Jugend­ge­rechte Politik beginnt mit einer Haltung

Datum
26. September 2018
Autor*in
Ann-Marlen Hoolt
Thema
#Jugendstrategie19
haltung_jugendkonf

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Es gibt kein Geheim­re­zept für jugend­ge­rechte Kommu­nal­po­litik. Aber eine grund­le­gende Voraus­set­zung gibt es schon. Ein Kommentar.

Kommu­nal­po­litik läuft oft so: Da wird im Stadtrat ein neues Baupro­jekt beschlossen; auf einer großen Wiese soll bald ein Alters­heim stehen. Der Stadtrat stellt das Projekt beim Bürger­treff vor, zu der vor allem Rent­ne­rinnen und Rentner, ein paar Frauen und Männer mitt­leren Alters kommen. Einige haben ihre Kinder im Grund­schul­alter mitge­bracht. Die Idee finden alle gut, die Stadt kann ein neues Alters­heim gut gebrau­chen. Alle sind zufrieden… …alle sind zufrieden? Zwei Fragen drängen sich hier auf: Warum kommen keine Jugend­li­chen zum Bürger­treff und wurden sie gefragt, wozu sie die Wiese gerne nutzen würden? Viel­leicht hätte das Baupro­jekt dann anders ausge­sehen. Ein Alters­heim mit angren­zendem Spiel­platz, damit junge und alte Gene­ra­tionen etwas davon haben. Oder ein Gene­ra­tio­nen­haus, in dem auch Kurse und Work­shops gegeben werden. Wer poli­ti­sche Prozesse jugend­ge­recht gestalten möchte, der sollte Jugend­liche mitein­be­ziehen. Das alte Argu­ment Die inter­es­siert das ja eh nicht“ zieht hier nicht.
Denn Jugend­liche inter­es­sieren und betei­ligen sich sehr wohl an Politik – voraus­ge­setzt die Politik inter­es­siert sich auch für sie.

Das zeigen die Erfah­rungen der Koor­di­nie­rungs­stelle für eine Jugend­ge­rechte Gesell­schaft, die in den vergangen Jahren gemeinsam mit ausge­wählten Kommunen an der Gestal­tung jugend­ge­rechter, poli­ti­scher Struk­turen arbei­tete.

Alles eine Frage der Haltung

Eine der wich­tigsten Erkennt­nisse des Projekts: Jugend­ge­rech­tig­keit ist eine Frage der Haltung. Zeigt sich eine Kommune offen für Vorschläge und Ideen junger Leute und sieht sie als lösungs­ori­en­tierte Gesprächs­part­ne­rinnen und ‑partner, dann betei­ligt sich gerade diese junge Gene­ra­tion gern. Logisch – wer arbeitet schon gern mit jemanden zusammen, der sich nicht für einen inter­es­siert?

Ähnli­ches berichtet auch Lukas Nusser, der seine Gemeinde auf Konfe­renzen zur Jugend­stra­tegie vertritt:

Wenn ich das Gefühl habe, es inter­es­siert niemanden, was ich sage, dann ist es sehr mühselig, als Einzel­person dagegen anzu­kämpfen. Warum soll ich mich enga­gieren, wenn ich nur auf Fronten treffe? Ich habe als Schüler ja auch noch andere Dinge zu tun: Schule, Freunde oder Familie zum Beispiel.“

Das ist das große Problem beim Aufbau jugend­ge­rechter Struk­turen: Irgend­je­mand muss damit anfangen, Inter­esse zu zeigen. Entweder rückt eine Gruppe enga­gierter junger Leute Jugend­themen in den poli­ti­schen Fokus, wodurch eine engere Zusam­men­ar­beit zwischen Kommune und Jugend erwächst; oder anders­herum: Kommu­nale Entschei­de­rinnen und Entscheider gehen offen auf junge Leute zu und wecken deren Begeis­te­rung.

Posi­tive Erfah­rungen in der Jugend­po­litik

Eine weitere Hürde: Aus solchen ersten Schritten kann nur dann eine jugend­ge­rechte Einstel­lung entstehen, wenn die Erfah­rungen, die beide Seiten machen, positiv sind. Junge Menschen merken es, wenn sie tatsäch­lich gehört werden und Politik und Verwal­tung kann die Erfah­rung machen, dass diese Meinungen die Entwick­lung der Kommune nach­haltig berei­chern. Treffen Jugend­liche aller­dings auf Vorur­teile oder beißen mit ihren Vorschlägen auf Granit – dann lähmt das eine jugend­ge­rechte Kommu­nal­po­litik. Und auch andersrum lassen Kommunen schnell von ihren Bestre­bungen ab, junge Menschen mit einzu­be­ziehen, wenn sie das Gefühl haben, diese hätten keinen Blick für das Wesent­liche.

Anna Grebe sagt, dass sich eine jugend­ge­rechte Haltung schon in Klei­nig­keiten zeige: Manche Refe­renz­kom­munen waren sehr offen für alle Impulse der jungen Leute. In anderen hat es gedauert, bis sich die Akteure auf Augen­höhe betrachtet haben. Dürfen Jugend­liche für eine Versamm­lung den Rathaus­saal nutzen? Dürfen Jugend­liche den Kopierer im Rathaus benutzen? Das klingt jetzt unwichtig, aber genau so etwas ist jungen Menschen wichtig.“

Frost­zu­stand Kommune vs. Jugend­liche

Grebe berichtet auch von einem Bürger­meister, der zuvor als Poli­zist gear­beitet hatte und sich aufgrund schlechter Erfah­rungen mit trin­kenden oder randa­lie­renden Jugend­li­chen voll­kommen gegen die Imple­men­tie­rung jugend­ge­rechter Struk­turen stellte. Die Jugend­be­tei­li­gung in der entspre­chenden Kommune fror damit voll­ständig ein.

So ist das in jeder mensch­li­chen Bezie­hung. Wir setzen uns gerne mit anderen ausein­ander, wenn wir merken, dass wir etwas zurück­be­kommen und ziehen uns zurück, wenn wir das Gefühl haben, der andere nehme uns nicht ernst. Es ist leicht. Menschen in Schub­laden zu stecken, und schwer, sie dort wieder raus zu holen. In diese Bezie­hung“ zwischen Jungend und Politik müssen alle Vetreter deshalb immer wieder neu inves­tieren.

Eine Politik für Junge Leute zu machen, ohne diese mit einzu­be­ziehen – das klappt nicht. Dafür spricht auch der Titel der zwei­tä­gigen Konfe­renz, mit der die Koor­di­nie­rungs­stelle das Projekt vorstellt: Politik für, von und mit Jugend­li­chen. Wie diese Politik aussehen kann und soll, dafür gibt es kein allge­mein gültiges Rezept. Aber sie fängt mit einer Haltung an. Ist diese erste Hürde über­wunden, fallen alle anderen Maßnahmen, die eine Stadt jugend­ge­rechter machen sollen, leichter.


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