Was bedeutet die Ener­gie­wende für Privat­haus­halte?

Datum
14. Juni 2022
Autor*in
Elisabeth Fleschutz
Themen
#Politik #BDEW Kongress22
Vorschaubild Elisabeth Fleschutz. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Vorschaubild Elisabeth Fleschutz. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Vorschaubild Elisabeth Fleschutz. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Die Ener­gie­wende ist in vollem Gange. Was kommt da auf Verbraucher*innen zu? Elisa­beth Fleschutz hat sich beim Kongress des Bundes­ver­bands der Energie- und Wasser­wirt­schaft umge­hört.

Strom und Gas betreffen uns überall im Alltag. Die Umbruchphase, in der sich die Energieversorgung befindet, bekommen Verbraucher*innen derzeit vor allem durch die hohen Preise zu spüren. Jetzt geht es darum, gemeinsam Lösungen zu finden. Foto:

Strom und Gas betreffen uns überall im Alltag. Die Umbruchphase, in der sich die Energieversorgung befindet, bekommen Verbraucher*innen derzeit vor allem durch die hohen Preise zu spüren. Jetzt geht es darum, gemeinsam Lösungen zu finden. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Ein Zaun in Berlin-Kreuz­berg. Auf einer Seite ein Park, Jugend­liche fahren Long­board, immer wieder rauscht eine U‑Bahn vorbei, Klein­kinder stapfen an der Hand ihrer Eltern den Zaun entlang und schauen neugierig durch die Metall­stäbe auf die andere Seite. Dort erfüllt das Rauschen ange­regter Gespräche das Veran­stal­tungs­ge­lände STATION in Berlin. Anfang Juni findet hier der Kongress des Bundes­ver­bands der Energie- und Wasser­wirt­schaft (BDEW) statt. Ener­gie­ma­nager vom Typus männ­lich, weiß, Ü50, mit Anzug – aber inzwi­schen zumeist ohne Krawatte – treffen vor Ort auf ihres­glei­chen. Zwei Tage lang wird über die Zukunft der Ener­gie­ver­sor­gung disku­tiert und damit auch die Zukunft der Menschen außer­halb des Zauns bestimmt.

Das Thema Ener­gie­wende drängt, gerade im Kontext des russi­schen Angriffs­kriegs auf die Ukraine. Das ist auch beim Kongress spürbar. Nach seiner Rede vor den versam­melten Branchenvertreter*innen plädiert Olaf Scholz im Inter­view mit politikorange auf Zuver­sicht: Jede und jeder kann einen kleinen Beitrag leisten” und zeigt sich opti­mis­tisch, dass uns das gelingen kann.“ Dennoch: die Klima­neu­tra­lität bis 2045 – das scheint auch hier der Konsens – wird ein Kraftakt, für die Wirt­schaft und private Haus­halte. In den Worten von Kerstin Andreae, Vorsit­zende der BDEW-Haupt­ge­schäfts­füh­rung, ist das Vorhaben hoch­am­bi­tio­niert“. Wie viel Verant­wor­tung liegt bei den Menschen auf der anderen Seite des Zauns? Was wird sich für uns verän­dern? Und was können wir tun, um die Ener­gie­wende voran­zu­treiben?

Haupt­ver­ant­wor­tung liegt bei der Politik

Die wesent­li­chen Rahmen­be­din­gungen für Verän­de­rung setze nach wie vor die Politik, so Jan Strobel. Der Abtei­lungs­leiter beim BDEW für Regu­lie­rung, Markt­kom­mu­ni­ka­tion und Mobi­lität macht klar: Ich bin kein Anhänger der These, dass der Konsu­ment mit seinen Entschei­dungen die Ener­gie­wende alleine bewäl­tigen kann“. Dennoch sieht er auch für Privat­haus­halte Wege, die Ener­gie­wende voran­zu­bringen. Zentral seien hier die indi­vi­du­elle Wahl des Strom- und Gaslie­fe­ranten, die Instal­la­tion einer Photo­vol­taik-Anlage und nach­hal­tige Arten der Behei­zung.

