Ich kann mir keinen besseren Beruf vorstellen.”

Datum
15. November 2022
Autor*in
Gesine Haase
Themen
#Medien #YouMeCon22
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Hatice Kahraman und Dina Bogdanski von Salon5. Foto: Jugendpresse Deutschland/Saad Yaghi

Der Beruf Journalist*in ist ein Traum vieler junger Menschen, der Einstieg in die Branche aber heraus­for­dernd. Zwei junge Menschen erzählen, wie sie den Jour­na­lismus wahr­nehmen und mit ihren eigenen Ideen aufmi­schen.

Hatice Kahraman und Dina Bogdanski von Salon5. Foto: Jugendpresse Deutschland/Saad Yaghi

Hatice Kahraman und Dina Bogdanski von Salon5. Foto: Jugendpresse Deutschland/Saad Yaghi

Eigent­lich rate ich jungen Menschen meis­tens, nicht Journalist*in zu werden.“ Vor der boden­tiefen Fens­ter­front des Hamburger Spiegel-Gebäudes sitzt ein altein­ge­ses­sener Jour­na­list an der Stirn­seite eines Konfe­renz­ti­sches. Ihm gegen­über gut ein Dutzend Jugend­liche, die genau davon träumen. Es scheint, als wäre im etablierten Jour­na­lismus kein Platz mehr für junge Menschen, gleich­zeitig will sich der Nach­wuchs immer weniger auf vermeint­lich über­holte Medien einlassen. Kommen Jour­na­lismus und junge Menschen so über­haupt noch auf einen Nenner?

Trübe Aussichten?

Eine Studie des Reuters Insti­tute for the Study of Jour­na­lism der Univer­sität Oxford und des Jour­na­lis­ti­schen Semi­nars der Johannes Guten­berg-Univer­sität zeigt, dass Nach­wuchs im Jour­na­lismus durchaus gefragt, gleich­zeitig aber schwer zu bekommen ist. Fast drei Viertel der befragten Redak­tionen in Deutsch­land, Schweden und dem Verei­nigten König­reich gaben an, dass die Suche nach talen­tiertem Personal zu ihren größten Heraus­for­de­rungen zählt. Aber auch die Heraus­for­de­rungen für Nach­wuchs werden mit dem Abbau sicherer Arbeits­plätze durch den Wandel der Medi­en­welt, den zuneh­menden Anfein­dungen von Journalist*innen und einer aus dem Gleich­ge­wicht gera­tenen Work-Life-Balance immer komplexer.

Trotzdem hält sich der Traum­beruf Journalist*in hart­nä­ckig. Von der Studie befragte Direktor*innen von Journalist*innenschulen gaben sogar an, dass junge Menschen weniger aufgrund vager Karrie­re­vor­stel­lungen in den Jour­na­lismus gespült werden, sondern sich mehr an gesell­schaft­li­chen Idealen orien­tieren. Die meisten ange­henden Journalist*innen wollen also nicht nur irgendwas mit Medien” machen, sondern sind sich der gesell­schaft­li­chen Verant­wor­tung des Jour­na­lismus vollauf bewusst.

Moti­viert sind auch die Teilnehmer*innen der Youth Media Conven­tion 2022. Junge Medi­en­schaf­fende und solche, die es werden wollen, trafen sich dafür vom 27.10. – 30.10. in Hamburg. Sie sind es auch, die andächtig jenem erfah­renen Spiegel–Jour­na­listen zuhören und deren Blicke hin und wieder in Rich­tung der Fens­ter­front abschweifen, die die Aussicht auf die großen Hamburger Medi­en­häuser frei­gibt, die so weit entfernt scheinen. Ist der Traum vom Jour­na­lismus aussichtslos?

