Trans­pa­rent gestreift: Lobby­ge­setz in Baden-Würt­tem­berg

Datum
29. März 2021
Autor*in
Jannis Krüßmann
Themen
#LandtagswahlBW21 #Politik
Jannis - Landtagslogo transparent gestreift (PO-Startseite Vorschau)

Jannis - Landtagslogo transparent gestreift (PO-Startseite Vorschau)

Der baden-würt­tem­ber­gi­sche Landtag bringt bundes­weit das erste Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz auf den Weg. Wird damit wirk­lich alles trans­pa­renter? Jannis Krüß­mann prüft das Gesetz auf Schwach­stellen.

Im März 2021 legten mehrere Bundes­tags­ab­ge­ord­nete der CDU und CSU ihr Mandat nieder, nachdem soge­nannte Masken­deals“ in Zusam­men­hang mit der Corona-Pandemie öffent­lich wurden. Die Union, die sich auf Bundes­ebene bis zuletzt wegen eines schär­feren Lobby­re­gis­ters gegen die SPD wehrte, traf dieser Skandal in der heißen Wahl­kampf­phase kurz vor den Land­tags­wahlen in Baden-Würt­tem­berg und Rhein­land-Pfalz.

Punkt­lan­dung im Wahl­kampf in Baden-Würt­tem­berg

Gerade noch recht­zeitig vor der Wahl am 14. März 2021 hatte aber das baden-würt­tem­ber­gi­sche Parla­ment ein Gesetz beschlossen, das in puncto Trans­pa­renz neue Maßstäbe setzen sollte: Das Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz (kurz: TregG) wurde am 4. Februar 2021 in seltener Einig­keit von vier Frak­tionen beschlossen und ist damit das erste seiner Art in Deutsch­land.

Aber hätte dieses baden-würt­tem­ber­gi­sche Lobby­re­gister den Masken­skandal“ der Union über­haupt verhin­dern können? Nein, denn dabei sollen sich einige Abge­ord­nete schlicht persön­lich berei­chert haben. Dagegen adres­siert das Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz nicht die Abge­ord­neten des Parla­ments, sondern soll ledig­lich Klar­heit darüber schaffen, welche sons­tigen poli­ti­schen Akteur*innen sich mit welchen Interessenvertreter*innen treffen und worüber sie reden. In erster Linie soll die Öffent­lich­keit Infor­ma­tionen über den Meinungs­bil­dungs­pro­zess ihrer gewählten Vertreter*innen und die Hinter­gründe der Gesetz­ge­bung erfahren.

Es kann einzelne Kritik­punkte am Gesetz geben“ – Nese Erikli

Die grün-schwarze Regie­rungs­ko­ali­tion beschloss gemeinsam mit SPD und FDP/DVP-Frak­tion das neue Gesetz, das eine verpflich­tende Eintra­gung von Inter­es­sen­ver­tre­tungen in ein öffent­li­ches Register vorsieht. Als Inter­es­sen­ver­tre­tungen gelten Gewerk­schaften, Wirt­schafts­ver­bände, einzelne Unter­nehmen, die Kirche oder auch zivil­ge­sell­schaft­liche Orga­ni­sa­tionen wie der NABU oder Green­peace. Die Regis­trie­rungs­pflicht gilt, wenn Inter­essen gegen­über dem Parla­ment, den Frak­tionen oder der Regie­rung vertreten werden.

Die Zustim­mung aller Frak­tionen mit Ausnahme der AfD wurde von verschie­denen Seiten inner­halb des baden-würt­tem­ber­gi­schen Parla­ments hervor­ge­hoben – laut Nese Erikli, Vertre­terin der Grünen im Stän­digen Ausschuss, hat diese Zustim­mung aber auch ihre Kehr­seite: Wie Erikli auf Nach­frage über das Portal abge​ord​ne​ten​watch​.de“ erklärte, führe diese inter­frak­tio­nelle Lösung dazu, dass es einzelne Kritik­punkte [am Gesetz] geben kann.“

Lobby­Con­trol kriti­siert Geltungs­be­reich als rätsel­haft“

Bereits in der öffent­li­chen Anhö­rung zum Gesetz­ent­wurf im Januar 2021 zog der begrenzte Geltungs­be­reich hinsicht­lich verschie­dener Formen der Inter­es­sen­ver­tre­tung die Kritik der Vereine Trans­pa­rency Deutsch­land“ und Lobby­Con­trol“ und der Inter­net­platt­form Abge­ord­ne­ten­watch“ auf sich: Laut Gesetz­be­schluss gilt die Regis­trie­rungs­pflicht nur für Orga­ni­sa­tionen und Verbände, womit wich­tige Akteur*innen der Inter­es­sen­ver­tre­tung wie Unter­nehmen und Kanz­leien von der Eintra­gung in das Register befreit sind. Dabei werden Unter­nehmen in der Ziel­set­zung des Gesetz­ent­wurfs explizit als Akteur*innen der Inter­es­sen­ver­tre­tung aufge­führt. Timo Lange von Lobby­Con­trol sagt dazu: Das ist mir auch rätsel­haft, wie man hier zu der Formu­lie­rung Orga­ni­sa­tionen und Verbände“ gekommen ist.“