Ökostrom und inves­tieren in Photo­vol­taik oder Wärme­pumpen

Bis 2035 soll die deut­sche Ener­gie­ver­sor­gung fast gänz­lich durch erneu­er­bare Ener­gien gesi­chert sein – soweit das Ziel des kürz­lich novel­lierten Erneu­er­bare-Ener­gien-Gesetzes. Wer zu Strom aus Biomasse, Solar, Wind und Co. wech­seln will, hat viele Möglich­keiten. Bei der Orien­tie­rung helfen Zerti­fi­zie­rungen wie vom TÜV oder das ok-power-Siegel”.

Hat man Einfluss auf die eigene Heiz­si­tua­tion, lohnt sich die Instal­la­tion einer Luft­wär­me­pumpe, das wird auch auf dem Kongress immer wieder betont. Fern­wärme kann eben­falls eine nach­hal­tige Lösung sein. Noch ist die dafür genutzte Wärme­en­ergie laut dem Bundes­mi­nis­te­rium für Wirt­schaft und Klima­schutz (BMWK) aber nicht eindeutig den erneu­er­baren oder fossilen Ener­gie­trä­gern zuzu­ordnen, da hier stärker auf Abwärme und grüne Energie umge­stellt werden muss. Am besten eignet sich Fern­wärme für Städte, weil sich der Ausbau des Wärme­netzes bei geringer Bebauung weniger lohnt. In länd­li­chen Regionen ist die Wärme­pumpe also passender. Aber auch um diese zu betreiben, braucht es Strom – besten­falls natür­lich aus erneu­er­baren Quellen. Mehr Unab­hän­gig­keit als die Wahl eines Ökostrom­an­bie­ters kann die Instal­la­tion einer eigenen Photo­vol­taik-Anlage schaffen.

Doch die Instal­la­tion von Photo­vol­ta­ik­an­lagen oder Wärme­pumpen ist nicht für jeden Privat­haus­halt eine Option. Die Preise bleiben trotz der höheren staat­li­chen Bezu­schus­sung ein Problem, so Hasibe Dündar, zuständig für die Ener­gie­rechts­be­ra­tung bei der Verbrau­cher­zen­trale Berlin.

Hinzu kommt, dass es aktuell einen starken Mate­rial- und Fach­kräf­te­mangel für Wärme­pumpen und Photo­vol­taik gibt, so Andreas Haber­mehl vom Zentral­ver­band der Deut­schen Elektro- und Infor­ma­ti­ons­tech­ni­schen Hand­werke beim Kongress. Das bekommen auch Verbraucher*innen zu spüren, die sich erneu­er­bare Ener­gie­an­lagen leisten könnten. Da bestehen noch sehr viele Hürden. Was sich der Staat vorstellt, ist derzeit gar nicht umsetzbar“, so Dündar.

Dann doch lieber Ener­gie­sparen?

Wirt­schafts- und Klima­mi­nister Robert Habeck unter­streicht in seiner Rede am Abend des ersten Kongress­tages, dass Verbraucher*innen vor allem durch eines helfen können: Ener­gie­ef­fi­zienz, sprich Einspa­rung. Das schone den Geld­beutel und verkürze außerdem den Weg zu einer CO2-neutralen Gesell­schaft. Mitte Mai hat er daher den Arbeits­plan Ener­gie­ef­fi­zienz vorge­legt. Was kompli­ziert klingt, hat einen simplen Hinter­grund, wie im Arbeits­plan erläu­tert wird: zur Errei­chung der deut­schen Klima­ziele ist gegen­über 2008 eine Senkung des Ener­gie­ver­brauchs um 24 Prozent vorge­sehen. Von 2008 bis 2018 wurden aber gerade einmal 2 Prozent einge­spart. Der Arbeits­plan ist also eine Art ausführ­liche To-Do-Liste des Minis­te­riums.

Neben vielen weiteren Punkten kündigt der Arbeits­plan eine Kampagne an, die sich mit praxis­nahen Tipps und Bera­tung“ auch an Verbraucher*innen richtet. Habeck ruft bei seiner Rede beim BDEW-Kongress auch die Branche und Verbände dazu auf, sich an der Kampagne zu betei­ligen: Das ist keine Kampagne der Bundes­re­gie­rung, es ist keine Kampagne des Wirt­schafts­mi­nis­te­riums, es ist schon gar keine partei­po­li­ti­sche Kampagne. Es kann nur funk­tio­nieren, wenn es eine Kampagne von Deutsch­land für Deutsch­land sein wird.“ Details zu verfüg­baren Spra­chen, Barrie­re­frei­heit und Ausspiel­ka­nälen verriet Stephan Gabriel Haufe, Pres­se­spre­cher des BMWK, politikorange im Inter­view auf dem Kongress am 2. Juni noch nicht.

