Zusammen gesell­schaft­li­chen Wandel ankur­beln“

Datum
08. September 2021
Autor*in
Laura Lansche
Themen
#tsuzamen 2021 #Leben
TitelbildArtikel_Makkabi_01821

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ROOSEN PHOTOGRAPHY

Bei den olym­pi­schen Spielen in Tokio verwei­gerten ein Alge­rier und ein Suda­nese, im Judo gegen einen Israeli anzu­treten. Der Vorfall zeigt, wie präsent Anti­se­mi­tismus im Sport ist. Janik Trummer ist Bildungs­re­fe­rent beim Projekt Zusammen 1“ des jüdi­schen Sport­ver­eins Makkabi. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, Juden*Jüdinnenfeindlichkeit zu bekämpfen.

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Zusammenhalt und Integration sind Leitideen des jüdischen Sportvereins Makkabi. Foto: Makkabi Deutschland e. V.

poli­ti­ko­range: Das Projekt Zusammen 1 will präventiv gegen Anti­se­mi­tismus vorgehen. Wie sind Sie auf den Namen gekommen?

Janik Trummer: Wir stehen für gemein­same Werte, wollen Vorur­teile über­winden und zusam­men­stehen. Es geht darum, zusammen einen gesell­schaft­li­chen Wandel anzu­kur­beln. Zusam­men­halt auch die Grund­idee der Makkabi-Bewe­gung, die unser Projekt­träger ist. Die Makkabi-Sport­ver­eine sind ein Ort der Inte­gra­tion und möchten den Jüdinnen und Juden, die in Deutsch­land leben, ein Zuhause bieten. Gleich­zeitig hat Makkabi auch viele christ­liche und musli­mi­sche Mitglieder.

Was ist Ihre Aufgabe als Bildungs­re­fe­rent in dem Projekt?

Wir bieten pädago­gi­sche Trai­nings­ein­heiten, Work­shops und Schu­lungen an, in denen wir für Formen des Anti­se­mi­tismus im Sport und jüdi­sches Leben in der Gegen­wart sensi­bi­li­sieren. Lang­fristig gesehen sollen die Erkennt­nisse empi­ri­scher Sozi­al­for­schung in unsere pädago­gi­schen Maßnahmen einfließen. Außerdem wollen wir in die Struk­turen von Fußball­ver­bänden vordringen. Es geht uns um Verän­de­rungen im Regel­werk und die Anwen­dung der Inter­na­tional Holo­caust Remem­brance Alli­ance (IHRA)-Defi­ni­tion für Anti­se­mi­tismus. Außerdem kann man auf unserer Website anti­se­mi­ti­sche Vorfälle melden.

Geht es vor allem um Amateur- oder Profi­sport?

Sowohl als auch. Wir arbeiten einer­seits mit Verbänden wie dem Deut­schen-Fußball-Bund (DFB) und der Deut­schen Fußball Liga (DFL) zusammen. Wir wollen die Funktionär*innen, Trainer*innen und Spieler*innen ab der U15 im Leis­tungs­be­reich der Bundes­li­ga­ver­eine sensi­bi­li­sieren. Ande­rer­seits wollen wir über die Landes­ver­bände des DFB auch in den Amateur­be­reich gehen. Wenn zum Beispiel Trainer*innen Fort­bil­dungen absol­vieren oder ihre Trai­ner­li­zenz verlän­gern, möchten wir dort unsere Ange­bote plat­zieren.

Wie kann man sich so einen Work­shop vorstellen?

Insge­samt richten wir uns nach den Ziel­gruppen und deren Sprach­kennt­nissen. Zum Beispiel arbeiten wir mit geflüch­teten Menschen, mit Schü­le­rinnen und Schü­lern im Sport­un­ter­richt oder Profi­ver­einen zusammen. Wir bieten inter­ak­tive und fron­tale Formate an. Wegen der Pandemie fanden aller­dings die meisten Work­shops bis jetzt online statt.

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Janik Trummer, Bildungsreferent im Projekt "Zusammen 1“. Foto: Makkabi Deutschland e. V.

Was bedeutet Inter­ak­tion in diesem Fall?

Wir finden, dass man bestimmte Inhalte am besten über Bewe­gungen und spie­le­ri­sche Elemente erlernen kann. Am meisten Inter­ak­tion gibt es in den pädago­gi­schen Trai­nings, die bildungs­po­li­ti­sche Elemente mit einer Trai­nings­ein­heit verbinden. Zum Beispiel machen wir eine Lauf­sta­fette, an deren Ende ein Memo­ry­spiel mit Symbolen der Welt­re­li­gionen und des Juden­tums aufge­baut ist.

Wie drückt sich Anti­se­mi­tismus im Sport aus?

Die meisten Vorfälle haben wir in den vergan­genen Jahren im Fußball mitbe­kommen. Anti­se­mi­tismus drückt sich etwa in verbalen Belei­di­gungen gegen­über jüdi­schen und nicht-jüdi­schen Makkabi-Sportler*innen aus. Auch visu­elle Belei­di­gungen finden statt, zum Beispiel wenn Sport­an­lagen mit rechten Parolen beschmiert werden. Die dras­tischste Ausprä­gung ist die physi­sche Gewalt­aus­übung gegen­über Makkabi-Sportler*innen. Das ist in der Vergan­gen­heit häufiger passiert. Beson­ders wenn es im Nahen Osten zu krie­ge­ri­schen Ausein­an­der­set­zungen kommt, spie­gelt sich israel­be­zo­gener Anti­se­mi­tismus auf den Sport­plätzen in Deutsch­land wider.

Im Sport findet einer­seits Diskri­mi­nie­rung statt, ande­rer­seits kann sich Tole­ranz entwi­ckeln. Wie schätzen Sie diese Doppel­rolle von Sport ein?

Sport vermit­telt Werte wie Fair­play, Zusam­men­halt und Team­geist. Er hat eine inte­gra­tive Kraft und einen soli­da­ri­schen, demo­kra­ti­schen Leit­ge­danken. Aber Sport ist eben auch sehr anfällig für Diskri­mi­nie­rungs­formen. Unsere Auffas­sung ist: Sport ist gleich Politik. Viele gesell­schafts­po­li­ti­sche Entwick­lungen werden im Sport ange­stoßen. Wenn Fußball­fans erkennen, wie groß die poli­ti­sche Trag­weite des Sports ist, dann kann es gelingen, gesell­schaft­liche Diskurse voran­zu­treiben.


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