Euro­päi­sche Jugend­foren 2018/19: Es geht los!

Datum
16. April 2018
Autor*in
Lucie Reinecke und Alanza Schmidt
Thema
#EPjugendforum 2019
EP_jugendforum_berlin

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Umwelt, Ernäh­rung, Handel: Beim Euro­päi­schen Jugend­forum im Berliner Abge­ord­ne­ten­haus kommen die ganz großen Themen aufs Tableau. Lucie Reinecke und Alanza Schmidt haben den Verlauf dieses ersten Forums in der Reihe 2018/2019 verfolgt und mitge­schrieben, wie Poli­ti­ke­rinnen und Poli­tiker die Ideen der Jugend­li­chen finden.

An diesem Tag versam­meln sich Schü­le­rinnen und Schüler des Lette-Vereins, des Schiller-Gyma­siums, der Theodor-Heuss-Gemein­schafts­schule und des Willi-Graf-Gymna­siums im Plenar­saal des Berliner Abge­or­den­ten­hauses. Unge­duldig zupfen sie an ihren Namens­schil­dern, quas­seln mit ihren Sitz­nach­barn und Sitz­nach­ba­rinnen oder starren Löcher in die Luft. Doch als der Präsi­dent des Abge­ord­ne­ten­hauses, Ralf Wieland, das Podium betritt, verstummt der Saal schlag­artig. Gespannt schauen die jungen Gesichter zum Haus­herren“. Ich hoffe, euch auch noch ein andermal als Besu­cher oder sogar als zukünf­tige Abge­ord­nete begrüßen zu dürfen“, sagt Wieland. Frank Piplat, Leiter des Verbin­dungs­büros des Euro­päi­schen Parla­ments in Deutsch­land, freut sich, dass die Schü­le­rinnen und Schüler so zahl­reich erschienen sind, denn globale Themen sind auch für die Jugend rele­vant. Diese schauen nämlich der poli­ti­schen Welt, unter anderem dem ameri­ka­ni­schen Präsi­denten Donald Trump, via soziale Medien wie Twitter zu und fragen sich, was denn unsere EU dazu sage. Die neue Reihe des Jugend­fo­rums 2018 beginnt zu einer span­nenden Zeit. Ab heute sind es nur noch genau 409 Tage bis zur Euro­pa­wahl und viele von euch sind Erst­wähler und dürfen 2019 also das erste Mal über­haupt von ihrem demo­kra­ti­schen Recht Gebrauch machen“, erklärt Piplat. Auch die Bezie­hungen zwischen Europa und dem Bundes­land Berlin sei äußerst wichtig.

Parla­men­ta­ri­scher Crash­kurs: Ernäh­rung, Handel und Umwelt

Für heute genügt zunächst ein parla­men­ta­ri­scher Crash­kurs: Zu den Themen gehören Ernäh­rung, Handel und Umwelt – zu jedem Thema wurde schon im Vorfeld ein Ausschuss aus Schü­le­rinnen und Schü­lern verschie­dener Schulen gebildet. So haben sich die Jugend­li­chen bereits Gedanken über Probleme und jewei­lige Lösungen gemacht. Diese stellten sie sich in den Ausschüssen gegen­seitig vor und entschieden dann, welche die wich­tigsten und stärksten Argu­mente und Ideen sind, die sie später im Plenum vorstellen wollen. In der Voll­ver­samm­lung, in der alle Schü­le­rinnen und Schüler anwe­send sind, wird dann über die Vorschläge abge­stimmt, um sie später, in der letzten Phase des Tages, echten“ Abge­ord­neten vorzu­stellen und diesen die Möglich­keit zu geben, ihre Ansichten zu teilen oder abzu­lehnen. Über Themen wie Plas­tik­müll über Massen­tier­hal­tung bis hin zu Steu­er­hin­ter­zie­hung wird viel disku­tiert. Aber ein Satz prägt das Event und die Reden der Abge­ord­neten beson­ders: Es geht nur gemeinsam!“, sagt Frank Zimmer­mann (SPD), Mitglied des Abge­ord­ne­ten­hauses.

In der Diskus­sion wird deut­lich: Schon jetzt haben wir ein Europa der zwei Geschwin­dig­keiten. Während einige Staaten eine stär­kere Inte­gra­tion anstreben, sind andere zurück­hal­tender. Dies ist beson­ders im Bezug auf die Steu­er­ein­heits­de­batte rele­vant: Sollte es eine einheit­liche EU-Steu­er­re­ge­lung geben, so wäre nur ein Teil der Staaten mit im Boot. Weiterhin wäre ein System nötig, um Länder vor den Risiken des Finanz­markts zu schützen. Wie dies reali­siert werden soll, ist jedoch noch nicht klar.