Update: Am 10. Juni wurde die Kampagne "80 Millionen gemeinsam für Energiewechsel” nun gestartet. Mehr Infos dazu gibt es hier. 

Ener­gie­sparen ist für viele Bürger*innen alleine wegen des Kosten­fak­tors natür­lich nichts Neues. Wie viel die Spar­tipps des BMWK hier noch weiter­helfen können, wird sich zeigen. Für Privat­haus­halte sieht Kai Lobo, Spre­cher des Anbie­ters für Energie- und Klima­technik Viess­mann, als kurz­fris­tige Spar­stra­tegie bei stei­genden Preisen vor allem die Digi­ta­li­sie­rung der Geräte und des eigenen Strom- und Gasver­brauchs: Im Moment weiß man oft nicht genau, was man verbraucht und was bei der Heiz­kos­ten­ab­rech­nung auf einen zukommt. Die Frage ist: Wie kann man trans­pa­rent machen, was der eigene Ener­gie­ver­brauch für Kosten auslöst und welche großen Einspar­mög­lich­keiten sich aus der Digi­ta­li­sie­rung ergeben?“

Hasibe Dündar von der Verbrau­cher­zen­trale sagt zum Thema Ener­gie­sparen: Natür­lich ist es eine gute Sache, wenn die einzelnen Verbrau­cher auch sparsam mit Strom und Gas umgehen. Die Reserven sind knapp, wir sind ange­wiesen auf andere Länder. Aber stellen Sie sich vor, ich bin Mieterin einer Wohnung und die Wohnung ist schlecht gedämmt. Es müssen auch die Vermieter in die Pflicht genommen werden.“ Der Arbeits­plan Ener­gie­ef­fi­zienz sieht hierfür vor, höhere CO2-Preise aufgrund von schlechter Ener­gie­bi­lanz eines Gebäudes zukünftig zwischen Mieter*innen und Vermieter*innen aufzu­teilen – als Moti­va­tion für ener­ge­ti­sche Sanie­rungen. 

Die Rolle der Konsument*innen in der Ener­gie­wende

Um Unab­hän­gig­keit von fossilen Ener­gie­trä­gern und Auto­kra­tien zu errei­chen, liegt viel Verant­wor­tung bei Politik und Wirt­schaft. Auch Kerstin Andreae vom BDEW unter­streicht, worin sich alle einig scheinen: Zur Ener­gie­wende gehört mehr als das Enga­ge­ment der Konsument*innen. 

Aber auch für Bürger*innen ist es möglich, sich früh­zeitig auf die Ener­gie­wende einzu­stellen und sie damit anzu­treiben. Da bei Photo­vol­taik und Wärme­pumpen derzeit noch Hinder­nisse wie Mate­rial- und Fach­kräf­te­mangel bestehen, sehen Wirt­schaft und Politik Ener­gie­sparen als zweite wich­tige Säule der Klima­neu­tra­lität – auf privater Ebene und auch im Wohnungs­sektor. 

Während am letzten Abend des BDEW-Kongresses Krawat­ten­knoten gelo­ckert werden, und der eine oder die andere schon beginnt, das Roll­köf­fer­chen zu packen und den Heimweg gen andere Seite des Zauns anzu­treten, wandelt sich das Klima und wütet der Angriffs­krieg auf ukrai­ni­schem Gebiet weiter. Das Vorhaben Ener­gie­wende wird so in den nächsten Jahren weiter an Rele­vanz gewinnen. Je nach den eigenen Möglich­keiten gibt es verschie­dene Optionen für jene, die sich proaktiv betei­ligen möchten. Dass diese Ange­bote beispiels­weise durch die im Arbeits­plan Ener­gie­ef­fi­zienz ange­kün­digten Maßnahmen bald verfüg­barer und güns­tiger werden, ist zu hoffen. Die Perspek­tiven beim Kongress zeigen aber auch, wie wichtig es fürs Voran­kommen der Ener­gie­wende bleibt, über den eigenen Konsum hinaus Druck auf poli­ti­sche und wirt­schaft­liche Kräfte auszu­üben – damit die Verant­wor­tung, die hier liegt, auch über­nommen wird.


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