Timo Lange von LobbyControl

Timo Lange von LobbyControl e.V. sprach in der Anhörung zum Gesetzentwurf. Foto: Lobbycontrol

Dem bereits begrenzten Geltungs­be­reich des TregG möchte sich offenbar der Wirt­schaftsrat der CDU Baden-Würt­tem­berg entziehen. Auf Nach­frage von poli­ti­ko­range antwor­tete ein Spre­cher, der Wirt­schaftsrat sei keine Lobby­or­ga­ni­sa­tion, sondern ein Unter­neh­mer­ver­band, weshalb das Thema Trans­pa­renz­re­gis­trie­rungs­ge­setz (gemeint ist das Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz, Anm. d. Red.) nicht Teil unseres Diskurses ist und uns auch nicht in erster Linie adres­siert“. Tatsäch­lich fällt der Wirt­schaftsrat der CDU als Unter­neh­mer­ver­band aber in den Geltungs­be­reich des Trans­pa­renz­re­gis­ters und ist zudem in der offi­zi­ellen, frei­wil­ligen Lobby­liste des Deut­schen Bundes­tags einge­tragen. Auf eine dies­be­züg­liche Nach­frage reagierte der Wirt­schaftsrat der CDU Baden-Würt­tem­berg nicht mehr.

Zusätz­lich zum engen Geltungs­be­reich sieht das TregG noch eine Reihe von Ausnahmen vor, das heißt Inter­es­sen­ver­tre­tungen, die zwar grund­sätz­lich vom Geltungs­be­reich des Gesetzes erfasst sind, sich aber trotzdem nicht regis­trieren müssen: Dazu zählen Reli­gi­ons­ge­mein­schaften wie Kirchen- und Synago­gen­ge­meinden und auch kirch­liche Vereine wie die Caritas und das Hilfs­werk Brot für die Welt. Auch in- und auslän­di­sche Amts- und Mandatsträger*innen müssen sich nicht regis­trieren.

Diese Ausnahme ist zwin­gend erfor­der­lich“ – Prof. Dr. Bernd Grzes­zick

Partei­spenden im Millio­nen­be­reich von Südwest­me­tall

Eine weitere Ausnahme von der Regis­trie­rungs­pflicht gilt für Gewerk­schaften und Arbeit­ge­ber­ver­bände, die mit der verfas­sungs­recht­li­chen Bedeu­tung der Arbeit­nehmer- und Arbeit­ge­ber­ver­bände begründet wird. Sobald Sank­tionen mit dem Gesetz verknüpft sind, liegt ein Eingriff in die Verei­ni­gungs­frei­heit dieser Verbände vor. Dieser Eingriff kann verfas­sungs­recht­lich nicht gerecht­fer­tigt werden, somit ist diese Ausnahme zwin­gend erfor­der­lich“, sagt Prof. Dr. Bernd Grzes­zick von der juris­ti­schen Fakultät der Univer­sität Heidel­berg.

Lobbyarbeit

Enger Geltungsbereich und weitreichende Ausnahmen: Trotz Transparenzregistergesetz werden viele Lobbytätigkeiten nicht erfasst. Foto: Marten Bjork / unsplash

Brisant ist die Rege­lung aber inso­fern, dass zum Beispiel Südwest­me­tall, die einfluss­reiche Inter­es­sen­ver­tre­tung der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie in Baden-Würt­tem­berg, in den letzten zehn Jahren unter den größten verband­li­chen Groß­spen­dern für mehrere Parteien war, wie aus der öffent­li­chen Daten­bank des Bundes­tages hervor­geht: Im Zeit­raum 2010 bis 2020 hat die CDU über 1,5 Mio. Euro an Groß­spenden von Südwest­me­tall erhalten, die Grünen seit ihrer Regie­rungs­be­tei­li­gung 2011 über 800.000 Euro, FDP (765.000 Euro) und SPD (410.000 Euro) folgen im glei­chen Zeit­raum. Insge­samt hat Südwest­me­tall damit mehr als 3,5 Millionen Euro an diese vier Parteien gespendet, die vor einigen Wochen ein Trans­pa­renz­ge­setz beschlossen haben, welches unter anderem Südwest­me­tall von der Regis­trie­rungs­pflicht ausnimmt.

