Die Neue Rechte und die Lügen­presse“

Datum
06. Mai 2020
Autor*in
Nils Hipp
Themen
#pressefreiheit20 #Politik
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Lügen­presse“, System­me­dien“, Fake News“: Ob bei Pegida Demons­tra­tionen, in AfD-Reden oder als Hass Postings im Netz – die Neuen Rechten haben anschei­nend kein gutes Verhältnis zu Medi­en­schaf­fenden in Deutsch­land. Unser Autor Nils Hipp fragt in seinem Kommentar: Wer ist über­haupt die Neue Rechte, was hat das alles mit Pres­se­frei­heit zu tun und warum ist sie so gefähr­lich für unsere Demo­kratie und Gesell­schaft?

Um diese Fragen zu beant­worten, muss man zunächst einmal verstehen, wer die Neuen Rechten sind, was sie fordern, wie sie handeln und was sie von der Alten Rechten unter­scheidet: Die Alte Rechte, um nicht zu tief in das Thema einzu­steigen, sind jene, deren Bild man vor dem inneren Auge hat, wenn man sich einen typi­schen Neonazi vorstellt: Glatze, Bomber­jacke und Sprin­ger­stiefel, ein Mensch, der den Holo­caust leugnet und eine Adolf Hitler-Büste auf seinem Nach­tisch stehen hat. Sie sind äußerst gefähr­lich, wählen NPD, oder eben gar nicht, sind gewalt­be­reit und mili­tant, jedoch in der gesell­schaft­li­chen Debatte lange nicht so einfluss­reich wie die Neue Rechte. Äußer­lich mag sich die Neue Rechte von der Alten unter­scheiden, Martia­li­sches Auftreten ist einem intel­lek­tu­ellen Hipster-Look gewi­chen, der mehr an die 68er als an NPD-Funk­tio­näre erin­nert. Kampf­be­griffe wurden ersetzt und das Voka­bular gänz­lich auf eine neue Stufe gehoben. Während der Stereotyp Vorstadt-Neonazi-Schläger in seinen Fakten-resis­tenten Hass auf Ausländer*innen immer wieder aufs Neue ihm sinnig erschei­nende Feind­bilder findet und persön­liche Ängste auf diese proji­ziert, geht die Neue Rechte intel­li­genter vor, anstatt plump Ausländer raus“ zu skan­dieren, geht es um eine kultu­relle Rück­erobe­rung, es heißt Recon­quista Germania“, die Zurück­er­obe­rung Deutsch­lands. Auch das mag noch stark martia­lisch klingen, hört man jedoch beispiels­weise Leute der Iden­ti­tären Bewe­gung in Inter­views und Video-Clips, so sorgen sie sich ledig­lich davor, dass afri­ka­ni­sche Länder ohne ihre Bewohner*innen nicht wieder aufge­baut werden können, man beruft sich auf Empa­thie und die angeb­lich gleich­be­rech­tigte Sorge um alle Kulturen – nur deren Vermi­schung wolle man verhin­dern, natür­lich zu beider Seitens Nutzen. Der Arier-Gedanke weicht, zumin­dest verbal, Begriffen wie Ethno­plu­ra­lismus“, also einem intel­li­genten Wort für die Rein­hal­tung aller Völker und gegen die Vermi­schung“ von Kulturen. Entweicht einem Neuen Rechten dann doch einmal ein Kampf­be­griff, der die eigent­liche Gesin­nung zeigt, wird sogleich rela­ti­viert: Unsere Zeit ist nun mal nicht mit einem Pony-Hof zu verglei­chen.“ Die Medien und Öffent­lich­keits­stra­tegie ist simpel wie genial, sie lautet: Selbst­ver­harm­lo­sung.

Die intel­lek­tu­elle Grund­lage für rechte Hetze

Selbst­ver­harm­lo­sung, ein Begriff, den Götz Kubit­schek ins Leben gerufen, bezie­hungs­weise der AfD (Alter­na­tive für Deutsch­land) ans Herz gelegt hat. Kubit­schek ist Verleger, Autor, mehr­fa­cher Vater und besorgter Bürger“. Auf seinem Rittergut in Schnell­roda verlegt er mit dem Antaios Verlag rechts­extreme Schriften und hält mit dem Institut für Staats­for­schung Akade­mien für Gleich­ge­sinnte ab. Er selbst spricht gerne auf Pegida-Demons­tra­tionen und ist ein enger Vertrauter des Thürin­gen­schen AfD Chefs Björn Höcke. Zusammen sah man sie in der Vergan­gen­heit beispiels­weise auf der Frank­furter Buch­messe 2017. Kubit­schek gibt sich als besorgter Zieh-Vater, nicht nur für die junge Neue Rechte Szene, sondern für ganz Deutsch­land.

Vernet­zung der Szene

Jene Semi­nare auf Schnell­roda werden von Leuten wie Martin Sellner, Chef der Iden­ti­tären Bewe­gung, Björn Höcke, AfD Chef in Thüringen und Mitbe­gründer des völkisch natio­na­lis­ti­schen Flügels der AfD, sowie auch der AfD Frak­ti­ons­vor­sit­zenden Alice Weidel besucht, welche noch vor ein paar Jahren, als Gegen­spie­lerin und Kriti­kerin des rechts­extremen Flügels unter Höcke galt.

