UEFA-Euro­pa­meis­ter­schaft United by Money

Datum
10. Juli 2024
Autor*in
Jonathan Dusse
Themen
#Leben #EM2024
Beitragsbild Jonathan

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Die Euro­pa­meis­ter­schaft der Männer wird begleitet durch eine reine Werbe­schlacht. Chine­si­sche und kata­ri­sche Spon­soren stechen ins Auge. Kritik liegt hierbei nahe.

Deutsch­land. Ein Sommer­mär­chen.

Ein Traum: Ein EM-Spiel im eigenen Land sehen zu dürfen. Schnell das Fami­li­en­silber für die teuren Tickets verscher­belt, Bezah­lung mit Alipay und Trikot über­ge­stülpt. Im Stadion begrüßt einen eine audio­vi­su­elle Reiz­über­flu­tung an Werbung. Ob der von VIVO gespon­serte Stadion DJ, blin­kende Banden, auf denen Qatar Airways wirbt oder AliEx­press Werbung auf dem Video­würfel. Beson­ders auffal­lend sind Werbungen kata­ri­scher und chine­si­scher Unter­nehmen.

Werbe­schlacht und Fußball­fest sind Begleiter der Fußball Euro­pa­meis­ter­schaft der Männer in Deutsch­land. Bei der WM 2022 aller­dings war in Deutsch­land aufgrund des frühen Ausschei­dens der Natio­nalelf niemandem so recht zum Feiern zumute. Außerdem hatten abseits des Spiel­feldes andere Themen die Bericht­erstat­tung rund um die WM begleitet. Die Menschen­rechts­lage in Katar lag ganz im Fokus, die viel­fach kritisch betrachtet wurde. Beispiels­weise von Amnesty Inter­na­tional die Vorwürfe erhoben, dass Arbeiter*innen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund zu Tode kamen. Wegen schlechter Arbeits­be­din­gungen.

Auch dieses Jahr hat Katar seine Finger im Spiel. Und zwar mit der Touris­mus­kam­pagne Visit Qatar“ oder Werbung von Qatar Airways. Darüber hinaus sind auch chine­si­sche Unter­nehmen wie Elek­tronik­kon­zerne Vivo, BYD, Hisense oder Online-Einzel­händler AliEx­press und deren Zahlungs­dienst­leister Alipay offi­zi­elle Partner der Euro­pa­meis­ter­schaft.

United by Foot­ball

United by Foot­ball“ liest man überall rund ums Stadion. So lautet der offi­zi­elle Turnier-Slogan. Ob damit auch homo­se­xu­elle Menschen in Katar oder regie­rungs­kri­ti­sche Stimmen in China gemeint sind, ist frag­lich. Der chine­si­schen Regie­rung wird ein kultu­reller Genozid an den Uiguren vorge­worfen. Sponsor der EM Hisense wird vorge­worfen Uiguren zur Zwangs­ar­beit zu bringen. Des weiteren gibt es laut Amnesty Inter­na­tional Folter und massive Unter­drü­ckung der Meinungs- und Medi­en­frei­heit. In Katar werden homo­se­xu­elle Menschen mit Peit­schen­hieben und Gefängnis bestraft. Im kurzen Visit Qatar“ Werbe­spot vor der TV-Über­tra­gung sieht man vor allem zwei Dinge: aber­mals bunte Lichter und nur Männer. Bis auf die Ausnahme weniger kleinen Mädchen und Frauen mit dem Rücken zum Bild im Hinter­grund. In einem längeren offi­zi­ellen EM-Werbe­spot zeigt sich das Land auch auf Hoch­glanz poliert. Peit­schen­hiebe sind eben nicht so gutes Werbe­ma­te­rial wie Wolken­kratzer und driften in der Wüste.

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Werbung überall. Bild: Jonathan Dusse.

Durch die Part­ner­schaft mit Visit Qatar“ unter­stützt die UEFA das touris­ti­sche Ansehen Katars. Durch die Koope­ra­tion mit Qatar Airways und chine­si­schen Unter­nehmen stärkt sie Katar und China wirt­schaft­lich den Rücken. Neben der UEFA müssen sich auch die Verant­wort­li­chen in Deutsch­land Kritik gefallen lassen. Anläss­lich 75 Jahre Grund­ge­setz sprach sich die Bundes­re­gie­rung im Mai noch für die unan­tast­bare Würde des Menschen aus. Nun aber tole­riert und unter­stützt die Regie­rung die Austra­gung in Deutsch­land. Ein Turnier mit Part­nern aus Katar und China, in welchen Ländern die Rechte von Kritiker*innen mit Füßen getreten werden.

