Ich bin Femi­nistin

Datum
21. September 2017
Autor*in
Marcel Kupfer
Thema
#poBTW17
Foto: Privat

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In den kommenden Wochen stellt Marcel Kupfer die Wahl­pro­gramme vor. Zu jedem führt er ein Inter­view mit einem Partei­mit­glied. Diese Woche geht es um DIE LINKE: Er fragt die Landes­vor­sit­zende von Baden-Würt­tem­berg, Heidi Scharf, zu Social Media im Wahl­kampf, Diesel und Über­wa­chung. 

Foto: Privat
Heidi Scharf beschreibt sich in drei Sätzen: Ich bin Femi­nistin. Setzte mich sehr für die Rechte der Frauen ein. Ich bin seit über 40 Jahren poli­tisch aktiv.

Social Media im Wahl­kampf wird immer präsenter und somit auch wich­tiger. Bei meiner Recherche habe ich fest­ge­stellt, Sie sind da eher dünn aufge­stellt. Warum? 

Ich persön­lich ja, weil ich mich da noch schwer tue, es stärker zu nutzen. Ich bin ja schon 64 Jahre alt. Das heisst aber nicht, dass es nicht trotzdem wichtig ist. Einen Nach­teil habe ich glaube ich nicht, meine Kommu­ni­ka­tion läuft viel über E‑Mail.

Die CDU lehnt eine Koali­tion mit Ihrer Partei ab. Wie gehen Sie damit um? 

Das muss die CDU entscheiden. Aber ich glaube, da gibt es so wenig Schnitt­mengen, sodass es so oder so nicht zusam­men­gehen würde.

Asyl ist ein Menschen­recht, das sagen Sie auch in Ihrem Regie­rungs­pro­gramm. Wie hält ihre Partei es für möglich, ein Blei­be­recht für alle aber auch zusätz­lich einen Abschie­be­stopp durch­zu­setzen? 

Das geht nur, wenn wir die gesell­schaft­liche Meinung so bewegt werden könnte, dass es auch durch­ge­setzt werden kann. Für eine Mehr­heiten bedarf es noch sehr viel Über­zeu­gungs­ar­beit. Viele sind gegen das Blei­be­recht und diffe­ren­zieren es sehr stark. Man aber auch bedenken, dass es nicht heißt, dass alle die kommen, auch bleiben. Die Erfah­rung aus den letzten Jahr­zehnten zeigt, dass viele die nach Deutsch­land gekommen sind auch wieder in ihre Heimat­länder zurück­gehen. Es kommen Menschen in poli­ti­scher oder wirt­schaft­li­cher Not und ich denke, wenn sich die Situa­tion in ihrem Land bessert, es demo­kra­ti­sche Bewe­gungen gibt, gehen sie dort auch wieder zurück. Von daher ist es eher eine tempo­räre Sache, dass die Menschen kommen.

Kinder­geld­erhö­hung, kosten­loser öffent­li­cher Nahver­kehr sowie kosten­freie Kultur- und Bildungs­ein­rich­tungen. Es hat zwar stark in den letzten Monaten geregnet, nur leider kein Geld. Stehen wir vor einer Steu­er­erhö­hung oder ist es ein leeres Verspre­chen? 

Wir wollen ganz klar eine Steu­er­erhö­hung. Aller­dings nicht für Menschen, die mit mitt­leren und unteren Einkommen, sondern nur für dieje­nigen, die sehr viel Geld verdienen und die anderen auch so entlastet werden. Außerdem sollen die Erbschaften höher besteuert werden. Dadurch erwirt­schaften wir uns die benö­tigten Finan­zie­rungs­mittel. So könnte zum Beispiel Kinder­be­treuung von der Krippe bis zur Univer­sität finan­ziert werden.

DIE LINKE spricht von einer Krise Europas. Wie ist das gemeint? 

Die Krise kam bei der Einfüh­rung der Währungs­union zustande wurde nicht Berück­sich­tigt, dass wir unter­schied­liche Produk­ti­vi­täten beachtet wurde. Man sollte sich über­legen, welche Verein­ba­rung zur Ausglei­chung man mit den Ländern treffen könnte. Dabei geht es auch darum, dass Deutsch­land mehr impor­tiert von diesen Ländern und nicht nur expor­tiert. So würden die anderen Länder unter­stützt und stabi­li­siert werden. Mögli­cher­weise könnten dann dort Arbeits­lo­sig­keit abge­baut werden. Ein andere Punkt ist das Einkommen in Deutsch­land. Mit einem Mindest­lohn von 8,84 Euro kann in Deutsch­land niemand vernünftig leben. Das hat auch Auswir­kungen auf Europa, wenn sich die Menschen mehr Produkte aus anderen Ländern kaufen können.

