Jung, weib­lich – konser­vativ?

Datum
19. September 2021
Autor*in
Thomas Vollmuth
Themen
#BTW21 #Politik
Vorschau und Instagram_jung und konservativ_Junge Union - Peter Lang

Vorschau und Instagram_jung und konservativ_Junge Union - Peter Lang

Lang Peter

Nur sieben von 45 Abge­ord­neten der CSU im Deut­schen Bundestag sind Frauen. Mit 15,6 % ist das der zweit­ge­ringste Anteil aller dort vertre­tenen Parteien. Aber es gibt sie, junge Frauen, die sich in der Partei enga­gieren. Thomas Voll­muth hat zwei von ihnen getroffen.

Aufmacher_jung und konservativ_Junge Union - Peter Lang

Konservative Ansichten - nicht nur etwas für "die Alten”. Foto: Peter Lang

Rena Schimmer (22) studiert Rechts­wis­sen­schaften an der Univer­sität Würz­burg und ist Stipen­diatin der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stif­tung. Bei den Kommu­nal­wahlen 2020 in Bayern zog die ange­hende Juristin als jüngste Kandi­datin in den Stadtrat ein. Nebenbei leitet sie als Vorsit­zende die Junge Union (JU) Würz­burg-Stadt. Emilia Rosatti (20) hat sich für die Human­me­dizin entschieden, ist stell­ver­tre­tende Vorsit­zende der JU Würz­burg-Stadt und enga­giert sich zudem noch im Landes­vor­stand der Schüler Union Bayern.

Unser Redak­teur Thomas wollte von beiden wissen, warum sie sich ausge­rechnet für die Junge Union entschieden haben, was eigent­lich genau die Mitte ist und wie es ist, sich als junge Frau in einer konser­va­tiven Partei zu enga­gieren.

Warum habt ihr euch für die Junge Union bzw. CSU entschieden?

Emilia: Ich habe mich zuerst für die Junge Union entschieden, weil ein paar Freunde dort auch bereits aktiv waren und sich für die Gesell­schaft einge­setzt haben. Das fand ich sehr span­nend und dann bin ich Mitglied geworden. Von der CSU wusste ich bei meinem Eintritt noch recht wenig.

Rena: Zuerst war es mir wichtig, nicht nur verbal zu kriti­sieren, sondern aktiv am poli­ti­schen Verän­de­rungs­pro­zess teil­zu­nehmen. Dann stellt man sich die Frage, in welcher Partei man sich enga­gieren will und da habe ich in der Jungen Union/​CSU die größte Über­ein­stim­mung gefunden, weil sie die Inter­essen der Gesamt­be­völ­ke­rung abde­cken und mein Werte­ver­ständnis teilen.

Interviewpartnerin_Rena Schimmer_privat

Foto: Rena Schimmer / privat

Ein zentraler Wert der CDU/CSU ist ja der Konser­va­tismus. Was bedeutet es, konser­vativ zu sein? Und sollten insbe­son­dere junge Menschen nicht progressiv sein?

Rena: Konser­vativ zu sein, bedeutet für mich die Erhal­tung von Werten. Das ist der gesell­schaft­liche Zusam­men­halt, der Respekt zuein­ander oder auch die Nächs­ten­liebe. Es bedeutet nicht, den Status quo in allen poli­ti­schen Berei­chen zu erhalten, sondern lebt auch davon, Verän­de­rung und Fort­schritt voran­zu­treiben.

Emilia: Genau, es geht also um Stabi­lität und Erneue­rung glei­cher­maßen. Es ist wichtig, beide Seiten zu betonen.

Wie steht euer Freun­des­kreis außer­halb der Partei zu eurem poli­ti­schen Enga­ge­ment?

Rena: Mir ist ein Ausgleich sehr wichtig, also ein ganz normales Leben neben der Politik” zu führen. Dass man feiern gehen kann oder sich verab­redet, ohne dass ständig das aktu­elle Tages­ge­schehen disku­tiert wird. Eigent­lich alle bekräf­tigen mich in meinem poli­ti­schen Enga­ge­ment, unab­hängig von ihrer eigenen poli­ti­schen Ansicht.

