Schweins­ga­lopp oder Meis­ter­stück? Gespräch zur Ener­gie­wende

Datum
24. Juni 2014
Autor*in
Julian Kugoth
Thema
#BDEW Kongress14
von Isabella Greene und Julian Kugoth Zwei Tage nach Sommer­an­fang flackerte am Montag­abend ein Feuer­chen im Konfe­renz­raum der Antonio-Amadeo-Stif­tung. Frei­lich waren die Flammen nur auf einem TV-Bild­schirm zu sehen. Aber was als Kamin­ge­spräch“ ange­kün­digt war, brauchte natür­lich auch die passende Atmo­sphäre. Es ging um die Frage: Schaffen wir die Ener­gie­wende? Und wenn ja, wozu?“. Es disku­tierten Barbara Prae­to­rius aus dem Thinktank Agora Ener­gie­wende, Bertold Meyer, Bürger­meister vom Bolle­wick, einem Bioen­er­gie­dorf in Meck­len­burg-Vorpom­mern, der Vize-Chef der Prognos AG Fried­rich Seefeldt und Volker Holt­fre­rich, zuständig für den Bereich Politik und Stra­tegie beim BDEW. Mode­riert wurde das Gespräch von Ingo Arzt, Jour­na­list bei der taz.

Zwischen Euphorie und Sorgen

Der Start­schuss fiel mit der Frage: Wo steht Deutsch­land gerade bei der Ener­gie­wende? Einig waren sich alle darin, dass im Bereich der erneu­er­baren Ener­gien wahn­sinnig viel passiert sei – und das ist kurzer Zeit. Dabei gerate oft aus dem Blick, dass sich beim Thema Ener­gie­ef­fi­zienz leider kaum etwas getan habe.

Kontro­vers wurde disku­tiert, ob sich die Ener­gie­wende viel­leicht fast zu schnell entwi­ckelt habe. Für den Bürger­meister von Bolle­wick, Meyer, kann die Ener­gie­wende gar nicht schnell genug gehen. BDEW-Vertreter Holt­fre­rich hingegen bremste seine Euphorie. Mit dem Hinweis auf Bezahl­bar­keit und Versor­gungs­si­cher­heit plädierte er für eine wohl­durch­dachte und nicht über­has­tete Umstel­lung auf erneu­er­bare Ener­gien. Bisher hätten die großen Ener­gie­ver­sorger ihr System nicht schnell genug auf den neuen Markt umstellen können. Holt­fre­rich räumte ein, dass die großen Ener­gie­ver­sorger etwas verschlafen hätten, auf den Zug der erneu­er­baren Ener­gien aufzu­springen. Aber er wies auch der Politik eine Mitschuld zu: Sie hätte keine ausrei­chenden finan­zi­ellen Anreize für die Ener­gie­riesen gesetzt.

Otto­nor­mal­ver­brau­cher und die Strom­kon­zerne

Für den kleinen Anleger hingegen ist die Umlage oft ein Grund, in diesen Sektor zu inves­tieren. Das beste Beispiel ist Bolle­wick: Meyer unter­strich die Rolle des Bürgers für das gute Gelingen der Ener­gie­wende. Sie sei ein gesell­schaft­li­ches Gesamt­kon­zept, die nur durch einen Bewusst­seins­wandel wirk­lich konse­quent verwirk­licht werden könne. Bolle­wick zeige, dass eine dezen­trale Ener­gie­ver­sor­gung möglich sei – und das alleine durch enga­gierte Bürger. Wo früher der Strom ausschließ­lich von großen Kraft­werken zu den Haus­halten gelie­fert wurde, gibt es heute viele kleine dezen­trale Energie-Einspeiser in das Netz.

Deutsch­lands Chancen in der Ener­gie­wende

Barbara Prae­to­rius von der Agora Ener­gie­wende schreibt der Bundes­re­pu­blik eine klare Vorrei­ter­rolle beim Thema Erneu­er­bare Ener­gien zu. Ein Beispiel hierfür sei die enorme Verbrei­tung von Photo­vol­taik-Anlagen, nicht nur in Deutsch­land, sondern welt­weit. Auch schauten sich einige Länder nun das EEG ganz genau an. Jetzt aller­dings müsse eine Reform dieses Erneu­er­bare-Ener­gien-Gesetzes her, die auch lang­fris­tige Inves­ti­ti­ons­si­cher­heit für die betrof­fenen Unter­nehmen schaffe. Seefeldt sprang ihr bei: Für die einzelnen Unter­nehmen muss die Ener­gie­wende betriebs­wirt­schaft­lich reali­sierbar sein.“ Gleich­zeitig warnte er davor, sich zu viel Zeit für den Umstieg zu lassen. Wenn die fossilen Brenn­stoffe immer knapper und die Preise exor­bi­tant hoch werden, sind wir in unseren Möglich­keiten extrem einge­schränkt.

System­kosten und EEG

In einem Punkt waren sich die Ener­gie­ex­perten einig: Die stärkste poli­ti­sche Spreng­kraft läge in der Frage nach einer Neuver­tei­lung der Kosten der Ener­gie­wende. Viel wird im poli­ti­schen Berlin gerade darüber disku­tiert, inwie­weit auch Eigen­strom­ver­sorger sich an den System­kosten betei­ligen müssen. Denn auch Eigen­strom­ver­brau­cher verlassen sich auf das Netz, wenn ihr Ener­gie­be­darf nicht mit ihren rege­ne­ra­tiven Erzeu­gungs­mög­lich­keiten gedeckt werden kann.

Wünsche an die Zukunft

Am Schluss durften die Teil­nehmer noch Wünsche äußern im Hinblick auf die zukünf­tige Ener­gie­ver­sor­gung. Nach­haltig muss sie für alle sein. Konkret reali­sierbar sei beispiels­weise ein Strommix, der sich aus mindes­tens 80 bis 90 Prozent Erneu­er­baren zusam­men­setzt. In Meyers Augen ist es kein Problem, auch die 100 Prozent zu errei­chen. Sein Bioen­er­gie­dorf mache es schließ­lich vor, dass dies funk­tio­nieren kann. Zudem war sich die Runde einig, dass die Ener­gie­wende im euro­päi­schen Kontext gedacht und umge­setzt werden müsse. So könne man dann auch flexi­bler mit Schwan­kungen umgehen.


Empfohlene Beiträge

Artikel

Kraftakt: Unser Magazin ist online

Nora Zaremba