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Das Spiegel Gebäude von innen während der Spiegel-Medientour. Foto: Jugendpresse Deutschland/Joscha F. Westerkamp

Zwei junge Stimmen

Dina Bogdanski und Hatice Kahr­aman sehen das nicht so. Sie sind Spea­ke­rinnen bei der Youth Media Conven­tion (YouMeCon) und wollen junge Menschen zu jungem, frischem Jour­na­lismus ermu­tigen. Ich mag die Energie, die hier rum läuft“, meint Dina. Sie ist 18 Jahre alt und arbeitet schon seit zwei Jahren als Jugend­re­por­terin für Salon5, der Jugend­re­dak­tion des Inves­ti­ga­tiv­me­diums CORRECTIV. Vor einem halben Jahr hat sie ihr Abitur gemacht und steht jetzt kurz vor ihrem ersten Prak­tikum, dem nächsten wich­tigen Schritt in den Jour­na­lismus. Bei Salon5 recher­chiert, schreibt und produ­ziert sie Texte, Podcasts und Beiträge für Social Media. In der Auswahl der Themen ist sie dabei völlig frei. Wir kommen mit den Themen. Wir machen das, was uns inter­es­siert und so, wie wir das möchten.“ erzählt sie.

Unter­stüt­zung bei der Umset­zung bekommen die Jugendreporter*innen natür­lich trotzdem, beispiels­weise von Hatice. Die 28-Jährige ist Redak­ti­ons­lei­terin von Salon5 und für die Koor­di­na­tion von Programm und Themen der Jugend­re­dak­tion zuständig. In den Jour­na­lismus führte sie der klas­si­sche“ Weg: Zuerst arbei­tete sie bei einer Lokal­zei­tung, nach dem Studium absol­vierte sie ein Volon­ta­riat bei CORRECTIV. Seit Anfang des Jahres leitet sie Salon5. Wirk­lich mein Traumjob“, sagt sie selbst.

Frischer Wind und solide Funda­mente

Gemeinsam erklären Dina und Hatice den Teilnehmer*innen der YouMeCon, was jungen Jour­na­lismus auszeichnet. Dieser sei diverser, schneller und vor allem nicht mehr nur in herkömm­li­chen Formaten, wie Print, Hörfunk oder auch Fern­sehen zu finden. Statt­dessen bieten die sozialen Medien eine Viel­zahl von neuen Kanälen, machen die jour­na­lis­ti­sche Arbeit schnell­le­biger und fordern vor allem junge Medi­en­schaf­fende dazu heraus, sich ständig mit neuesten Entwick­lungen ausein­an­der­zu­setzen. Und genau wie unzäh­lige neue Medien verschie­denste Ziel­gruppen anspre­chen, werden auch die Berufs­bilder im Jour­na­lismus immer viel­fäl­tiger.

Mit Salon5 wollen Dina und Hatice diese Heraus­for­de­rungen bewäl­tigen und auch den Aufgaben der Zukunft stand­halten. Dass dafür auch lang­fristig eine stabile Finan­zie­rung vorhanden sein muss, ist Hatice, die unter anderem bereits für bento gear­beitet hat, beson­ders wichtig. Da die junge Ziel­gruppe über­wie­gend nicht in der Lage ist, selbst für jour­na­lis­ti­sche Produkte zu zahlen, ist ein ander­wei­tiges Finan­zie­rungs­kon­zept nötig. Im Fall von Salon5 über­nimmt das CORRECTIV, die ihrer Jugend­re­dak­tion in erster Linie einen Bildungs­auf­trag anver­trauen und deren Projekte auch finan­ziell ermög­li­chen.

Ein Weg voller Hinder­nisse

Dass Dina und Hatice von ihrer Redak­tion so viel Rücken­de­ckung bekommen, ist für junge Menschen im Jour­na­lismus nicht selbst­ver­ständ­lich. Während Dina als eine von sieben Jugendreporter*innen von Salon5 bezahlt wird, schrieb Hatice zu Beginn ihrer Karriere bei der Lokal­zei­tung noch für 20 Cent pro Zeile. Dass jungen Journalist*innen so einige Hürden im Weg stehen können, beob­achten die beiden ganz deut­lich.

