Jugend & Politik – Eine Frage der Kommu­ni­ka­tion

Datum
22. September 2022
Autor*in
Milena Neumes
Themen
#BuJuKo22 #Politik
BUJUKO22-68

BUJUKO22-68

Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Commu­ni­ca­tion is key – gerade in der Politik. Aber: Die Kommu­ni­ka­tion zwischen der Bundes­po­litik und jungen Menschen ist an vielen Stellen ausbau­fähig. Doch durch welche Maßnahmen und Formate kann sie die Gen Z besser errei­chen?

Vier Smartphones.

Die Wissensvermittlung über bundespolitische Inhalte kann über die unterschiedlichsten Kanäle laufen. Aber ist die Politik aktiv genug, junge Menschen über ihre Arbeit zu informieren und Partizipationsmöglichkeiten zu schaffen? Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Ein Wochen­ende im September – drei Tage, an denen man ziem­lich viel unter­nehmen kann. Beispiels­weise einfach mal den Wecker ausschalten und ausschlafen. Lange mit Oran­gen­saft und frisch geba­ckenen Bröt­chen früh­stü­cken. Zeit mit Freund*innen verbringen und ein biss­chen über das Leben philo­so­phieren. Oder auch einfach mal wieder feiern gehen und die Nacht zum Tag werden lassen.

Man kann diese drei Tage aller­dings auch nutzen, wie etwa 200 junge Menschen, die vom 2. bis 4. September 2022 in Berlin Ostkreuz zur Bundes­Ju­gend­Kon­fe­renz (BuJuKo) 2022 zusam­men­ge­kommen sind. Dieses Wochen­ende im September bedeutet für die Teilnehmer*innen, sich mit poli­ti­schen Verantwortungsträger*innen auszu­tau­schen, Probleme der gegen­wär­tigen poli­ti­schen Situa­tion zu reflek­tieren, Ideen und Lösungs­an­sätze zu sammeln und vor allem, ein eigenes Netz­werk zur gegen­sei­tigen Unter­stüt­zung zu schaffen.

Doch ein Wochen­ende im September auf diese Art und Weise zu verbringen, ist nicht selbst­ver­ständ­lich.

Zahlen zur Unzu­frie­den­heit

Laut einer Studie der Voda­fone Stif­tung vom 9. Juni 2020 Jugend will bewegen. Poli­ti­sche Betei­li­gung junger Menschen in Deutsch­land“ ist die Mehr­heit der jungen Menschen, genauer gesagt 73 Prozent, unzu­frieden damit, wie ihre Anliegen von der Politik berück­sich­tigt werden. Dabei spielen das Alter, das Geschlecht oder der Bildungs­hin­ter­grund keine Rolle. Doch das bedeutet keines­falls, dass es ein grund­sätz­li­ches poli­ti­sches Desin­ter­esse gibt. Von den Befragten 14- bis 24-Jährigen ist es 80 Prozent wichtig, die Politik in Deutsch­land mit beein­flussen zu können.

Die bis 2021 Vorsit­zende der Geschäfts­füh­rung der Voda­fone Stif­tung, Inger Paus, beschrieb die Situa­tion im Rahmen der Studie wie folgt: „[Es] gelingt […] uns bisher nicht, ihre [die der jungen Menschen] digi­tale Lebens­wirk­lich­keit in konkrete poli­ti­sche Betei­li­gungs­mög­lich­keiten zu über­setzen.“ Wie kann also die Über­set­zung in Hinblick auf die Kommu­ni­ka­tion zwischen der Bundes­po­litik und der Gene­ra­tion Z initi­iert werden?

BUJUKO22-38

Bundesjugendministerin Lisa Paus bei ihrer Ansprache an die Teilnehmenden der BuJuKo 2022. Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Die Posi­tion der Minis­terin

Bundes­ju­gend­mi­nis­terin Lisa Paus war mit politikorange im Gespräch und gesteht ein, dass die Politik den Bedürf­nissen der jungen Menschen tatsäch­lich nicht immer die nötige Beach­tung schenkt, beharrt jedoch darauf, diese Heraus­for­de­rung anzu­gehen: Ich will das ändern“.

