Wahlen ab 16 auf Bundes­ebene- Entwick­lung und Meinung aus der Gesell­schaft

Datum
06. November 2023
Autor*in
Sophie Wurmb
Themen
#Wahlen #JMWS23
Titelbild Sophie

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Wahlurne
Bei den Land­tags­wahlen dürfen unter 18-Jährige teil­weise schon mitwählen. 62 Prozent der Deut­schen lehnen das Wahl­alter ab 16 auf Bundes­ebene weiterhin ab. Wo stehen wir in der Diskus­sion gerade?

Die Anträge zum Wahl­recht ab 16 Jahren schei­terten im Bundestag an der Zwei­drittel-Mehr­heit, die notwendig ist, um das Grund­ge­setz zu ändern. 2023 lehnen 62 Prozent der Deut­schen das Wahl­recht ab 16 auf Bundes­ebene weiterhin ab. Das ergab eine Studie des Meinungs­for­schungs­in­sti­tuts INSA. Aber wo stehen wir in der Diskus­sion gerade?

Unter­schied­liche Wahr­neh­mungen im Diskurs 

Tilmann Weick­mann, Leiter des Landes­jun­gen­d­rings Berlin, äußerte sich bereits 2017 zu diesem umstrit­tenen Thema. Seiner Meinung nach führe die Art und Weise, wie Jung und Alt aufein­an­der­treffen, und welche Erfah­rungen gemacht werden dazu, wie Jugend­liche wahr­ge­nommen würden. Laut einer Studie des Deut­schen Kinder­hilfs­werks von 2023 ist die öffent­liche Meinung zum Thema geprägt von den älteren Gene­ra­tionen. Während junge Menschen von 10 bis 18 Jahren es zu 69 Prozent noch als sinn­voll erachten, das Wahl­alter zu senken, sinkt diese Zustim­mung mit zuneh­mendem Alter.

Für den Verfas­sungs­rechts­experten Prof. Dr. Chris­toph Müllers ist die Entschei­dung des Absenken des Wahl­al­ters eher sozial als demo­kra­tisch. Die Geschichte des Wahl­rechts ist gepflas­tert von Behaup­tungen von Unmün­dig­keit. Und auch davon, dass diese Unmün­dig­keit irgend­wann mal über­wunden wurde“ sagt er. Die Behaup­tungen hätten sich eigent­lich nie bewahr­heitet. Die Ände­rung oder Beibe­hal­tung des Grund­ge­setzes basiere neben recht­li­chen Grund­lagen eben auch auf guten und aussa­ge­kräf­tigen Argu­menten, bestärken auch die Deut­schen Jugend­ver­bände. Der Landes­ju­gend­ring Berlin erwähnt eben­falls, dass die bestehende Diskus­sion Grund­lage unseres Demo­kra­tie­ver­ständ­nisses sei.

Poli­ti­sche Reife als Grund­lage  

Dauer­haftes und meist zentrales Argu­ment gegen das Wahl­recht ab 16 Jahren ist die angeb­lich fehlende Reife von Jugend­li­chen. Stochastik-Professor Dr. Fried­rich Pukels­heim, ist sich sicher, dass Bürger*innen unter 18 Jahren, wenn sie ein Wahl­recht besäßen, ihre eigene Meinung bilden könnten und würden. Das belegt auch eine Studie der Otto-Brenner-Stif­tung aus dem Jahr 2021. Bei den 5000 Befragten zwischen 15 und 20 Jahren sei klar sichtbar, dass die poli­ti­sche Reife der unter 18-Jährigen die gleiche sei wie die der über 18-Jährigen. Außerdem wird klar, dass das Inter­esse an Politik stetig steigt.