Emilia: Ich habe meine beste Freundin bei der Jungen Union kennen­ge­lernt. Die anderen Freunde, die sich für Politik inter­es­sieren und darüber spre­chen wollen, tauschen sich auch mit mir aus.

Was junge Menschen noch mit dem Begriff Mitte“ anfangen können

Die CDU ist die starke Volks­partei der Mitte. […] Wir machen Politik für Deutsch­land. Bei uns haben libe­rale, wert­kon­ser­va­tive und christ­lich-soziale Frauen und Männer eine Heimat. […]”. So steht es auf der Website der CDU geschrieben. Was zeichnet die Mitte” aus?

Rena: Die Mitte ist zuerst ein vager und viel­fäl­tiger Begriff. Das ist zum Beispiel die Basis der Bevöl­ke­rung, die Mitte von Arm und Reich, die Balance von Werten und poli­ti­schen Entschei­dungen. Es war dieses Gleich­ge­wicht, warum ich mich schluss­end­lich für die JU/CSU entschlossen habe. Es geht also darum, alle Bevöl­ke­rungs­gruppen glei­cher­maßen mitzu­nehmen. Nicht unbe­dingt radi­kaler Fort­schritt, aber graduell, für alle glei­cher­maßen positiv.

Emilia: Dem schließe ich mich an. Die CSU als Mitte“ ist nicht einfach die Entschei­dung für einen Punkt zwischen links und rechts in einem zwei­di­men­sio­nalen Welt­bild, sondern geht mit ihrer Politik auf jeden Lebens­be­reich von jedem Menschen unserer Gesell­schaft ein.

Die Umfra­ge­werte für CDU/CSU liegen aktuell nur bei etwas mehr als 20 Prozent. Spie­gelt das den Willen der Bevöl­ke­rung wider?

Rena: Für mich sind Umfragen nur Moment­auf­nahmen und haben sich schluss­end­lich nie bewahr­heitet. Dazu kommt, dass die poten­zi­ellen CDU/CSU-Wähler eher zurück­hal­tend sind und tenden­ziell weniger kriti­sieren.

Gilt das auch für die Jugend? Teilt die Mehr­heit der Jugend­li­chen das Werte­ver­ständnis von CDU/CSU?

Emilia: Ich würde schon sagen, dass die Jugend in der Mitte ist. Bestes Beispiel ist die Junge Union, die mehr als 130.000 Mitglieder hat. Da gibt es sehr viele Menschen, die sich jahre­lang enga­gieren, poli­ti­sche Arbeit leisten und hinter den Kulissen mitwirken. Die gehen nicht auf die Straße und demons­trieren – also gibt es über die auch nicht viele Medi­en­bei­träge.

Rena: Wir können auch beob­achten, dass bei größeren gesell­schaft­li­chen Problemen sich tenden­ziell mehr Menschen bei uns enga­gieren wollen – zum Beispiel um Bewe­gungen wie Fridays for Future, die nur kriti­sieren und keine Verant­wor­tung über­nehmen, etwas entge­gen­zu­setzen.

Junge Menschen wählen links? Eine Umfrage kommt zu einem anderen Ergebnis

Die Teen­geist-Umfrage ergab, dass 26% der 16- bis 24-Jährigen CDU/CSU wählen würden. Die Union ist also auch bei Jugend­li­chen die stärkste Partei. Die Grünen liegen mit 20% auf Platz zwei. Eine Forsa-Befra­gung im unge­fähr glei­chen Zeit­raum spie­gelt ein ähnli­ches Bild wider. Warum wählen Jungwähler*innen die CSU?

Rena: Für Jung­wähler ist es wichtig, dass ihre Zukunft und die Zukunft weiterer Gene­ra­tionen sicher und stabil ist. Über­ge­ordnet wichtig ist deshalb die Verei­ni­gung von Ökonomie und Ökologie. Deutsch­land muss als inter­na­tio­naler Vorreiter aufzeigen, wie man klima­neu­tral wirt­schaften kann, ohne den Wohl­stand unserer Nation zu gefährden. Nur so lassen sich Russ­land, China oder auch die USA moti­vieren, eben­falls klima­neu­tral zu werden. Diese Kommu­ni­ka­tion vermisse ich bei anderen Parteien. Digi­ta­li­sie­rung ist auch immer wichtig – und da sehe ich vor allem die Junge Union in der Pflicht. Man könnte noch über Steuern, Pflege, Rente, usw. im Detail spre­chen, aber das ordnet sich dem Über­thema Verein­bar­keit Ökonomie und Ökologie“ unter.