Sie wünschen sich im Jour­na­lismus fairere Arbeits­be­din­gungen, mehr Chan­cen­gleich­heit und mehr Redak­tionen wie CORRECTIV, die aktives Inter­esse daran zeigen, junge Menschen zu fördern. Dina stellt aber auch fest: Sich Chancen bewusst zu sein, ist auf jeden Fall sehr wichtig.” Oft sei es für junge Menschen schwer, im Jour­na­lismus Fuß zu fassen, auch weil sie weniger ernst genommen würden. Hatice ist sich jedoch sicher: Nur weil man jung ist, heißt das nicht, dass man keinen guten Jour­na­lismus machen kann.”

Von jungen Menschen, für junge Menschen

In der Redak­tion von Salon5 kommen junge Menschen unter­schied­li­chen Alters und mit verschie­denen Vorkennt­nissen zusammen, die ihre Begeis­te­rung für jour­na­lis­ti­sche Arbeit teilen. Bei ihren Konfe­renzen bespricht die Redak­tion, welche Themen den Jugend­li­chen und jungen Erwach­senen wichtig sind und wie diese als Beiträge umge­setzt werden können. Dass diese dabei mal mehr und mal weniger Unter­stüt­zung benö­tigen, sei normal, erklärt Hatice. Viel Wert wird außerdem darauf gelegt, dass nicht nur die Themen­set­zung, sondern auch die Umset­zung, Sprache und Formate immer den Vorstel­lungen des jungen Teams entspre­chen. Darin liegt das Erfolgs­kon­zept von Salon5. Wir arbeiten mit Mitteln, die junge Leute anspre­chen, weil wir halt junge Leute sind”, sagt Dina.

Tatsäch­lich ist es eine der größten Heraus­for­de­rungen für die gängigen Medi­en­häuser, junge Leute anzu­spre­chen. Laut einer Studie des Leib­nitz-Insti­tuts für Medi­en­for­schung, hält es etwa die Hälfte der Jugend­li­chen nicht für wichtig, sich über Neuig­keiten und aktu­elle Ereig­nisse zu infor­mieren. Salon5 hingegen schafft es, junge Menschen nicht nur thema­tisch in ihrem alltäg­li­chen Erfah­rungs­be­reich abzu­holen, sondern nutzt vor allem auch soziale Medien wie Insta­gram, wo etwa 3.600 Menschen die Inhalte der Redak­tion verfolgen. Seine Reich­weite verdankt das Format also nicht zuletzt einer Menge jour­na­lis­mus­be­geis­terter junger Leute.

Hart­nä­ckig bleiben

Auch deshalb ermu­tigen Dina und Hatice junge Leute gern dazu, sich im Jour­na­lismus auszu­pro­bieren, sich nicht unter­kriegen zu lassen und aus Rück­schlägen immer Posi­tives zu ziehen. Nachwuchsjournalist*innen rät Hatice außerdem, auch mal Nein sagen zu können, wenn die Bedin­gungen unge­recht sind oder der Druck zu groß ist, und Kritik offen zur Sprache zu bringen.

Auch wenn noch viel getan werden muss, bis Redak­tionen rundum jünger und diverser werden und leider bei weitem nicht jede*r mit so viel Unter­stüt­zung und so fairen Bedin­gungen rechnen kann, wie die Redakteur*innen bei Salon5, gibt es dennoch Fort­schritte dabei, Jour­na­lismus und junge Menschen Schritt für Schritt aufein­ander zuzu­führen. Ein Licht am Hori­zont, das man viel­leicht auch aus den Fens­tern des Spiegel-Gebäudes sehen kann. Ich kann mir persön­lich keinen besseren Beruf vorstellen, als Jour­na­listin zu sein.” bestä­tigt Dina abschlie­ßend. Viele der YouMeCon-Teilnehmer*innen würden ihr vermut­lich zustimmen.


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