Sinn­loses vorgip­feln oder unver­zicht­bare Vorbe­rei­tung?

Datum
28. April 2017
Autor*in
Julius Geiler
Thema
#RuralFuture 2017
© Jonas Walzberg

© Jonas Walzberg

Jonas Walzberg

Im Vorfeld der großen Gipfel dieser Welt finden gewöhn­lich etliche Vorbe­rei­tungs­ver­an­stal­tungen statt, welche sich zum Ziel setzen ihre ausge­ar­bei­teten Leit­li­nien in die Abschluss­chartas der jewei­ligen Haupt­gipfel einfließen zu lassen. Ob das tatsäch­lich funk­tio­niert? Julius Geiler hat sich umge­hört.

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Es wird viel diskutiert beim Rural Future Lab. Finden die Ideen später auch Gehör? Foto: Jonas Walzberg

Die zwölfte Zusam­men­kunft der zwanzig wich­tigsten Indus­trie-und Schwel­len­länder im Juli 2017 wird zu einer Mammut­ver­an­stal­tung. Circa 9000 Poli­zisten und über zehn­tau­send zu erwar­tende Anti-G20-Demons­tranten werden Hamburg in eine Hoch­si­cher­heits­zone verwan­deln. Weit weniger Aufmerk­sam­keit genießen diverse Vorver­an­stal­tungen, die darauf abzielen, ihre eigenen Visionen von einer besseren Welt in der offi­zi­ellen G20-Agenda plat­zieren zu können. Beispiele hierfür sind der hoch­ka­rätig besetzte W‑20-Frau­en­gipfel oder die aktuell in Berlin statt­fin­dende Future of the Rural World“-Konferenz. Doch wie sinn­voll sind solche Vorkon­fe­renzen als Vorbe­rei­tung auf den G20-Gipfel? Kritiker und Kriti­ke­rinnen halten sie für reine Zeit­ver­schwen­dung, unnö­tigen Austausch von Ideen und Zukunfts­plänen, die von der großen Politik eh nicht berück­sich­tigt werden. So einfach sollte man es sich jedoch nicht machen.

wich­tige Signale

Olaf Deutsch­bein vom Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung, dem Veran­stalter der Future of the Rural World“-Konferenz, ist von den posi­tiven Impulsen der Tagung über­zeugt. Allein durch die Tatsache, dass das bei den G20-Staaten norma­ler­weise unter­prä­sen­tierte Thema der Entwick­lungs­po­litik hier im Blick­punkt steht, sorgt für die drin­gend notwen­dige Aufmerk­sam­keit, so Deutsch­bein. Tatsäch­lich hat sich das unter dem Motto EINEWELT ohne Hunger ist möglich“ stehende Zusam­men­treffen die Entwick­lungs­po­litik, unter beson­derer Berück­sich­ti­gung des länd­li­chen Raums, als Schwer­punkt gesetzt.

Die Teil­neh­menden kommen nicht nur aus den G20-Staaten, sondern aus der ganzen Welt, vor allem aus Afrika. Zusätz­lich zu promi­nenten Teil­neh­menden wurden mehr als hundert Jugend­liche und junge Erwach­sene aus aller Welt einge­laden, um ihre eigenen Visionen einer Welt ohne Hunger und Mangel­er­näh­rung vorzu­stellen. Für Deutsch­bein ein wich­tiges Zeichen mit Signal­wir­kung. Junge Menschen haben die Chance ihre Stimme zu erheben, auf Augen­höhe mit Minis­tern und Minis­te­rinnen, Wirschafts­bossen und hoch­ran­gigen Exper­tinnen und Experten.

