Ein Europa in dem wir gerne leben wollen

Datum
06. Mai 2018
Autor*in
Timon Meisner
Thema
#EPjugendforum 2019
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Gut gefüllt: Frischer Wind im hessischen Landtag - Schülerinnen und Schüler setzten sich mit Themen rund um Handel, Ernährung und Umwelt auseinander. Foto: Jonas Gebauer.

Aufmerk­same Blicke von rund 100 Schü­lern sind auf die Poli­tiker in der Mitte des Hessi­schen Land­tags in Wies­baden gerichtet. Gleich sind sie an der Reihe und dürfen die heutigen Ergeb­nisse von den Grup­pen­ar­beiten den drei Poli­ti­kern Norbert Kart­mann (CDU – Präsi­dent des Hessi­schen Land­tags), Ulli Nissen (SPD- Bundes­tags­ab­ge­ord­nete aus Frank­furt) und Martin Häus­ling (Grüne/​Bündnis 90 – Abge­ord­neter des Euro­päi­schen Parla­ments) vorstellen. Timon Meisner hat den gesamten Tag über etwas genauer hinge­schaut.

Früh morgens begann das EP-Jugend­forum: Uns verbindet mehr als uns trennt. Die gemein­samen Erfah­rungen durch zwei Welt­kriege prägen das gemein­same Streben nach Frieden“, sagte der Direktor des Hessi­schen Land­tags, Peter von Unruh, zur Begrü­ßung. Schüler von vier verschie­denen Schulen inner­halb Hessens reisten an, um an dem Jugend­forum teil­zu­nehmen. Das Event ist für viele Schüler die erste Möglich­keit mit Poli­ti­kern in Kontakt zu treten und eigene Vorschläge einer höheren Instanz anzu­bringen und auf Augen­höhe zu disku­tieren. 

Nach von Unruhs abschlie­ßenden Worten Europa kann auch ganz schön anstren­gend sein“ im Plenar­saal des Hessi­schen Land­tags, star­tete die Ausschuss­ar­beit. Die Schüler hatten sich im Vorhinein auf drei Ober­themen aufge­teilt, nämlich Handel, Umwelt und Ernäh­rung und fanden sich dann in ihren Ausschüssen ein, um sich unter­ein­ander auszu­tau­schen und eigene Ideen zu entwi­ckeln. 

Experte werden in nur zwei Stunden

Zu Beginn dieser Projekt­ar­beit hat ein Fach­re­fe­rent das Thema einge­führt und dafür gesorgt, dass die Schüler eine ange­mes­sene Diskus­si­ons­grund­lage haben. Denn wie soll man Verbes­se­rungs­vor­schläge erar­beiten, wenn man sich nicht ganz im Klaren ist, was das Problem ist?Die Schüler waren aber bezüg­lich aller Themen nicht ganz unwis­send: Aus dem Politik und Wirt­schaft-Unter­richt der Schule konnte so manches einge­bracht werden, was dann auch den Anderen zu Gute kommen konnte.

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Problem erkennen, Lösungswege aufzeigen und konkrete Maßnahmen benennen: Die Arbeit in den Ausschüssen war geprägt von jeder Menge intensiven Überlegungen. Foto: Jonas Gebauer.

Der Handels­aus­schuss“ beschäf­tigte sich mit zwei Themen: Mit der Förde­rung kleiner Unter­nehmen, und mit der Lega­li­sie­rung von Cannabis. Beide sind sehr umfang­reich, aber die Schüler haben es trotzdem – nach außen ohne große Anstren­gung – schnell geschafft, viele wich­tige Aspekte bezüg­lich der Thematik des Themas einzu­werfen und bei ihren Verbes­se­rungs­vor­schlägen sehr viele Faktoren berück­sich­tigt, um die best­mög­li­chen Ergeb­nisse zu erzielen. Eine Gruppe brachte den Vorschlag an, eine Art inter­na­tio­nales Kauf­haus für Start-ups und lokale Geschäfte inner­halb der EU einzu­richten um kleinen Busi­nesses die Chance zu geben, mit Konzern­gi­ganten wie Amazon™ mithalten zu können. Die Idee wurde mit Rück­sicht auf viele mögliche Hinder­nisse weiter ausge­baut. Alle Ausschüsse arbei­teten auf einem sehr hohen fach­li­chen Niveau und gaben sich Mühe gute Vorschläge vorstellen zu können.