Warum wurden diese Themen nicht schon in den letzten Jahren ange­gangen? Die CDU/CSU ist die Partei mit der längsten Regie­rungs­be­tei­li­gung. Warum sollten Jungwähler*innen oder Erst­wäh­lende euch dennoch Vertrauen schenken?

Rena: Klima­schutz steht schon immer im Wahl­pro­gramm der CDU/CSU, nicht erst seitdem andere Parteien diesen Trend für sich erkannt haben. So haben wir das welt­weit fast einzig­ar­tige Pfand- und Recy­cling­system mitin­iti­iert. Die Prämisse ist immer, je radi­kaler man Themen angeht, desto weniger akzep­tiert die Bevöl­ke­rung die Verän­de­rung. Und auch in Krisen sind wir der Stabi­li­täts­anker. Das hat man bei der Bekämp­fung der Corona-Krise miter­lebt, da sind die Umfra­ge­werte anfangs steil nach oben geschossen. Das Vertrauen der Bevöl­ke­rung ist auf jeden Fall gegeben.

Eine Quote würde Frauen auf ihr Geschlecht redu­zieren“

Der Alters­durch­schnitt beim Antritt des Bundes­tags 2017 betrug unge­fähr 50 Jahre. Weniger als ein Drittel aller Abge­ord­neten sind Frauen, in der Unions­frak­tion ist es nur jede Fünfte. Die ehema­lige CDU-Bundes­tags­prä­si­dentin Rita Süss­muth fordert eine größere Reprä­sen­tanz vor allem von Frauen im Bundestagund wie wir sehen, ist die Jugend auch stark unter­re­prä­sen­tiert. Braucht es zur Lösung dieser Proble­matik eine verbind­liche Frauen- oder Jugend­quote?

Interviewpartnerin_Emilia Rosatti_privat

Foto: Emilia Rosatti / privat

Emilia: Wir sind uns einig, dass eine verbind­liche Quote eher schäd­lich statt förder­lich wäre. Rena ist die jüngste Stadt­rätin in Würz­burg, Vorsit­zende der Jungen Union Würz­burg-Stadt und ich ihre stell­ver­tre­tende Vorsit­zende. Wir haben das ohne eine Quote geschafft und werden genau deswegen von den anderen akzep­tiert. Wir haben nie nega­tive Erfah­rungen aufgrund unseres Geschlechts gemacht und es wird eher positiv aufge­fasst, wenn man sich als junges, weib­li­ches Mitglied inner­halb der Partei enga­giert. Eine Quote würde Frauen auf ihr Geschlecht redu­zieren, und nichts über ihre Quali­fi­ka­tion aussagen. Es führt also zu mehr Aner­ken­nung, wenn man mit Leis­tung über­zeugt anstatt mit der fest­ge­legten Quotie­rung.

Rena: Eine verbind­liche Parität wäre zudem nicht mit unserem Grund­ge­setz vereinbar. Es gab bereits einige Bundes­länder, die das einge­führt haben. Das wurde dann wieder zurück­ge­nommen. Das Grund­ge­setz sieht die gesetz­liche Parität also nicht vor, allein der Wähler soll durch sein Wahl­ver­halten über Reprä­sen­tanz entscheiden. Unsere Empfeh­lung ist: Enga­giere dich und dann kommst du auch nach vorne, dafür braucht es keine Quote.

Wären anstatt einer Quote andere gesetz­liche Maßnahmen denkbar, um diese Reprä­sen­tanz zu ermög­li­chen?

Emilia: Ich glaube, das grund­le­gende Problem sind die wenigen Frauen und/​oder Jugend­li­chen in den Parteien, was unserem gesell­schaft­li­chen Bild geschuldet ist. Der hohe Männer­an­teil in allen Parteien erweckt bei jungen Frauen den Eindruck, Politik sei Männer­sache“. Man müsste zuerst das gesell­schaft­liche Bild ändern, um nach­hal­tigen Wandel hinzu­be­kommen. Das schaffen wir mit Frau­en­netz­werken oder anderen Initia­tiven.