Ob die konkreten Bestand­teile der bei der Future of the Rural World“ ausge­ar­bei­teten Berliner Charta“ dann tatsäch­lich in der G20-Agenda landen, ist keines­falls sicher. Beispiele für im Voraus ausge­ar­bei­tete Grund­sätze, die sich schließ­lich in Abschluss­erklä­rungen der G7 bezie­hungs­weise G20 wieder­fanden sind zwar rar, kommen aber vor. So geschehen im Jahr 2015 beim G7-Gipfel in Deutsch­land. Das Bundes­mi­nis­te­rium für Entwick­lung hatte das im Vorfeld formu­lierte Ziel ausge­geben, 500 Millionen Menschen in Entwick­lungs­län­dern bis 2030 komplett von Hunger und Mangel­er­näh­rung zu befreien. Eben dieses Bestreben findet sich schließ­lich auch promi­nent plat­ziert im Abschluss­be­richt der big seven“ wieder. Ob das funk­tio­niert, ist völlig offen – für die Gipfel­teil­nehmer und ‑teil­neh­me­rinnen zählt hier vor allem der Wille.

Unwich­tiges Geschwafel

Für Achim Heier von der globa­li­sie­rungs­kri­ti­schen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tion Attac ist die Versamm­lung der G20-Staaten keine legi­time Vertre­tung der Welt­be­völ­ke­rung. Hier kommt ein Club der Mäch­tigen zusammen, der sich anmaßt, über die Probleme unserer Zeit zu disku­tieren. Gleich­zeitig wird versucht, Lösungen zu finden, ohne über­haupt die Länder, die am meisten unter Armut, Hunger und fehlender Bildung leiden, einzu­binden“, so der Akti­vist. Aus diesem Grund laden Attac und 64 weitere Orga­ni­sa­tionen und Verbände zum soge­nannten Alter­na­tiven G20-Gipfel“ ein, um dem sinn­losen Geschwafel“ der G20 etwas entgen­zu­setzen. Hier sollen all jene zum Wort kommen, die am 7. und 8. Juli in Hamburg nicht gehört werden, verspricht Heier. Ähnlich wie beim eigent­li­chen G20-Gipfel werden hier Stra­te­gien und Pläne für eine bessere Welt ausge­ar­beitet, nur hat jeder die Chance, seine Stimme zu erheben.

Anders als den mit Angela Merkel, Ivanka Trump und Co. promi­nent besetzen Frau­en­gipfel hält er die Future of the Rural World“-Konferenz nicht für voll­kommen zwecklos. Schließ­lich kämen Jugend­liche aus der ganzen Welt zusammen, um sich auszu­tau­schen und den Versuch zu wagen, durch selbst kreierte Zukunfts­vor­schläge Druck auf Politik, Wirt­schaft und Gesell­schaft auszu­üben. Laut Heier sei dieses Bemühen gar nicht so weit entfernt von den Zielen des alter­na­tiven G20-Gipfels.

Austausch

Viel­leicht ist genau das der eigent­liche Sinn von G20-Vorver­an­stal­tungen wie eben jener in Berlin. Gipfel-Befür­worter, ‑Befür­wor­te­rinnen sowie Kriti­ke­rinnen und Kritiker kommen sich bei dem Wunsch nach inter­na­tio­nalem und inter­kul­tu­rellen Austausch über­ra­schend nahe. Debatten im Plenum, Knüpfen von neuen Kontakten und der von Berlin ausge­hende Impuls für eine nach­hal­tige Land­wirt­schaft, um Hunger in der Welt lang­fristig zur Rand­er­schei­nung zu machen, könnte viel­leicht schon reichen, um den Zweck der Veran­stal­tung zu erfüllen. Das breite Spek­trum der Teil­neh­menden sorgt dafür, dass die posi­tiven Signale aus der deut­schen Haupt­stadt in die ganze Welt getragen werden. Ein konkretes Umsetzen der Forde­rungen der Berliner Charta“ durch die G20 wären für die Teil­neh­menden natür­lich das I‑Tüpfelchen, muss jedoch nicht der Maßstab für eine gelun­gene G20-Vorver­an­stal­tung sein.


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