Doch ein allzu großes Problem in der Kommu­ni­ka­tion sieht sie dabei nicht: Ich glaube, wer sich infor­mieren möchte, kann sich infor­mieren. […] Natür­lich kann auch die Bundes­re­gie­rung noch versu­chen, eine andere Sprache in ihren Pres­se­er­klä­rungen zu verwenden. Doch es gibt auch extra Medien, die das entspre­chend aufar­beiten.“

Da gebe ich ihr recht, aber das reicht nicht.“

Aber was sagt eigent­lich die Ziel­gruppe, was sagen junge Menschen zu der Posi­tion der Minis­terin? Kommen die Infor­ma­tionen wirk­lich da an, wo sie ankommen sollen? Im Rahmen der BuJuKo hat sich genau für dieses Thema eine Arbeits­gruppe zusam­men­ge­funden, die das Vorgehen der Bundes­po­litik reflek­tiert. Daniel Krusic, Teil­nehmer der BuJuKo 2022 und des Work­shops Jugend­ge­rechte Vermitt­lung von Politik“, vertritt dies­be­züg­lich eine klare Posi­tion: Politiker*innen hätten die Pflicht, die Menschen über das zu infor­mieren, was sie tun. Es sei abge­hoben“, zu sagen, die Menschen müssten zu den Politiker*innen kommen, wenn sie etwas wissen wollen. Proak­ti­vität sei hier der Schlüssel. Politiker*innen stünden in einer Bring­schuld, damit alle Menschen infor­miert werden können und das Wissen über aktu­elle Politik kein Privileg wohl­ha­bender oder bildungs­naher Haus­halte sei.

Da gebe ich ihr recht, aber das reicht nicht“, ist eine weitere Reak­tion auf die Worte der Minis­terin. Katja Pfeiffer, eben­falls Work­shop­teil­neh­merin, ist der Ansicht, dass ein umfang­rei­ches Angebot an Mitwir­kungs- und Infor­ma­ti­ons­mög­lich­keiten zwar vorhanden, doch das öffent­liche Wissen darüber absolut ausbau­fähig sei. Was bringen Work­shops, Veran­stal­tungen und Semi­nare, wenn sie die Ziel­gruppe nicht errei­chen?

BUJUKO22-62

Die BuJuKo war sowohl bei Organisator*innen als auch bei den Teilnehmenden ein voller Erfolg. Doch reicht dieses Programm alleine aus, um die kommunikative Brücke zwischen Bundespolitik und Jugendlichen zu schlagen? Foto: Jugendpresse Deutschland / Ella-Sophia Seeger

Jugend­ge­rechte Kommu­ni­ka­tion

Leichte Sprache, Trans­pa­renz auf allen Ebenen, konkrete und ziel­grup­pen­ge­rechte Inhalte oder auch die Arbeit mit bekannten Persön­lich­keiten – das sind die Work­sh­op­er­geb­nisse zu den Vorstel­lungen von jugend­ge­rechter Politik. Worüber aller­dings auch große Einig­keit besteht: Es gibt nicht die eine Jugend“, ein Satz, der während er BuJuKo mehr als nur einmal fällt.

Das bedeutet: Es benö­tigt verschie­dene Formate auf verschie­denen Kanälen für die unter­schied­li­chen Persön­lich­keiten der Jugend­li­chen. Dass das keine einfache Aufgabe ist, ist klar. Aber Studi­en­ergeb­nisse, Work­sh­op­er­kennt­nisse und persön­liche Gespräche zeigen, dass die aktu­ellen Maßnahmen noch nicht ausrei­chen.

Corinna Koch, Host bei dem Insta­gram Kanal @jung_genug und Mode­ra­torin der BuJuKo, ist der Auffas­sung, dass manchen Politiker*innen das Verständnis dafür fehle, wie es heut­zu­tage ist, ein junger Mensch zu sein. Um dieses Verständnis auszu­bauen, sei Authen­ti­zität der Schlüssel. Es müsse sich entfernt werden von der Vorstel­lung, Politiker*innen sollten alles wissen. Statt­dessen müssten diese viel mehr in den Dialog mit der Jugend treten und deut­lich machen: Ich weiß es zwar nicht, aber ich möchte es lernen“.

Die jungen Stimmen aus Parla­ment und Politik

Einen allge­meinen Knack­punkt sieht Heidi Reichinnek (34), Landes­vor­sit­zende Die LINKE Nieder­sachsen und Mitglied des Bundes­tags (MdB) vor allem darin, dass Politik grund­sätz­lich nicht genug im Fokus junger Menschen stünde. Als mögliche Maßnahme wäre sie dafür, die Ausein­an­der­set­zung mit poli­ti­schen Inhalten stärker in die Lehr­pläne der Länder zu inte­grieren. Außerdem sagt sie: Natür­lich wäre ein über­grei­fender Auftritt [der Bundes­re­gie­rung] in den sozialen Medien […] sehr sinn­voll.“ Eine Mischung aus Infor­ma­tion und Unter­hal­tung sei das, was aus ihrer Perspek­tive funk­tio­nieren könnte.

