Die Frie­dens-Elf

Datum
20. November 2018
Autor*in
Lilith Diringer
Thema
#YouthforPeace2018
Friedensfußball_Johannes_Kolb

Friedensfußball_Johannes_Kolb

Im Mitt­leren Osten spielen israe­li­sche und paläs­ti­nen­si­sche Mädchen in einem Team gemeinsam Basket­ball, in Brasi­lien lernen Mädchen bei Fußball­tur­nieren, wie sie ihre Rechte einfor­dern können. Auch in Deutsch­land wird der Sport für Inte­gra­tion und Gewalt­prä­ven­tion genutzt. Der Volks­bund Deut­sche Kriegs­grä­ber­für­sorge e.V. folgte diesen Beispielen und initi­ierte zum Gedenken an den ersten Welt­krieg einen inter­na­tio­nalen Austausch mit Jung­fuß­bal­lern.

 Der 16. November 2018 ist ein beson­derer Abend im Berliner Olym­pia­park-Amateur­sta­dion. Zu den klas­si­schen Stadi­on­be­su­chern und Stadi­on­be­su­che­rinnen stoßen an diesem Abend auch Teil­neh­mende der Youth for Peace“-Konferenz. Auf dem Platz spielen die U17-Jugend­teams der Vereine FC Liver­pool und Hertha BSC in Gedenken an den Ersten Welt­krieg. Krieg, Frieden, Fußball­spiel – wie passt das zusammen? Um das zu verstehen, ist ein wenig geschicht­li­ches Hinter­grund­wissen erfor­der­lich: Im Dezember 1914 kam es zum berühmten Weih­nachts­frieden, einer nicht auto­ri­sierten Waffen­ruhe. Im Zuge dieser wurde nicht nur an der West­front gesungen und es gab eine gemein­same Messe, sondern es kam auch zu einer beson­deren sport­li­chen Begeg­nung. Briti­sche und deut­sche Soldaten schossen statt mit der Pistole auch einmal mit dem Fuß und versam­melten sich zu einem Freund­schafts­spiel. Und auf einmal ging es um Team­geist, es wurde geju­belt und man half sich nach Stürzen auf dem Rasen gegen­seitig auf. Beim Youth for Peace“-Event wurden nun die Elemente Gedenken und Frieden mitein­ander verbunden. Die inten­siven Work­shop­tage, an denen die Jugend­li­chen über Erin­ne­rungs­kultur disku­tieren und konkrete Projekte für den Frieden entwi­ckeln, werden mit einem abend­li­chen Rahmen­pro­gramm abge­schlossen. Neben Kino und Karaoke gehört das Freund­schafts­spiel dazu. Dabei entsteht die Frage, ob es beim Fußball wirk­lich fried­lich zugeht.
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Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Youth for Peace-Konferenzt 2018, Foto: DFJW

Dass Frieden viele Facetten aufweist, haben die Jugend­li­chen bei Youth for Peace“ schnell fest­stellen können. Einer der Aspekte ist das Nicht­vor­han­den­sein von Gewalt. Von dieser ist der Fußball, wenn die Spiele von emotional getrie­benen Fan- und Hooli­g­an­zu­sam­men­künften begleitet werden, nicht voll­kommen getrennt. Ein anderer Aspekt, den die Jugend­li­chen heraus­ge­stellt haben, ist Patrio­tismus. Der Natio­nal­stolz spielte auch im Jahr 1914 eine große Rolle und trug seinen Teil zum Ausbruch des Ersten Welt­krieges bei. Wenn die dama­lige Lage auch nicht mit dem Jahr 2018 zu verwech­seln gilt, so fiebern doch auch heute ganze Nationen mit ihren Mann­schaften mit. Klar, feuere ich da mein Natio­nal­team an“, antwortet der 23-jährige Ägypter John auf dir Frage, für wen er bei inter­na­tio­nalen Sport­tur­nieren die Daumen drücke. Nicht viel anders sieht es bei der 21-jährigen Milica aus Monte­negro aus. Erst wenn die eigene Natio­nal­mann­schaft ausge­schieden sei, rutschen die Krite­rien Leis­tung und Können in der Auswahl des Lieb­lings­teams nach oben. Paral­lelen zum Krieg in Bezug auf Konkur­renz, und das Prinzip, das nur eine Seite gewinnen kann, gibt es folg­lich auch im Stadion. Zwar wird bei Mann­schafts­sport­arten der Team­geist hoch­ge­lobt, doch was dabei das Team am meisten zusam­men­schweißt, ist der gemein­same Gegner, wie Hertha-Präsi­dent Werner Gegen­bauer kritisch anmerkt. Frag­lich bleibe, ob dabei die patrio­ti­schen Gefühle stärker ange­regt würden oder ob es gut sei, dass Bürge­rinnen und Bürger sport­liche Ereig­nisse dazu nutzen können, diese auszu­leben und sie dann in anderen Berei­chen nicht zu entfalten. Letz­teres wäre ein klares Plus für inter­na­tio­nale Wett­kämpfe. Hinzu kämen die Grund­sätze des Fair­play“. Die sport­liche Betä­ti­gung und die Regeln, auf die man sich einige, würden Tole­ranz, Respekt, Selbst­ver­trauen und Eigen­ver­ant­wor­tung schaffen. Man spiele also nur vorder­gründig gegen­ein­ander um den Sieg, im Gesamten jedoch gehe es um den gemein­samen Spaß am Sport. Diane Tempel-Bornett, Pres­se­spre­cherin vom Volks­bund Deut­sche Kriegs­grä­ber­für­sorge, kann sich dem anschließen. Der Verein traut den Fußball sogar noch mehr zu: Sport­li­ches Kräf­te­messen könne nicht nur den fried­li­chen Austausch fördern, sondern auch zur Erin­ne­rungs­kultur beitragen. Im Zuge des Projekts Fußball und Gedenken finden mehrerer Begeg­nungen mit Nach­wuchs­fuß­bal­lern aus Deutsch­land, England und Frank­reich statt. Zudem besuchten die jungen Spieler mehrere Gedenk­stätten in Europa und in Teilen der ehema­ligen Sowjet­union. In einigen dieser Kriegs­gräber liegen auch Fußballer begraben, die während des Ersten Welt­krieges ums Leben kamen, und deren Biogra­fien Mitglieder der Vereine Hertha BSC und Schalke04 im Zuge des Projekts genauer unter die Lupe nahmen. Die Ergeb­nisse wurden bei der Zentralen Gedenk­ver­an­stal­tung zum deut­schen Volks­trau­ertag dem Deut­schen Bundestag vorge­tragen. Dass die Fußball­be­geg­nung Herta BSCFC Liver­pool auch bei den Teil­neh­menden von Youth for Peace“ auf Begeis­te­rung stößt, lässt sich am nächsten Tag noch fest­stellen. I really liked the match. In my opinion sport unites people”, kommen­tiert die 20-jährige Jelena aus Usbe­ki­stan, die in Deutsch­land studiert. I did like it even though I don’t like foot­ball. I even don’t know the outcome of the game and who scored how many goals. I am only inte­rested in the symbolic meaning of this event”, sagt Milica. It was too cold”, erzählt John. Und doch hat es ihm an dem kalten Novem­ber­freitag gefallen: It was inte­res­ting. In sports it is not neces­sary to speak the same language. It brings people from diffe­rent count­ries toge­ther who all iden­tify them­selves with the same passion for sports.”
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Spiel zwischen den Jugendteams von FC Liverpool und Hertha BSC am 16.11.2018, Foto: DFJW