Rena: Wie bereits gesagt, verfas­sungs­recht­lich ist keine Luft für eine gesetz­liche Parität. Ich schließe mich Emilia an, dass wir die Lösung in der Ände­rung des gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Bildes finden können. Dafür brau­chen wir aber die Schaf­fung von Reali­täten. Wenn mein Studium nicht so lang wäre, dass ich mich 6 Jahre an Würz­burg binden könnte, hätte ich nicht für den Stadtrat kandi­dieren können. Also wäre hier auch ein Schritt getan, indem man ein Amt oder ein Mandat flexi­bler gestaltet, zum Beispiel in Form von Online-Sitzungen. Das würde auch helfen, wenn man ein paar Monate für ein Auslands­se­mester nicht vor Ort wäre. Dabei muss auch die Bürger­nähe sicher­ge­stellt werden, ein elemen­tarer Baustein erfolg­rei­cher Kommu­nal­po­litik. Eine werdende Mutter hat es auch schwer, ihr Mandat auszu­üben. Hier könnte der Staat noch mehr Unter­stüt­zung leisten. Das ist auch ein Grund, warum Frauen den Schritt in die Politik nicht wagen, weil es heraus­for­dernd für die Fami­li­en­pla­nung ist.

Poli­ti­sches Enga­ge­ment mehr als Partei­ar­beit

Stoßt ihr persön­lich auf Wider­stände in eurer Partei (JU/CSU), die es nicht geben würde, wenn ihr männ­lich wäret?

Rena: Über­haupt nicht. Unsere Frak­tion im Stadtrat ist die weib­lichste in Würz­burg – acht von 14 Mitglie­dern sind Frauen. Ich wurde mit offenen Armen empfangen, wurde super unter­stützt und einge­ar­beitet. Bisher bin ich in keine Situa­tion geraten, in der jemand mir sagte, dass ich zu wenig Erfah­rung hätte, weil ich jung oder eine Frau bin. Oft werde ich sogar von unseren Frak­ti­ons­vor­sit­zenden gebeten, unsere poli­ti­sche Meinung im Stadtrat vorzu­tragen. Und da ist es nur vorteil­haft eine junge Frau zu sein, da man da noch etwas mehr sticheln und provo­zieren darf.

Emilia: Seit meinem Eintritt in die Junge Union, wurde noch nie thema­ti­siert, dass ich jung und weib­lich bin, das hat über­haupt keinen Unter­schied gemacht.

Kennt ihr nega­tive Beispiele aus anderen Kreis- oder Orts­ver­bänden?

Rena: Nein. Und ich wüsste über­haupt nicht in welchem Zusam­men­hang. Even­tuell nur, wenn man bei einer Wahl in irgend­einer Form über­gangen wird, aber das kam noch nie vor. Eigent­lich läuft man überall in offene Arme, wenn man sich als junge Frau enga­gieren möchte.

Welche Tipps habt ihr für junge Menschen, die sich poli­tisch enga­gieren möchten?

Emilia: Auf jeden Fall einfach mal hingehen und sich mit den Partei­mit­glie­dern austau­schen. Da wird man sofort einge­bunden und kann sich einbringen. Unab­hängig davon, welches Vorwissen man mitbringt.

Rena: Es dreht sich eigent­lich alles um das Enga­ge­ment – aber natür­lich nur so viel, wie es für jeden Einzelnen zeit­lich passt. Jeder kann sich einbringen und Verän­de­rung bewirken, das macht auch den Charakter einer Volks­partei aus. Neben der Partei­ar­beit findet man natür­lich auch Freunde und Kontakte fürs Leben. Da geht es nicht nur um gesell­schaft­liche Themen, sondern auch um gesel­lige Themen. Solche Erfah­rungen mit gleich­ge­sinnten Menschen sind auch super wert­voll für die eigene persön­liche Entwick­lung.

Mit diesen ermu­ti­genden Worten würde ich gerne unser Inter­view beenden. Vielen Dank für eure Zeit!


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