Elmar Brok über Martin Sonne­born: Dann kann es auch der Herr Gauland machen!“

Datum
26. März 2019
Autor*in
Henri Maiworm
Thema
#EWLako19
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Elmar Brok gilt als einer der einfluss­reichsten EU-Parla­men­ta­rier. Im Inter­view mit Henri Maiworm macht der Poli­tiker deut­lich, was er von den Protesten zu Artikel 13 hält und was der EU-Parla­men­ta­rier Martin Sonne­born mit Alex­ander Gauland zutun hat.

Das große Thema auf der Eine-Welt-Konfe­renz ist das Thema Afrika. Eng verbunden damit ist die Migra­tion über das Mittel­meer: Dort ertrinken täglich Menschen. Dennoch werden private Seenot­retter krimi­na­li­siert. Ist das der EU würdig, die einst den Frie­dens­no­bel­preis bekommen hat?

Die EU hat den Preis zu Recht bekommen, weil sie die größte Frie­dens­ver­an­stal­tung der Mensch­heits­ge­schichte ist. Wir haben es hinbe­kommen, dass keine Menschen mehr in der Ägäis sterben oder zumin­dest fast keine mehr. Im Mittel­meer­raum haben wir das noch nicht geschafft. Wir müssen aber über­haupt erst verhin­dern, dass die Menschen in die Sahara kommen. Deswegen sollten wir an die Ursa­chen heran­gehen, um bessere Lebens­be­din­gungen für die Menschen in Afrika zu schaffen. Da gibt es viel zu tun. Aber im Zwei­fels­fall muss man im Mittel­meer Menschen retten, das hat immer Vorrang und ist auch euro­päi­sche Gesetz­ge­bung. Wenn Herr Salvini das anders macht, ist das EU-rechts­widrig. Wir haben heute 90 Prozent weniger Zuwan­de­rung aus Afrika als im Herbst 2015. Das Sterben wird also geringer. Wir müssen aber auch gegen die Menschen­händler vorgehen, die die Menschen für 1200 Euro auf solche Boote setzen. Es muss unter­bunden werden, dass die Menschen über­haupt auf diese Boote kommen.

Was einige Mitglied­staaten der EU versu­chen zu unter­binden sind doch eher private Seenot­retter als Schleuser. Woran liegt das? Oder halten Sie das für gerecht­fer­tigt?

Ich halte es nicht für gerecht­fer­tigt, wenn sie Menschen­leben retten. Ich finde es aber nicht gut, wenn Seenot­retter mit den Schleu­sern zusam­men­ar­beiten. Es gibt Einzel­fälle, wo sie das tun. Dann machen sie sich schuldig.

Würden Sie sagen, dass die Politik der harten EU Außen­grenze geschei­tert ist?

Die Repres­sion ist nicht geschei­tert, sie hat nicht exis­tiert. Es sollte immer die Frage nach dem klas­si­schen Asyl­an­spruch nach Genfer Konven­tion gestellt werden. Wer um sein Leben fürchten muss, aus poli­ti­schen, rassis­ti­schen, sexu­ellen Gründen oder weil Krieg herrscht, muss geschützt werden. Alle anderen haben diesen Anspruch nicht und das muss klar sein. Die Zukunft bringt viel­fäl­tige Heraus­for­de­rungen mit sich, wenn man daran denkt, dass der Klima­wandel auch in Afrika Wirkung zeigen wird. Außerdem wird Afrika in den nächsten 25 Jahren eine Verdop­pe­lung der Bevöl­ke­rung erleben.

Großes Thema ist die neue EU-Urhe­ber­rechts­re­form und der Artikel 13 mit den Upload­fil­tern. Was ist Ihre Posi­tion dazu?

Upload­filter sind im Artikel 13 nicht vorge­schrieben, sie werden über­haupt nicht erwähnt. Es geht darum, dass die großen Platt­formen verpflichtet werden, dass der Künstler, Schrift­steller oder Jour­na­list sein Geld kriegt für sein Eigentum. Das muss gewähr­leistet werden. Auf welche Art und Weise ist völlig gleich­gültig. Man kann auch beispiels­weise Pauschal­ver­ein­ba­rungen mit Verwer­tungs­ge­sell­schaften schließen, wie man das auch im analogen Zeit­alter gemacht hat. Aber es kann nicht sein, dass man Geschäfts­mo­delle aufbaut mit dem Eigentum anderer Leute.

