Stadt(t)räume

Datum
31. August 2014
Autor*in
Lisa Pausch
Thema
#Jugendforum Stadtentwicklung 2014
Laura Bruns

Laura Bruns

Sprengt die Asphalt­mauern und lasst das Leben durch! Unter’m Pflaster liegt der Strandist ein Motto der Situa­tio­nisten. Laura Bruns spielt mit dem Titel ihrer Master­ar­beit Stadt statt Strand“ auf diese Ideen der 68er an.

Es ist die roman­ti­sche Vorstel­lung einer Bullerbü-Welt mit Holz­bänken auf grünen Wiesen, Blumen in den Fens­ter­läden und haus­ge­machtem Kuchen. Für Laura Bruns ist das ein Traum von Nach­bar­schaft: Wir brau­chen keinen Strand. Wir holen uns den Wohl­fühl­ef­fekt in die Städte“.

Ein dickes Buch zeugt von der Inten­sität, mit der sich Laura im Rahmen ihrer Master­ar­beit mit dem Thema Stadt­ent­wick­lung beschäf­tigt hat. Doch anstatt große Reden zu schwingen, möchte Laura Taten spre­chen lassen: Sie möchte Menschen animieren raus­zu­gehen, mitzu­ma­chen, kreativ zu werden. So kann jeder Bürger seine eigene Stadt­ge­schichte schreiben.

DSC_3790

Stadt selber machen! Laura Bruns erklärt uns, wie das gehen kann.Foto: Dustin Sattler

Mach mal!

Laura ist 29 Jahre alt und als Expertin zum Jugend­forum einge­laden. Sie soll den Teil­neh­menden Anre­gungen und Tipps zum Selber­ma­chen geben. Begeis­tert und mit vielen Worten, wirft sie ihre Ideen auf den Tisch.

Für ihre Master­ar­beit an der Züri­cher Univer­sität hat sie über 18 Monate recher­chiert. Mit wissen­schaft­li­chen Debatten möchte sie sich nicht aufhalten, sondern, wie sie selbst sagt, Frau Müller von nebenan“ errei­chen. Jeder kann anfangen und aus alten Paletten Bänke bauen. Als Anre­gung und Hilfe­stel­lung entstand aus ihrer Master­ar­beit ein anschau­li­ches und leicht zu lesendes Hand­buch.

Nicht nur im Hipster­herz ist die Liebe zum Selber­ma­chen aufge­flammt, überall fangen Leute wieder an, zu stri­cken, zu nähen, Marme­lade zu kochen – eben so viel wie möglich selbst zu machen. Auch die rot gefloch­tene Stoff­kette, die um Lauras Hals hängt, lässt sich dem Fabrikat Eigen­marke zuordnen. Warum kommt dieses Selber­ma­cher­syn­drom gerade jetzt wieder auf?

Trend­welle schwappt über

Über­be­völ­ke­rung, Gentri­fi­zie­rung und Priva­ti­sie­rungen in Städten, oben­drauf die Finanz­krise – da wolle der Bürger nicht mehr tatenlos zusehen. Er will mitgestalten. Auch die Dauer­ver­net­zung in unserer über­di­gi­ta­li­sierten Welt werfe in uns das Bedürfnis aktiver Betä­ti­gung auf. Das ist gleich­zeitig eine Chance“, ergänzt Laura. Es entstünde ein Netz­werk: Laura skypte für ihre Forschung zum Beispiel auf einmal mit einem Akti­visten aus San Fran­cisco. Die Stadt sieht sie als den Nabel der neuen Stadt­ent­wick­lung. Von hieraus fliegen Ideen in die ganze Welt und werden an verschie­densten Orten ähnlich umge­setzt. Zum Beispiel der Park(ing) Day: Er kommt aus Übersee und findet nun auch einmal jähr­lich in deut­schen Groß­städten statt. Der Gedanke dahinter: Aus Park­plätzen werden leben­dige Aufent­halts­räume, zumin­dest für ein paar Stunden.

Doch oft passierten Aktionen im Dunkeln, klein und still­heim­lich. Laura war bei der Aktion 72 hours inter­ac­tions“ im nord­rhein­west­fä­li­schen Witten dabei. Enga­gierte aus der ganzen Welt gestal­teten die Stadt für diese 72 Stunden um. Mit ihrer Form der gelebten Baukultur wollten sie Inspi­ra­tion bringen. Die Projekt­ma­cher suchten Paten­schaften für die dabei entstan­denen Aufbauten, doch schluss­end­lich riss die Stadt das Geschaf­fene bereits zwei Tage nach der Aktion wieder ab. Ganz getreu dem Motto: Das ist Kunst, das kann weg. Da fehlt der Nähr­boden“, bemän­gelt Laura. Sie hätte sich mehr Nach­hal­tig­keit für dieses Projekt gewünscht.

DSC_3868

Auf ihrem Blog sammelt Laura spannende Projekt, möchte "konservieren und motivieren". Foto: Dustin Sattler

Ohne Fleiß kein Preis

Man bekommt sofort Lust, dem Aufruf der Master­ar­beit Die Stadt gehört uns! Lasst sie uns einrichten“ zu folgen und sich mit Hand­schuhen und einer Harke bewaffnet nicht nur aus, sondern in den Staub zu machen. Doch die lang­fris­tige Pflege ist mehr Arbeit als man meine, dafür sind viele Leute zu faul“, stellt Laura fest.

Die große Frage bleibt: Ist der Wunsch nach Mitge­stal­tung Zeichen eines Gesell­schafts­um­schwungs oder nur ein kurz­fris­tiger Trend? Wie auch immer“, über­legt die Autorin, was bleibt, ist ein neues Bewusst­sein für sich und seine Umwelt.“

Beson­ders freut es sie, wenn Leser und Stadt­schwärmer“ ihr schreiben. Kajetan Skurski, ein junger Mann voller Ideen für seinen“ Berliner Wedding, nahm Kontakt mit Laura auf. Sie gab ihm Tipps. Jetzt soll am Mett­mann­platz eine Bühne gebaut werden. Noch fehlt es an finan­zi­ellen Mitteln, die per Crowd­fun­ding gesam­melt werden. Die Gemein­schaft macht’s möglich.

Laura Bruns, Stadt selber machen, jovis Verlag, 16.80 Euro und zum Probe­lesen auf ihrer Webseite stadt​statt​strand​.de.


5 Fragen an Laura Bruns

Wofür brennst du?

Dafür, dass es Leute gibt, die selber denken und nicht annehmen, was man ihnen vorgibt. Für Leute, die Spuren hinter­lassen.

Hast du Helden?

Ich habe Helden. Die Leute vom Raum­labor Berlin machen unglaub­liche Dinge möglich.

Was machst du, wenn wir dir 10 m² Rasen schenken?

DSC_3965

Foto: Dustin Sattler

Ich stelle eine Bank darauf.

Hast du einen Plan?

Ich erwarte von mir selbst, einen Plan zu haben, finde mich aber doch manchmal planlos wieder. Aber es stellt sich heraus, dass dann entste­hende Dinge, doch aus Plänen hervor­ge­gangen sind.

Welche Frage hätten wir dir noch stellen können?

Die nach meiner Prognose für die Entwick­lung der Stadt.


Empfohlene Beiträge