Dies­be­züg­lich würde ihr vermut­lich auch Rachid Khenissi (26), Mitglied im Bundes­vor­stand der Jusos, zustimmen: „[…] Ich finde, dass die Bundes­re­gie­rung noch viel mehr unter anderem auf soziale Medien setzen kann. Auch viel profes­sio­neller noch damit umgehen kann, als sie es jetzt schon tut.“ Ein mangelndes poli­ti­sches Inter­esse kann er bei jungen Menschen defi­nitiv nicht fest­stellen: Früher gab es ja das Klischee: Poli­tik­ver­dros­sen­heit und Jugend­liche. Ich finde das beschä­mend! Ich halte das über­haupt nicht für wahr. Jeder Mensch ist in sich irgendwie poli­tisch. Egal, zu welchem Grad. Es fehlen halt nur die Platt­formen. Ich glaube, es ist [teil­weise] die Schuld derje­nigen, die Politik machen, die Platt­formen auch einfach nicht zur Verfü­gung [zu] stellen.“

Beispiele die zeigen, wie es geht

Auch wenn Platt­formen fehlen, gewisse Kanäle zu einseitig sind und die Inhalte teil­weise zu komplex vermit­telt werden, bedeutet das trotzdem eines ganz klar nicht: Dass es gar keine Ange­bote gibt, eine jugend­ge­rechte Vermitt­lung von Politik zu gestalten:

  • Websites: Recht Relaxed, Bundes­zen­trale für poli­ti­sche Bildung (bpb), die Landes­zen­tralen für poli­ti­sche Bildung der einzelnen Bundes­länder, mitmi​schen​.de, Poli­tik­neu­ge­dacht, poli­ti­ko­range
  • YouTube Kanäle: DIE DA OBEN!, Jung & Naiv, MrWissen2go, Marvin Neumann
  • Podcasts: Drittstimme, Deutschland3000ne gute Stunde mit Eva Schulz
  • Insta­gram-Accounts: jung_​genug, youmo­cracy, jugend­check, doing.politics

Das sind nur ausge­wählte Beispiele. Diese zeigen, dass trotz aller Kritik­punkte einige Möglich­keiten vorhanden sind, sich poli­tisch zu infor­mieren. Auch Jugend­liche stehen in einer gewissen Eigen­ver­ant­wor­tung: Man kann sich schließ­lich nicht über die Welt infor­mieren, wenn man sich vor ihr verschließt.

Ein Wochen­ende im September – und darüber hinaus

Ein Wochen­ende im September wird mit vielem verbunden – für die Teilnehmer*innen der BuJuKo bedeu­tete es vor allem lebhafte Debatten, rauchende Köpfe und ange­regte Kompro­miss­fin­dungen.

Der Austausch, der an den drei Tagen zwischen Menschen aus ganz Deutsch­land und der Bundes­po­litik vor Ort statt­ge­funden hat, ist ein wich­tiger Schritt in Rich­tung funk­tio­nie­render Kommu­ni­ka­tion zwischen diesen beiden Akteuren. Um es mit den Worten des bereits erwähnten Work­shops zu sagen: Jugend­ge­rechte Kommu­ni­ka­tion beginnt, wenn junge Menschen wissen, an wen sie ihre poli­ti­schen Forde­rungen richten können.“

Junge poli­ti­sche Verantwortungsträger*innen im Bundes­par­la­ment und in den Parteien sind sich mit den Vertreter*innen der Gene­ra­tion Z über vieles einig: Es braucht mehr jugend­liche Parti­zi­pa­tion, eine einheit­liche und ziel­grup­pen­ori­en­tierte Infor­ma­ti­ons­ver­mitt­lung des Parla­ments und der Regie­rung, die Einfüh­rung neuer, dialog­ori­en­tierter Formate und die Aner­ken­nung von Jugend­po­litik“ als Zukunfts­po­litik“ (Rachid Khenissi).

Jede einzelne Person kann Teil des Meinungs­bil­dungs­pro­zesses der Gesell­schaft sein. Gerade die sozialen Medien bieten heut­zu­tage die Möglich­keit, nieder­schwel­lige Infor­ma­tionen zu erlangen, aber auch, eigenes Wissen weiter­zu­geben.

Die jugend­ge­rechte Kommu­ni­ka­tion von Politik ist nicht statisch, sondern ein Prozess. Ein Prozess, bei dem es darum geht, Politik in gemein­samer Verant­wor­tung zeit­gemäß zu gestalten. Und zwar Politik für, mit und von Jugend.


Empfohlene Beiträge

Dossier

Bundes­tags­wahl 2025

Lara Schauland