Bei der letzten Absen­kung des Wahl­al­ters von 21 auf 18 Jahre im Jahr 1970 und dem damit verbun­denen Gesetz war das Wahl­alter an die Voll­jäh­rig­keit geknüpft. Damals wurde argu­men­tiert, dass junge Menschen bereits die nötige poli­ti­sche Bildung besäßen. In der Diskus­sion hat sich also nicht viel geän­dert. Laut der Profes­sorin für öffent­li­ches Recht Prof. Dr. Silke Ruth Laskowski brauche es die Erfah­rung mit dem Wahl­recht ab 16, um wissen­schaft­lich fundiert darstellen zu können, ob Jugend­liche die nötige Reife besitzen. Die Auswer­tung der bereits umge­setzten Wahlen mit jungen Menschen unter 18 zeige jedoch, dass das Alter 16 Jahre ange­messen sei, um das aktive Wahl­recht daran zu knüpfen.

Umset­zung von Wahlen ab 16

Bereits im Jahr 1999 wurde das Projekt Junior­wahlen“ durch die Robert-Bosch-Stif­tung umge­setzt. Als ein großes, finan­ziertes Schul­pro­jekt, erreichte der Veran­stalter Kumulus e.V. in gemein­samen Projekten mit weiteren Parti­zi­pa­ti­ons­ein­rich­tungen wie Jugend debat­tiert“ und Partner*innen wie der Bundes­zen­trale für poli­ti­sche Bildung eine Wähler­schaft von 3,6 Millionen Schüler*innen. Sie konnten parallel zu Landtags‑, und Bundes­tags­wahlen an Schulen und Lern­ein­rich­tungen ihre Stimme abgeben. Laufende wissen­schaft­liche Studien zeigen, dass die deutsch­land­weite Ausbrei­tung der Junior­wahlen zu einer Erhö­hung der allge­meinen Wahl­be­tei­li­gung führt. Bei den Eltern von Jugend­li­chen, die bei den Junior­wahlen wählen, steigt die Wahl­be­tei­li­gung um bis zu 9 Prozent. Auch eine Erstwähler*innen-Studie der Univer­sität Stutt­gart beweist, dass der Anteil der Nichtwähler*innen durch das Projekt um 15 Prozent sank.

2015 erfasste die Bertels­mann-Stif­tung in einer Studie, dass die Erst­wahl­be­tei­li­gung um 20 Prozent­punkte steigen könnte, wenn Jugend­liche wählen gehen dürften. Offen bleibt jedoch, wie viele der Jugend­li­chen tatsäch­lich auf Bundes­ebene wählen gehen möchten. Statis­tiken über Land­tags­wahlen, bei denen das Wahl­recht ab 16 bereits durch­ge­setzt wurde, zeigen einen durch­wach­senen Trend. Obwohl die Gruppe der unter 18-Jährigen als offen für das Wählen galt, lag deren Wahl­be­tei­li­gung in den letzten Jahren bei nur knapp 50 Prozent.

Ergeb­nisse von Jugend­wahlen

Span­nend ist vor allem die Auswer­tung der Junior­wahl­er­geb­nisse der dies­jäh­rigen Land­tags­wahlen im Vergleich zu denen im Jahr 2018. Während die Grünen von unter 30-Jährigen weit weniger gewählt wurden, hat sich die Wahl­quote der AfD in Bayern fast verdrei­facht und auch die CDU gewann einen Zuwachs an Wähler*innenstimmen. Funk, das junge Angebot von ARD und ZDF, verglich in einem Beitrag die Wahl­er­geb­nisse der unter 30-Jährigen mit denen von älteren. Heraus kam, dass fast doppelt so viele junge Menschen kleine Parteien wählen. Die Begrün­dung dafür scheint zu sein, dass die großen Parteien nicht das umsetzen, was von jungen Menschen erwartet wird, wie eine Befra­gung zum Wählen von kleinen Parteien der Nach­rich­ten­sen­dung ZDFheute ergab.

Till­mann Weick­mann vom Landes­ju­gend­ring Berlin ist sich sicher, dass im Zusam­men­hang mit der nächsten Bundes­tags­wahl, also 2025, das Thema wieder stärker auch öffent­lich disku­tiert wird“. Es ist schwer zu sagen, wie lange die Diskus­sionen um das Wahl­alter 16 noch anhalten. Fest steht, das Thema wird vor allem unter 18-Jährige noch weiter beschäf­tigen.


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