Wahl­pla­kate – Jetzt 30% weniger Inhalt

Datum
02. September 2019
Autor*in
Tobias Brendel
Thema
#sltw19
Straßenszene

Straßenszene

Tobias Brendel

Wahl­pla­kate sollen bei der Wahl­ent­schei­dung helfen. Selbst alle Wahl­be­rech­tigten, die keine Zeit für inten­sive Recher­chen haben, erhalten so einen Über­blick. Tobias Brendel analy­siert ironisch, wie die Parteien diese Möglich­keit nutzen.

Es ist Sonntag. Land­tags­wahl. 3,3 Millionen Sachsen sind dazu aufge­rufen, ihre Stimme abzu­geben. Sie sollen entscheiden, wem sie die Geschicke ihres Landes für die nächsten fünf Jahre anver­trauen. Und Optionen gibt es genug. So unter andere Emiliano Chai­mite von der SPD. Dieser blickt den Betrach­tenden seines Wahl­pla­kates mit einem sympa­thi­schen Lächeln an. Eigent­lich Grund genug, ihn zu wählen. Wer es schafft, in Zeiten wie diesen SPD-Mitglied zu sein und trotzdem noch zu lächeln, muss ein Geheim­re­zept haben, das dieses Land gut vertragen könnte. Nach einem Moment fragt man sich dann aber doch: Moment mal! Wofür steht der eigent­lich?“. Seine Forde­rung Mut geben statt Angst machen“ ist so blumig, dass Orchi­deen neidisch werden könnten, dabei so nichts­sa­gend, dass selbst Ähm…“ mehr Botschaft hätte. Also keine wirk­liche Hilfe bei der Wahl­ent­schei­dung. Und er ist nicht der Einzige, der Insta­gram-Captions scheinbar für wich­tiger hält als konkrete Zukunfts­vi­sionen. Der Grüne Valentin Lipp­mann wirbt auf seinem Plakat mit Mutig für Frei­heit und Demo­kratie“ und verwirrt die Wählenden damit voll­kommen. Das ist doch das Gleiche in grün. Für wen muss man sich denn nun entscheiden, wenn man Mut“ für die größte Heraus­for­de­rung der nächsten fünf Jahre hält? Eine neue Möglich­keit der Wahl bietet unter­dessen Frauke Petry, Ex-AfD Partei­vor­sit­zende und Grün­derin der Blauen Partei“. Diese fordert auf ihrem Plakat: Nicht wählen! Blau machen“. Vermut­lich war der Verfas­sende dieser Zeilen selbst blau, als er sich die Kampagne ausdachte. Die Partei hat aber noch mehr zu bieten. Am Rand des Wahl­pla­kats stechen Schlag­worte wie Sicher­heit“, Rente“ und Flücht­linge“ ins Auge. Man könnte denken, dass diese beim Scrabble der Plakat­ge­stal­tung ohne tieferen Sinn entstanden. Viel­leicht haben die Blauen ja auch einfach verse­hent­lich ihr Brain­stor­ming an die Druckerei geschickt. Doch der Horror für inter­es­sierte Wähle­rinnen und Wähler geht weiter. Die CDU wirbt mit Stärkste Kraft für Sachsen“, die AfD mit Jetzt erst recht!“ und die Linken fordern Behut­sam­keit“. Es ist, als hätten sich die Parteien darauf geei­nigt, bei dieser Wahl voll­kommen auf Inhalte bei Wahl­pla­katen zu verzichten. Aber warum auch kompli­ziert, wenn es einfach geht. Wir gegen das Estab­lish­ment. Wir gegen Popu­listen. Sie werden uns schon wählen. Dass diese Taktik offen­sicht­lich nicht für jeden erfolg­reich war, zeigt das Ergebnis der Wahl. Viel­leicht hätten die Parteien den Wählern und Wähle­rinnen gleich auf den ersten Blick signa­li­sieren sollen, was ihr Plan für die nächsten fünf Jahre in Sachsen ist. die Bürger hätten dann über die Parteien und ihre Ideen abstimmen können. Doch das erfor­dert mehr Mut, als ein simples Wir gegen die“. Aber dafür gibt es ja Emiliano Chai­mite.

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