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Auch in Bezug auf die von den Jugend­li­chen vorge­schla­gene Plas­tik­steuer, um Plas­tik­müll zu redu­zieren, geht es wieder um euro­päi­sche Einheit. Die EU könne selbst keine Steuern fest­legen, also müssen sich die Mitglieds­staaten einigen, so Michael Cramer (Grüne), Mitglied des Euro­päi­schen Parla­ments. Schon die Einfüh­rung einer Plas­tik­steuer in Deutsch­land würde aber andere Staaten mitziehen. Mithilfe des Live-Umfrage-Tools slido​.com können die Teil­neh­menden des Jugend­fo­rums zwischen den Ausschuss-Debatten über Fragen wie: Benutzt du beim Einkauf Plas­tik­tüten?“ abstimmen. 63 Prozent geben zu, dass sie manchmal auf die Plas­tik­hilfe zurück­greifen. Durch solche Kurz-Umfragen zu Alltags­themen erhalten die Ausschuss­mit­glieder einen besseren Über­blick über Meinungen zu ihrem Fach­ge­biet.

Im Gespräch mit den Abge­ord­neten

Über­ra­schend waren die klaren Mehr­heiten im Thema Massen­tier­hal­tung: Die Vorschläge der Schü­le­rinnen und Schüler, die Massen­tier­hal­tung zwar zu begrenzen, aber aus preis­li­chen Gründen nicht voll­ständig zu verbieten, wird von den Abge­ord­neten mit gemischten Gefühlen empfangen. Während sich Michael Cramer (Grüne) strikt für die voll­stän­dige Abschaf­fung der Massen­tier­hal­tung posi­tio­niert, ist Sylvia-Yvonne Kauf­mann (SPD), eben­falls Mitglied des Euro­päi­schen Parla­ments, der Meinung, dass dies in unserer heutigen Gesell­schaft noch nicht reali­sierbar sei. Im Bezug auf die den Tieren verab­reichten präven­tiven Anti­bio­tika“ und Hormone jedoch sind alle Abge­ord­neten wie die Mehr­heit der Jugend­li­chen der Meinung, dass diese unbe­dingt abzu­schaffen seien.

Lebens­mittel müssen euro­pa­weit anders gekenn­zeichnet werden, um das Miss­ver­ständnis zu vermeiden, dass sie nach Ablauf des Mindest­halt­bar­keits­da­tums nicht mehr genießbar sind“, sagt Kauf­mann, als dies von den Schü­le­rinnen und Schü­lern des Ernäh­rungs­aus­schusses ange­spro­chen wurde. Der Vorschlag, die nicht mehr für den Verkauf zuge­las­senen aber noch genieß­baren Lebens­mittel an Obdach­lose zu verteilen, trifft auf allge­meine Zustim­mung.

Beim Thema erneu­er­bare Ener­gien wird Cramer ein biss­chen emotional. Es ist unglaub­lich, dass sich eine Gene­ra­tion anmaßte, die folgenden Gene­ra­tionen so zu belasten“, sagt er. Als ein Schüler über das Thema Trans­pa­renz bei der Setzung von EU-Stan­dards, etwa bei Lebens­mit­teln, spricht, wird er wieder etwas lauter. Wenn man das Euro­päi­sche Parla­ment mit dem Deut­schen Bundestag vergleiche, so erneut Cramer mit empörter Stimme, dann sei das sowas von trans­pa­rent“.

Schüler und Schü­le­rinnen hinter­lasse eine Spur für das zukünf­tige Europa

Einen Tag voller Ideen, Anre­gungen, und Debatten haben die Schüler und Schü­le­rinnen der vier Schulen hinter sich, nach­denk­liche Gesichter und ange­regt disku­tie­rend verlassen sie nach und nach den Plenar­saal. Eine Fahne der Diskus­sion folgt der Gruppe. Auch die Abge­ord­neten scheinen von den Ideen der jungen Menschen nach­denk­lich gestimmt worden zu sein und werden diese hoffent­lich in ihre jewei­ligen Ausschüsse weiter­tragen. Im Großen und Ganzen war der Tag zwar anstren­gend, aber erfolg­reich und jeder hat sich auf seine Art einge­bracht: ob nun leise im Hinter­grund oder voller Selbst­be­wusst­sein am Podium – so hat jeder seine Spur in den Ergeb­nissen des heutigen Tages hinter­lassen. So wie es auch mit dem zukünf­tigen Europa sein sollte: Jeder Gedanke und jede noch so kleine Tat oder Idee zählt und genau das haben die Schü­le­rinnen und Schüler heute gelernt.

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