Präsen­ta­tion vor Publikum: Wie kommen die Ideen an?

Nach der Ausschuss­ar­beit und einem kleinen Snack fanden sich alle Schüler in dem Plenar­saal zu einer Diskus­si­ons­runde ein, um die Ausar­bei­tungen zu beur­teilen: Der Ausschuss Ernäh­rung” durfte mit der Präsen­ta­tion beginnen: Es wurde erstens die Kenn­zeich­nung von Lebens­mit­teln mit z.B. einem QR-Code vorge­schlagen. Mit Hilfe dieses QR-Codes soll man die Herkunft der Lebens­mittel ermit­teln können, aber auch nach­voll­ziehen können, mit welchen Medi­ka­menten die Tiere behan­delt wurden. 

Als es Zeit für Rück­fragen war, stellte sich die Frage: Wer soll das denn wie Kontrol­lieren?” und daraus folgte der Vorschlag, Über­ra­schungs­kon­trollen einzu­richten, um mit Stich­proben die Rich­tig­keit und Trans­pa­renz der Produkte zu über­prüfen. Dann wurde abge­stimmt um zu sehen, was die anderen Schüler von der Idee halten. Der Vorschlag von QR-Codes auf Lebens­mit­teln fand mit 88 Ja-Stimmen und keiner Nein-Stimme sehr große Zustim­mung. 

Das zweite Thema aus dem Ausschuss war Massen­tier­hal­tung. Der Ausschuss forderte strik­tere Gesetze gegen Massen­tier­hal­tung, primär, dass es ethisch nicht vertretbar sei, Tiere rein als Produkt zu sehen. Sie forderten außerdem den Gesamt­konsum von Fleisch zu verrin­gern und damit auch würdige Haltungs­be­din­gungen zu schaffen. Denn wenn weniger produ­ziert werden muss, kann dies auch unter humanen Zuständen passieren, so das Argu­ment. Bei der Abstim­mung fand sich auch hier eine Mehr­heit: 45 Schü­le­rInnen waren dafür, 15 dagegen und es gab 31 Enthal­tungen.

Rück­mel­dung von Politik-Profis

Die Abge­ord­neten Martin Häus­ling und Ulli Nissen sahen diesen Vorschlag auch als sehr wichtig an, und sie stimmten zu, dass Punkte wie die Herkunft von Fleisch dem Käufer klar ersicht­lich sein sollten. Außerdem war beiden der ausrei­chende Auslauf von Tieren sehr wichtig. Land­tags­prä­si­dent Norbert Kart­mann fand die Idee zwar gut, war aber dennoch der Meinung diese Verän­de­rung eher langsam in die Wege zu leiten: Wir können niemandem vorschreiben, was er zu essen hat“, sagte er.

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Martin Häusling, Ulli Nissen und Norbert Kartmann (von links nach rechts) unterstützten die Vorschläge der Schülerinnen und Schüler nicht immer gleichermaßen. Foto: Jonas Gebauer.