Sport­er­eig­nisse für den Frieden Mit Fußball­ereig­nissen wird aber nicht nur erin­nert, sondern auch zum Handeln aufge­rufen. So veran­staltet beispiels­weise die Hilfs­or­ga­ni­sa­tion Plan inter­na­tional an mehreren Orten Deutsch­lands regel­mäßig unter dem Slogan Fußball macht Mädchen stark“-Sport­tage, um für die Unter­stüt­zung von Mädchen in Entwick­lungs­län­dern zu werben. Auch vor Ort in Brasi­lien und einigen Ländern des afri­ka­ni­schen Konti­nents führt die Hilfs­or­ga­ni­sa­tion Work­shops durch, in denen Mädchen lernen, für ihre Rechte einzu­treten – und das alles begleitet von passio­nierten Fußball­tur­nieren. Erwei­tern wir den Blick­winkel auf andere Sport­arten, so stoßen wir schnell auf Nelson Mandela Sport hat die Kraft, die Welt zu verän­dern. Er hat die Kraft, Menschen zu vereinen, wie es sonst nur Weniges kann“. Kein Wunder, dass er es sich zum Ziel setzte, die Foot­ball-Mann­schaft Südafrikas zum Welt­meister zu machen. In Bezug auf Gewalt­prä­ven­tion und kultu­rellen Austausch setzen sich eben­falls zahl­reiche Vereine, wie der Deut­sche Tisch­tennis-Bund (DTTB) in Koope­ra­tion mit Enga­ge­ment Global ein. Das Deutsch-Fran­zö­si­sche Jugend­werk (DFJW) fördert seit 1963 sport­liche Ereig­nisse. 500.000 Sport­le­rinnen und Sportler wurden seitdem unter­stützt . Dabei unter­stützen sie die Inter­es­sierten beson­ders bei der Orga­ni­sa­tion und Durch­füh­rung von deutsch-fran­zö­si­schen Veran­stal­tungen. Das DFJW versteht Sport als Feld inter­kul­tu­rellen Lernens: Sport als gemein­samer Ausgang­punkt für die Entde­ckung von Gemein­sam­keiten und Unter­schieden, für die Bestä­ti­gung und Wider­le­gung von Klischees und für das Schließen von Freund­schaften. Sport verbindet, das ist keine Floskel. Denn Sport, vor allem Fußball, kann man nur mit anderen betreiben, man braucht Partner und trägt den Wett­kampf fried­lich aus“, äußert in diesem Sinne auch Hertha-Präsi­dent Werner Gegen­bauer. Ein Spiel, bei dem alle gewinnen Nach dem Schluss­pfiff verlässt die engli­sche Mann­schaft als Torsieger“ den Platz. Doch am Ende dürfen alle mit einem Gewinn nach Hause gehen. Denn bevor es in die Umklei­de­ka­binen geht, bekommen alle Mitspie­lern, egal in welchem Trikot sie stecken, die Medaille des Foot­ball Remembers“-Erinnerungsprojekts durch einen Vertreter der Premier League um den Hals gehängt.

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