Der Diesel ist derzeit Gesprächs­thema Nummer Eins in der gesamten Bundes­re­pu­blik. Wie posi­tio­nieren Sie sich?

Unter­nehmen, die zu dieser Krise verur­sacht haben, durch tech­no­lo­gi­schen Ände­rungen, müssen ganz klar dafür sorgen, dass die Diesel so nach­ge­rüstet werden, dass sie von den Schad­stoffen runter­kommen. Das muss diese Indus­trie aus ihrem Gewinnen finan­zieren, nicht die Leid­tra­genden. Lang­fristig kommt die Abschaf­fung von Verbren­nungs­mo­toren weg, wenn wir unsere Umwelt verbes­sern wollen, müssen wir weg von einer Mobi­lität, die das Klima nach­haltig negativ verän­dert. Dafür brau­chen wir aber auch die Indus­trie. Ich kann nicht jemanden, der sich zehn Jahre das Geld für das Diesel­auto gesparrt hat fordern, er muss das ausglei­chen.

DIE LINKE fordert ein LKW-Nacht­fahr­verbot. Da freut sich sicher­lich der ein oder anderer Fahrer, wenn er im Sommer bei 35 Grad nicht mehr die lange Pause machen muss und bei der Hitze schlafen. Doch besteht da nicht die Gefahr, dass es massen­haft Stau gibt? Alle LKWs, die sonst nachts fahren, werden zu den Tagfah­rern hinzu­kommen. 

Es geht gene­rell um ein neues Verkehrs­kon­zept. Wir wollen, das mehr auf die Schienen verla­gert wird. Produkte sollen mit umwelt­freund­li­chen Tech­no­lo­gien trans­por­tiert werden. Es kann nicht sein, dass wir immer mehr LKWs auf die Straße schi­cken, die Auto­bahnen ausbauen und dadurch unsere Umwelt belasten. Wir haben ein Verkehrs­kon­zept, mehr öffent­li­chen Verkehr zu schaffen, damit wir die Staus auf den Straßen nicht mehr haben werden. Da gehört ein Schritt wie das Nacht­fahr­verbot dazu, auch wenn es nur ein kleiner Schritt ist.

Welche posi­tiven Faktoren sehen Sie an einer Gemein­schafts­schule hingegen des bishe­rigen Schul­sys­tems? 

Positiv ist, dass wir die soziale Auslese nicht mehr haben. Wenn man länger gemeinsam lernt, das auch kosten­frei ist, haben Kinder aus sozial schwä­cheren Fami­lien die glei­chen Chancen, wie wenn es nach der vierten Klasse entscheiden werden muss, in welche Rich­tung es sich entwi­ckeln soll. Das ist zu dem Zeit­punkt viel­leicht noch gar nicht zu sagen. Wenn man mehr Chan­cen­gleich­heit möchte, dann muss längeres, gemein­sames Lernen geför­dert werden.

In der inneren Sicher­heit sind Die LINKE gegen eine staat­liche Über­wa­chung. Welche alter­na­tiven Maßnahmen sehen Sie? 

Innere Sicher­heit hat auch mit der Bundes­re­gie­rung im welt­po­li­ti­schen Zusam­men­halt zu tun. Durch mehr Polizei, Über­wa­chung und Vorrats­da­ten­spei­che­rung wird man auch nicht mehr Sicher­heit bekommen. Es geht viel­mehr darum, soziale Gerech­tig­keit in einem Land zu schaffen. Völker­ver­stä­ni­gung zu betreiben. Keine Waffen­ex­porte Da gehören viele Facetten dazu. Man muss die Menschen nicht total über­wa­chen, um Sicher­heit zu bekommen. Vertrauen muss geschaffen werden und es nicht mehr anheizen.

Was soll sich Ihrer Meinung direkt nach der Bundes­tags­wahl am 24. September verän­dern?

Mir wäre wichtig, dass das Hartz IV-System verän­dert wird, also alles, was mit der Agenda 2010 zu tun hat. Außerdem wünsche ich mir keine Waffen­ex­porte sowie keine Auslands­ein­sätze, sondern mehr Frie­dens­po­litik


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