Der poli­ti­sche Alltag in Polen

Datum
25. August 2017
Autor*in
Lisa Strozyk
Thema
#poTANDEM17
Alltag Polen quadratisch

Alltag Polen quadratisch

Foto: Jugendpresse Deutschland / Leonard Palm

Alltag Polen

Breslau ist das Saint Tropez von Polen: Wasser, Sonne, Internetempfang – in "Wrocław" steppt der Bär.

Nicht nur Pommes können weiß-rot sein, ein ganzes Land kann es eben­falls. Wenn bei den Nach­barn mal wieder die Natio­nal­flagge ausge­packt wird, hat Lisa Strozyk die Chance, sich mit Popcorn unter die Menschen­menge zu mischen und einer Unter­hal­tung zwischen Faschis­mus­fe­ti­schisten und Femi­nis­mus­fa­na­ti­kern zu lauschen. Oft ein recht vergnüg­li­ches Hobby.

Was Deut­sche über die poli­ti­sche Sicht­weise der Polen wissen? Na, eine ganze Menge! Das war doch dieses Land mit dieser PiSspartei und, ach ja, neuer­dings demons­trieren die alle. Aber gast­freund­lich sind sie, die Polen.“ Ich in meiner höchst löbli­chen Posi­tion als Frei­wil­lige a.k.a. Welt­ret­terin in unserem Nach­bar­land weiß das alles natür­lich viel besser. In der Epoche anti­de­mo­kra­ti­scher Soli­dar­ność-Mitglieder und Deutsch­land­witze reißender Wood­stock-Hippies freue ich mich in Gesprä­chen mit selbst erklärt tole­ranten Einwoh­nern stets auf den Zeit­punkt, wenn die Beschwerden über die viel zu konser­va­tive Regie­rung zu einem Aber Muslime finde ich nicht gut.“ werden.

Galgen­humor

Andersrum geht auch. An einem beson­ders fros­tigen Wintertag traf ich auf diesen einen polni­schen Trump-Anhänger, der zu mir meinte, dass Migranten aus Europa für ihn okay“ seien. Solche Gassen­dia­loge machen Spaß. Und sobald ich danach nach Hause fahre und die auf meine Haus­wand gesprayte, äußerst ästhe­ti­sche Graf­fi­ti­kunst bewun­dern darf (ein Haken­kreuz an einem Galgen), fühle ich mich gleich viel wohler. 

Neuer Tag, neues Glück

Der nächste Tag sieht anders aus. Mein Popcorn schmeckt auf einmal viel knusp­riger als sonst. Sonnen­strahlen tanzen auf meiner Haut. Die Schüler tragen statt Polska-Shirts schwarze Klei­dung und Grab­kerzen auf Frau­en­rechts- und Anti-Justiz­re­form-Demons­tra­tionen. Eine Studentin erklärt mir ihre moderne Meinung bezüg­lich Demo­kratie, auf dem Wood­stock wird gemeinsam zu Musik über Frei­heit und Gleich­heit getanzt und bei dem Patrioten nebenan versagt die Musik­an­lage. Statt 24 Stunden Disco Polo gibt es 24 Stunden Exis­tenz­krise. Etwas liegt in der Luft. Ist es Verän­de­rung? Ist es Umschwung? Ist es Revo­lu­tion? Nein, es ist der ange­nehme Duft des allzeit präsenten Smogs.

Die netten patrio­ti­schen Menschen

Über das Umwelt­pro­blem regen sich wenigs­tens sowohl der Patrio­ten­nachbar als auch die moderne Studentin auf. Ist ja auch wesent­lich wich­tiger als Frauen zum Beispiel. Wer braucht die schon? Polen jeden­falls nicht, wie man durch die in polni­schen Schul­bü­chern aufge­führten bekannten Persön­lich­keiten lernen kann. 60 Männer und 2 Frauen. Damit wurde die polni­sche Bildung endlich auf den rechten Weg gebracht. Eine Lehrerin bestä­tigte nicht nur den Bildungs‑, sondern auch den geist­li­chen Fort­schritt. So riet ihr ein Priester davon ab, ins Ausland zu reisen, da Polen doch schön genug sei. Finde ich auch. Zwischen all den netten patrio­ti­schen Menschen, der gar nicht so netten PiS und den überaus netten Licht­blick­leuten versucht da ein Land demo­kra­tisch zu exis­tieren, welches in der Vergan­gen­heit Großes erreicht hat. Was davon übrig ist? Die PiSspartei. Doch auch eine Chance auf Verän­de­rung. Mein Popcorn ist labbrig geworden. Morgen mache ich mir neues.

Förderung von Axel Springer Stiftung, deutsch polnisches Jugendwerk, Stiftung für deutsch polnische Zusammenarbeit, Think Big und Erasmus +

Empfohlene Beiträge

Artikel

Wie war’s eigent­lich?

Sofia Westholt

Artikel

Miasto dzieci“ szkołą demo­kracji

Tomasz Tomalik

Artikel

Akademia Pana Demo­kraty

Magdalena Płotała