Ein Spre­cher des Bundes­in­nen­mi­nis­te­riums gibt bekannt, die Spon­so­ren­aus­wahl sei ohne Betei­li­gung der Bundes­re­gie­rung getroffen worden. Man begrüße das Bekenntnis zu den Menschen­rechten seitens UEFA und DFB. Es herr­sche die Erwar­tungs­hal­tung vom Bundes­in­nen­mi­nis­te­rium für ein verant­wor­tungs­volles Handeln in Bezug auf die Spon­so­ren­aus­wahl.

Im Klar­text heißt das: Innen­mi­nis­terin Faeser kriti­siert Katar, aber gesteht der UEFA große Frei­heiten bei der Spon­so­ren­aus­wahl zu, inklu­sive kata­ri­scher Image­kam­pa­gnen. Die WM in Katar fand fernab vom Einfluss­be­reich euro­päi­scher Politik statt. Dieses Turnier findet in Deutsch­land statt, wo das Grund­ge­setz gilt. Es wäre der Regie­rung möglich gewesen ein Zeichen zu setzen. Doch sobald es um eigene Inter­essen geht, schweigt das Innen­mi­nis­te­rium.

Doch wie gerecht­fer­tigt ist es eigent­lich, die UEFA anhand ihrer Werbepartner*innen zu beur­teilen? Dazu äußert sich Profes­sorin Dr. Michaela Haase, die im Rahmen eines DFG-Projekts zum Thema social value im Moment an der FU Berlin forscht, in einem Inter­view. Neben Umständen wie Ressourcen hänge die Part­ner­aus­wahl stark mit der Vermitt­lung selbst aufer­legter Werte zusammen, meint Haase. Indem man gezielt Werte anspreche, in diesem Fall Nach­hal­tig­keit, und andere nicht, zeige man seine Prio­ri­sie­rung. Das heißt durch die eigens aufer­legten Regeln diktiere die UEFA welche Werte berück­sich­tigt werden, führt die Profes­sorin aus.

Die UEFA verschleiert durch eine Tirade an Image­kam­pa­gnen und Slogans die Gewinn­ab­sichten von ihr und ihren Part­nern. Die Spon­soren und UEFA sind wohl kaum United by Foot­ball“ in ihrem gemein­samen Kampf gegen Diskri­mi­nie­rung und für Nach­hal­tig­keit. Der gemein­same Nenner von UEFA und Spon­soren ist Geld. Tref­fender wäre also der Slogan United by Money“.

Vor der eigenen Haustür kehren

Doch was ist eigent­lich mit den anderen Spon­soren, die so blin­kend auf den Video­lein­wänden und Banden aufleuchten? Prof. Dr. Haase meint man müsse bei einer kriti­schen Spon­so­ren­ana­lyse auch andere Unter­nehmen betrachten. So weise Coca­Cola beispiels­weise immense Schwä­chen beim Thema Nach­hal­tig­keit als größter Plas­tik­ver­schmutzer auf“.

Coca­Cola wurde vom Break Free From Plastic“-Netzwerk in Folge einer Müll­sam­mel­ak­tion zum größten Plas­tik­ver­schmutzer dekla­riert. Der Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land wirft Coca­Cola Green­wa­shing im großen Stil“ vor.

Und das bei einer EM, die von UEFA und DFB zur nach­hal­tigsten EM aller Zeiten“ dekla­riert wurde. Aber es seien nicht nur die chine­si­schen Unter­nehmen, die ein Problem darstellen würden, findet Haase. Einer­seits würden auch die Verbrau­cher eine gewisse Verant­wor­tung ausüben. Ande­rer­seits kommu­ni­ziere die UEFA nicht auf Augen­höhe und diktiere ihre eigenen Regeln, erläu­tert sie ferner.

Es bleibt auch die Frage offen, welche Mängel die gesamte Orga­ni­sa­ti­ons­struktur der EM aufweist. Es ist zu einfach, nur nicht-west­liche Unter­nehmen hervor­zu­heben. Die Probleme der UEFA oder der betei­ligten ameri­ka­ni­schen und euro­päi­schen Unter­nehmen anzu­spre­chen, liegt genauso auf der Hand. Es liegt auch an den Endverbraucher*innen Verän­de­rungen einzu­for­dern und so den euro­päi­schen Fußball als Kraft posi­tiver Verän­de­rung“, wie Haase ihn bezeichnet, in eine zukunfts­träch­tige Rich­tung zu bringen.

Ande­rer­seits macht die Debatte um die Spon­soren noch einmal schmerz­haft deut­lich, was für eine nahezu unein­ge­schränkte Vormacht­stel­lung die UEFA im euro­päi­schen Fußball einnimmt. Das Spon­so­ring durch kata­ri­sche und chine­si­sche Unter­nehmen muss kriti­siert werden. Die Regie­rung und der DFB haben es bei der Ausrich­tung nicht geschafft, der UEFA die Stirn zu bieten und müssen sich das ankreiden lassen. Viel­leicht sollte lieber United by Money“ auf Video­banden und Lein­wänden zu sehen sein. Dann wäre die UEFA wenigs­tens ehrlich.


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