Bei Youtube werden pro Minute über 450 Stunden Video­ma­te­rial hoch­ge­laden. Experten und Exper­tinnen gehen also stark davon aus, dass es Upload­filter bedarf, um der Masse Herr zu werden.

Also erstens sind diese dann nicht auf Dauer und zwei­tens werden Upload­filter auch schon im Kampf gegen Kinder­por­no­grafie und andere bestimmte Fälle der Krimi­na­lität einge­setzt. Da sagt ja auch niemand, man müsste die Filter wieder abschaffen, damit Kinder­ver­ge­wal­ti­gung weiter präsen­tiert werden kann. Hier geht es doch nur darum, dass Eigen­tums­rechte geprüft werden sollen. Die Rechte der Infor­ma­ti­ons­frei­heit und des Eigen­tums stehen immer mitein­ander im Konflikt. Aber wenn jemand meint, dass bei einem der Upload unrecht­mäßig gestoppt wird, kann er zur Beschwer­de­instanz gehen.

Die Proteste gegen die Reform treibt tausende Menschen auf die Straße. Hat es nicht auch etwas posi­tives, wenn sich die Leute für die EU-Gesetz­ge­bung inter­es­sieren – obwohl sie für diese Reform sind?

Nicht wenn sie mit Unwahr­heiten kommen und Algo­rithmen benutzen. In den letzten Tagen war mein Büro völlig blockiert, weil auch die Accounts meiner Mitar­beiter voll­ge­stopft sind. Man darf die Frei­heit des Abge­ord­neten nicht so zerstören, dass man ihn zerdrückt.

Was meinen Sie ganz konkret mit Unwahr­heiten“?

Da steht drin, dass es gegen die Kleinen geht, die Frei­heit der Meinung gefährdet sei, es Zensur sei. Das ist doch alles Unsinn. Es gibt keine Zensur, auch nicht bei Satire, die natür­lich frei­ge­stellt ist. Das ist doch syste­ma­tisch geför­dert worden durch die Googles und Youtubes dieser Welt, um auf die Art und Weise ihr Geschäfts­mo­dell durch­zu­setzen. Die verdienen doch Geld damit – mit den Eigentum anderer Leute. Sie verdienen Geld damit, dass sie inter­es­sante Texte haben, bei denen sie Werbung schalten und damit Geld verdienen, von dem dann der Urheber oder die Eigen­tümer nichts bekommen. Da gehen Redak­tionen im lokalen Bereich verloren. Wie soll denn auf Dauer eine Zeitung davon leben können und ihre Redak­teure bezahlen?

Auf der anderen Seite von Google und Co. gibt es dann die Rech­te­inhaber, die großen Verlage, die durch ihre Lobby-Bemü­hungen die Urhe­ber­rechts­re­form erst begründet haben, oder?

Das ging nicht von den großen Verlagen aus, sondern von den kleinen, wie dem Verband der Deut­schen Zeitungs­ver­leger. Wir möchten auch den Lokal­jour­na­listen in Münster schützen.

Die Stim­mung unter EU-Parla­men­ta­riern und Parla­men­ta­rie­rinnen ist nicht immer gut. Ich denke gerade an Sie und Herrn Sonne­born, der für die PARTEI im EU-Parla­ment sitzt. Jetzt sind Sie bald nicht mehr im Parla­ment. Gibt es irgendwas, dass sie Herrn Sonne­born schon immer mal sagen wollten?

Nein, Herrn Sonne­born habe ich nichts zu sagen. Wer in einem Parla­ment ist und dafür auch das Geld bekommt, sollte auch dafür arbeiten. Wenn jemand abwech­selnd ja und nein stimmt macht er daraus Kaba­rett. Herr Sonne­born tut nichts außer demo­kra­ti­sche Entschei­dungen ins Lächer­liche zu ziehen.

Über die Arbeits­weise des Abge­ord­neten Sonne­born kann man streiten. Dennoch hat er mit seinem Kaba­rett geschafft auf das EU-Parla­ment aufmerksam zu machen.

Das ist doch Unsinn! Machen Sie jetzt bitte nicht den Sonne­born zum Botschafter der Arbeit des Euro­päi­schen Parla­ments. Da ist eine Lügen­ge­schichte. Die Aufmerk­sam­keit brau­chen wir nicht. Dann kann es auch der Herr Gauland machen. Das ist das gleiche Niveau.


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