Auch gibt Kubit­schek mit der Sezes­sion eine eigene Zeit­schrift heraus, sowohl in Print, als auch, ganz modern im Netz. Vertreten sind dort verschie­dene Autor*innen, von AfD Größen, über Iden­ti­täre ist alles, was im Neuen Rechten Spek­trum Rang und Namen hat, vertreten. Die Seiten sind gefüllt mit wohl formu­lierten Abrech­nungen und Feind­bil­dern, wie den Etablierten“, den System-Medien“ und allem, was nicht bei drei gegen Flücht­linge hetzt und die Begriffe Volk“ und Nation“ wieder positiv besetzten will. Sie treten intel­lek­tuell, besorgt und hip auf, alles, um sich von Neonazis abzu­grenzen, mit denen man schließ­lich nichts zu tun habe.

Äußer­lich getrennt, ideo­lo­gisch vereint

Blickt man jedoch hinter die intel­lek­tu­elle Fassade, betrachtet man die Biogra­fien der einzelnen, über­setzt man all die sorg­fältig gewählten Begriffe in einfache Sprache, so fällt auf, dass es nicht so viel Unter­schied zwischen Sie (west­deut­sche Groß­städte) sind verloren an das ganz Fremde, das sind oft keine deut­schen Städte mehr“ und über­rannt, mit aller Respekt­lo­sig­keit, die ein Eroberer eben an den Tag legt“(gemeint sind Geflüch­tete und Asyl­su­chende)(Kubit­schek) oder: Wir Deut­schen, also unser Volk, ist das einzige Volk der Welt, dass sich ein Denkmal der Schande ins Herz seiner Haupt­stadt gepflanzt hat“(Höcke) und einem: Wenn man in den Medien verfolgt, dass (…) Deut­sche Frauen ange­tanzt wurden, verge­wal­tigt wurden.(…) Dann wird diese Regie­rung ihrer Aufgabe, das Deut­sche Volk zu schützen nicht gerecht“.(Franz)

Auch ist es viel­leicht nicht ganz unin­ter­es­sant zu wissen, dass nicht nur unzäh­lige ideo­lo­gi­sche sondern auch perso­nelle Verbin­dungen zwischen der Alten und der Neuen Rechten bestehen. Es gilt beispiels­weise als bewiesen, dass eben benannter Björn Höcke, vor seiner Zeit bei der AfD unter dem Pseud­onym Landolf Ladig für eine NPD-Zeitung geschrieben hat, sowie damit regen Kontakt mit der Neonazi-Größe Thorsten Heise gepflegt hat. Heise veran­stal­tete beispiels­weise letztes Jahr in Ostritz das Schild und Schwert“, kurz SS“ Festival, auf welchem Bands wie Combat 18 (Kampf­gruppe Adolf Hitler) auftraten. Der Name ist nicht nur geschicht­lich äußerst frag­würdig, sondern auch der Name des bewaff­neten Arms des Neonazi-Netz­werks Blood and Honour“ (Blut und Ehre), welches in den frühen Zwei­tau­sen­dern für mehrere Anschläge überall in Europa verant­wort­lich war.

Das alles ist unglaub­lich schlimm und eine Gefahr für die Demo­kratie, doch was hat das mit Pres­se­frei­heit zu tun? Die Neuen Rechten nutzten Narra­tive und Feind­bilder, um ihre Ideo­logie, ähnlich wie die Natio­nal­so­zia­listen unter die Leute zu bringen. Eines dieser Narra­tive ist das der System­me­dien“ und der Lügen­presse“, so fordert die AfD die Abschaf­fung der öffent­lich-recht­li­chen Fern­seh­sender sowie die Been­di­gung der gesamte staat­li­chen Förde­rung für diese, da sie ideo­lo­gisch berichten würden.

Vorwurf partei­ischer Bericht­erstat­tung

Doch auch Medi­en­schaf­fende, denen man keine angeb­liche Verbin­dung zu den Altpar­teien“ andichten kann, werden auf Pegida Demons­tra­tionen und in Kreisen der Iden­ti­tären Bewe­gung als Lügen­presse“ und links-grün versiffte System-Medien“ verun­glimpft. Das Narrativ ist, dass all jene Medi­en­schaf­fende zu Gunsten der Regie­rung, unter einer Ideo­logie vereint, gegen die Wahr­heit“, gegen die Rechten berichten würden: Wäre der Main­stream eher rechts, wären die Jour­na­listen nicht mehr­heit­lich auf der grünen Seite.“

Diese Theorie steht nun zunächst einmal im Raum, sieht man sich beispiels­weise die Medien Beiträge über die AfD der letzten Jahre an und vergleicht sie mit der Bericht­erstat­tung über die meisten anderen Parteien, ohne sich inhalt­lich mit der Sprache der Neuen Rechten beschäf­tigt zu haben, so mag man diesen Eindruck, zumin­dest im Ansatz nach­voll­ziehen können, jedoch unter­liegt diese Annahme einem entschei­denden Denk­fehler. Die AfD ist keine Partei wie jede andere und die rest­liche Gesell­schaft hat sich wohl kaum unter einer Ideo­logie zusam­men­ge­schlossen. Denn Tole­ranz und Huma­nität sind keine Ideo­lo­gien, sondern sollten gesell­schaft­liche Selbst­ver­ständ­lich­keiten sein.

Presse und Meinungs­frei­heit sind in einer Demo­kratie essen­ti­elle Güter, die von jedem und jeder demo­kra­tisch denkenden Person gegen jene vertei­digt werden müssen, die zensieren, hetzen und spalten wollen. Wir leben in einer viel­fäl­tigen, plura­li­sti­chen Gesell­schaft und müssen alles tun, damit das so bleibt. In diesem Sinne: Kein Fuß breit dem Faschismus, wehret den Anfängen.


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Vivienne Fey