnahmen, die junge Journalist*innen beachten können, um einen gere­gelten Umgang mit Hate Speech gewähr­leisten zu können und dieser entge­gen­zu­wirken. Durch best­mög­liche Trans­pa­renz, zum Beispiel bei der Recherche kann Vorwürfen der Nähr­boden entzogen werden. Grund­sätz­lich müsse immer zwischen gerecht­fer­tigter Kritik und Hass­rede unter­schieden werden. Um besser auf einen Shit­s­torm reagieren zu können, lohne es sich, einen Notfall­plan zu erar­beiten. In diesem sollte stehen, welche Schritte im Falle eines Shit­s­torms geschehen sollten. Das spare im Ernst­fall viele Ressourcen. Eben­falls hilf­reich sei eine soge­nannte Neti­quette, in der Hand­lungs­kri­te­rien aufge­listet sind. So wird deut­lich, dass es einen demo­kra­ti­schen Umgang mit digi­talen Frei­heiten gibt. Im Falle eines Shit­s­torms sei außerdem eine Vertrau­ens­person hilf­reich, die den Hass filtert.
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Dreistündiger Workshop zum Thema Hate Speech bei den Jugendmedientagen 2019. Unsere Autorin Melanie Schönerger (2. v. l.) ist mittendrin. Foto: Jugendpresse Deutschland/Annkathrin Weis

Die Verant­wor­tung der Konzerne Viele der zivil­ge­sell­schaft­li­chen Online-Akteure kriti­sieren den Umgang der großen Daten­kon­zerne und der Politik mit Hate Speech im Internet. Sie finden es proble­ma­tisch, dass Personen die über das Löschen von Beiträgen entscheiden, selten ausrei­chend quali­fi­ziert seien. Häufig würden Unter­nehmen kaum pro-aktiv handeln, sondern ledig­lich auf Meldungen reagieren. Google selbst nennt einige Schritte, die auf der Platt­form unter­nommen werden: Grenz­wer­tige, aber dennoch legale Inhalte würden demo­ne­ti­siert werden. Die Betreiber können also kein Geld mit ihnen verdienen. Außerdem würden solche Inhalte nicht in den Vorschlägen anderer Nutzer erscheinen und einer Alters­ein­schrän­kung unter­liegen. Es würde außerdem soge­nannte Bots geben, die zum Beispiel terro­ris­ti­sche Inhalte erkennen und auto­ma­tisch melden sollen. Das Unter­nehmen erklärt, dass einzelne Personen oder Grup­pie­rungen nicht prin­zi­piell ausge­schlossen werden können, sondern ledig­lich deren Inhalte. In Deutsch­land verweist der Konzern auf das Netz­durch­su­chungs­ge­setz. Dieses besagt unter anderem, dass ille­gale Inhalte inner­halb von 24 Stunden gelöscht werden müssen. Orga­ni­sa­tionen wie die Amadeu-Antonio-Stif­tung erklären, dass nur wenige größere Konzerne wie Face­book und Google dazu verpflichtet seien, Beiträge inner­halb von 24 Stunden zu löschen. Anzeigen müssen sie die soge­nannten Trolle nicht. Die Unter­nehmen würden in einem stän­digen Konflikt zwischen ihrem Image und ihrem Profit stehen. Hate Speech gene­riert Klicks und damit auch Gewinne. Hass­rede bekämpfen Hate Speech zu bekämpfen heißt, die Zivil­ge­sell­schaft online zu stärken“, betont Theresa Lehmann von der Amadeu- Antonio- Stif­tung. Es gibt viele Wege, sich gegen Hass­rede im Netz zu enga­gieren. Ein erster Schritt wäre pro-aktiv Begriffe wie Viel­falt, Inklu­sion, Menschen­rechte und Gleich­be­rech­ti­gung zu stärken, also wieder­holt zu verdeut­li­chen, welche Werte uns als Gesell­schaft wichtig sein sollten. In der direkten Konfron­ta­tion sollte disku­tiert statt stig­ma­ti­siert werden. Das heißt immer wieder Quellen zu erfragen, Wider­sprüche aufzu­zeigen und bei Miss­ach­tung dieser, die Diskus­si­ons­re­geln einzu­for­dern. So kann die eigene Serio­sität gewahrt werden. Es ist wichtig die eigenen Grenzen zu kennen. In Extrem­fällen ist es ratsam, die Aufgabe des Erwi­derns an Profis zu über­tragen, oder die Beiträge zu melden und Nutzer zu blockieren. Jeder Mensch ist anders, nicht jede*r kann dem Hass in der Öffent­lich­keit wider­spre­chen“ verdeut­licht Sina Lauben­s­tein. Eine unter­stüt­zende private Nach­richt könne Betrof­fenen genauso helfen, wie das Entgegnen in den Kommen­tar­spalten. Gene­rell sollten Wünsche dieser berück­sichtig werden. Ständig neue Diskus­sionen helfen selten dabei, den Shit­s­torm zu beenden. Lauben­s­tein betont: Es ist wichtig, dass jede*r dieses Problem als Problem aner­kennt.“ Dann wäre ein erster Schritt getan. poli­ti­ko­range berichtet gemeinsam mit Spree­wild, der Jugend­re­dak­tion der Berliner Zeitung, von den Jugend­me­di­en­tagen 2019. Alle Artikel erscheinen in den kommenden Tagen hier und bei Spree­wild.

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