Die Vorschläge der Schü­le­rInnen zur Lega­li­sie­rung von Cannabis vertraten die Meinung, dass wenn der Cannabis-Konsum und Verkauf vom Staat kontrol­liert werden würde, man eine bessere Qualität garan­tieren könne, denn Schwarz­markt-Drogen können poten­tiell sehr gefähr­lich sein. Sie forderten, dass der Konsum von Cannabis mit dem Konsum von Alkohol gleich­ge­stellt werden soll, da der Konsum von Alkohol nicht per se sicherer“ sei. Die Rück­fragen der Schüler reichten von Was sind die Auswir­kungen von Cannabis?” über wie sieht es aus mit dem Konsum an öffent­li­chen Orten?” bis hin zu würde das zu gefüll­teren Kassen im Staats­haus­halt beitragen?”. Trotz der kriti­schen Fragen fand der Vorschlag 44 Ja-Stimmen und nur 25 Nein-Stimmen. 

Ein EU-Kauf­haus für Klein­un­ter­nehmer als Alter­na­tive zu globalen Handels­riesen?

Der Vorschlag zu einem EU-Kauf­haus” für Klein­un­ter­nehmen des Handels­aus­schusses traf auf eine Zustim­mung von 57 Schü­le­rInnen, während 6 Schü­le­rInnen dagegen waren und 24 sich enthielten. 

Ulli Nissen war auch für die Lega­li­sie­rung und forderte zugleich einen kontrol­lierten Verkauf, bei dem der Staat profi­tieren kann. Außerdem fand sie die Idee für die Unter­stüt­zung der Klein­un­ter­nehmen toll und fügte hinzu, dass sie immer ein schlechtes Gewissen habe wenn sie bei Amazon einkaufe. Land­tags­prä­si­dent Kart­mann sprach sich deut­lich gegen die Lega­li­sie­rung von Cannabis aus und nannte sie eine Einstiegs­droge”. Auch dem Vorschlag für ein EU-Kauf­haus konnte er nicht zustimmen, weil er sich nicht sicher sei, ob es in die derzei­tige Markt­wirt­schaft passe. 

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Diskussion im Plenum: Jeder Vorschlag wurde genauestens geprüft und hinterfragt. Foto: Jonas Gebauer.

Umwelt – who cares?

Der Umwelt­aus­schuss schlug vor, mindes­tens 20% des Verkehrs mit erneu­er­barer Energie zu betreiben, einen Ersatz für fossile Brenn­stoffe zu finden und eine Steuer für Firmen, die Kohle- und Atom­kraft­werke nutzen, einzu­richten. Einige Schüler fragten, wie das finan­ziert werden sollte, da die Strom­kosten höher werden würden, worauf die Gruppe Steu­er­sen­kungen für Nutzer von Ökostrom vorschlug. Dieser Vorschlag fand hohe Zustim­mung und 79 stimmten dafür. Nur 3 Schü­le­rInnen stimmten dagegen und 11 enthielten sich. 

Der letzte Vorschlag bezog sich auf Plastik: Im Gespräch war eine Plas­tik­steuer für Einweg­plastik, um eine Möglich­keit zu finden, Produkte ohne die Nutzung von Plastik zu verpa­cken. Für den Vorschlag waren 83 Schü­le­rInnen, nur 7 enthielten sich und keine Person stimmte dagegen. 

Auch in den Vorschlägen der Gruppe Umwelt” konnte Bundes­tags­ab­ge­ord­nete Nissen zustimmen: Es hat sich gezeigt, wenn etwas kostet, dann bringt es etwas”, sagte sie und schlug auch anstatt der Nutzung von Mikro­plastik die vermehrte Verwen­dung von Mehr­weg­be­chern vor. Zudem unter­stütze sie die Umstel­lung auf erneu­er­bare Ener­gien. Martin Häus­ling fügte hinzu: Alte Ener­gien blockieren neue”.

Nach der Diskus­sion mit den Abge­ord­neten endete ein anstren­gender, aber infor­ma­tiver Tag mit einem Abschluss­bild im Plenar­saal. Es war ein Event das dem ein oder anderem noch länger in Erin­ne­rung bleiben wird. Denn ein Austausch zu aktu­ellen Themen ist eine tolle Sache und die Chance, mit Poli­ti­kern auf Augen­höhe zu disku­tieren, hat man nicht jeden Tag.


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