Volker Stein­maier, Pres­se­spre­cher von Südwest­me­tall, bestä­tigt auf Nach­frage, dass sich der Verband selbst von dieser Ausnahme als Tarif­träger in der Metall- und Elek­tro­in­dus­trie in Baden-Würt­tem­berg defi­nitiv erfasst sehe. Gleich­zeitig ständen die Partei­spenden von Südwest­me­tall ganz sicher­lich nicht mit dem Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz in Verbin­dung“, sondern würden der poli­ti­schen Willens­bil­dung und dem Partei­en­plu­ra­lismus dienen. Zudem sei Südwest­me­tall an der Entste­hung des Gesetzes nicht betei­ligt gewesen.

Schwä­chere Sank­tionen als auf Bundes­ebene

Für Unver­ständnis sorgt bei Timo Lange von Lobby­Con­trol die Tatsache, dass Verbände und Orga­ni­sa­tionen ledig­lich verpflichtet sind, einen allge­meinen Inter­es­sen­be­reich im Trans­pa­renz­re­gister anzu­geben, jedoch kein konkretes Vorhaben wie eine Subven­tion oder ein Gesetz. Sowohl für das Parla­ment als auch für die Öffent­lich­keit muss klar sein, welche Anliegen verfolgt werden. Wenn das Register nur so allge­mein gehalten ist, hat es einen sehr geringen Infor­ma­ti­ons­ge­halt“, kriti­siert Lange.

Man merkt dem Gesetz an, dass es schnell gestrickt ist“ – Timo Lange

Kritik hagelte es in der öffent­li­chen Anhö­rung im Stän­digen Ausschuss des Land­tags nicht nur für die weit­rei­chenden Ausnahmen, sondern vor allem für das schwache Sank­ti­ons­re­gime bei Verstößen gegen das Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz. Dieses bleibt sogar deut­lich hinter den Maßstäben des vor wenigen Tagen verab­schie­deten Lobby­re­gis­ters im Bundestag zurück: Bei Verstößen drohen zum Beispiel öffent­liche Rügen im Landtag und als schärfstes Schwert ein tempo­rärer Ausschluss von öffent­li­chen Anhö­rungen. Der Beschluss des Bundes­tages sieht dagegen Bußgelder in Höhe von bis zu 50.000 Euro bei Verstößen gegen das Lobby­re­gister vor; für diese Sank­tion hatte sich unter anderem auch Lobby­Con­trol in Baden-Würt­tem­berg einge­setzt.

Timo Lange lobt das baden-würt­tem­ber­gi­sche Gesetz aber grund­sätz­lich: Es ist gut, wenn es auch in den Bundes­län­dern Lobby­trans­pa­renz­sys­teme gibt. Ich war aber enttäuscht, dass eine grün-geführte Regie­rung das erst ganz am Ende der Legis­la­tur­pe­riode im Schnell­durch­lauf einführt.“ Man merke dem Gesetz aber an, dass es schnell gestrickt ist.“ Auch Thomas Möller, Haupt­ge­schäfts­führer des Arbeit­ge­ber­ver­bandes Bauwirt­schaft Baden-Würt­tem­berg, sagt mit Blick auf den Zeit­punkt der Verab­schie­dung des Gesetzes: Es wird höchste Zeit“. Er ist eben­falls der Ansicht, dass Unter­nehmen von der Trans­pa­renz­pflicht erfasst sein sollten.

Letzt­lich bleiben die Fragen: Wie trans­pa­rent oder intrans­pa­rent kann die Landes­po­litik in Baden-Würt­tem­berg nach dem Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz sein? Wie breit sind die trans­pa­renten Streifen wirk­lich?

Anmer­kung: Am 25. März 2021 beschloss der Bundestag mit der Mehr­heit von Union und SPD ein Lobby­re­gister auf Bundes­ebene. Dem Beschluss voraus­ge­gangen waren mona­te­lange Unei­nig­keiten inner­halb der Regie­rungs­ko­ali­tion. Das Gesetz wurde als Konse­quenz des öffent­li­chen Drucks in Folge der Masken­deals“ der Union nun beschlossen. Es sieht eben­falls eine Ausnahme für Arbeit­geber- und Arbeit­neh­mer­ver­bände sowie Kirchen vor, im Gegenzug aber schär­fere Sank­tionen als das baden-würt­tem­ber­gi­schen Trans­pa­renz­re­gis­ter­ge­setz – und erfasst auch Unter­nehmen und Kanz­leien von der Trans­pa­renz­pflicht.


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