Mit Links in den Landtag?

Datum
11. April 2021
Autor*in
Tom Knuf
Themen
#LandtagswahlBW21 #Wahlen
Foto: Tom Knuf

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Rheto­risch stark durch den Wahl­kampf: Mit Spit­zen­kan­di­datin Sahra Mirow star­tete die Links­partei in Baden-Würt­tem­berg erneut den Versuch, die 5‑Pro­zent-Hürde hinter sich zu lassen und in den Landtag einzu­ziehen. Doch am Ende reicht es dafür wieder einmal nicht. Woran könnte es gelegen haben? Eine Analyse.

Foto: Tom Knuf

Die Linkspartei hat den Einzug in den Landtag von Baden-Württemberg nicht geschafft. Foto: Tom Knuf.

Inter­views vor der Webcam sind für sie mitt­ler­weile Routine. Sahra Mirow, Spit­zen­kan­di­datin der Linken im baden-würt­tem­ber­gi­schen Land­tags­wahl­kampf, sitzt am Wahltag vor der Kamera in ihrem Zimmer, das sie extra für die unzäh­ligen Gespräche der vergan­genen Wochen herge­richtet hat – Zimmer­palme und Bücher­regal, daneben ein riesiges Roll-Up-Banner: Soli­da­risch aus der Krise. Zusammen. Mit uns.“ Es ist das Motto, mit dem die Links­partei vor einigen Wochen in den Wahl­kampf gestartet ist. Vor zehn Jahren trat die Partei zum ersten Mal bei der Land­tags­wahl an, doch bislang hat es für den Einzug in den Landtag nicht gereicht.

Wahl­kampf in Zeiten der Pandemie

Das möchte Sahra Mirow endlich ändern. Die wissen­schaft­liche Mitar­bei­terin des Bundes­tags­ab­ge­ord­neten Michael Schlecht ist seit 2018 Landes­vor­sit­zende ihrer Partei. Die letzten Wochen standen für die 37-Jährige ganz im Zeichen des Wahl­kampfes, aufgrund der Pandemie: Die Webcam war mein stän­diger Begleiter die letzten 12 Wochen“.

Im Wahl­pro­gramm fordert die Linke Mieten­de­ckel, bessere Löhne für Pfle­ge­per­sonal und einen sozi­al­öko­lo­gi­schen Umbau. Links zu sein bedeutet, struk­tu­relle Probleme auch struk­tu­rell angehen zu wollen“, so die Spit­zen­kan­di­datin. Doch die Forde­rungen scheinen bei den Wähler*innen auf wenig Reso­nanz zu stoßen. Direkt vor der Wahl sehen Umfragen die Partei bei gerade mal drei bis vier Prozent. Dennoch gibt sich Mirow opti­mis­tisch. Der Wahl­kampf sei gut gelaufen und mit der Digi­tal­kom­pe­tenz der vielen jungen Mitglie­dern habe man insbe­son­dere auf digi­talen Medien von linken Ideen über­zeugen können. Zudem gebe es dieses Jahr so viele unent­schlos­sene Wähler*innen wie noch nie und gerade auf deren Vertrauen hoffe man, um die fehlenden Stimmen zu bekommen. Neun bis zehn Prozent der Menschen können sich vorstellen, die Linke zu wählen. Das ist gar nicht so wenig für ein eigent­lich eher konser­va­tives Bundes­land.“

Wenige Erfolge in west­li­chen Bundes­län­dern

Erfolg­reich ist die Linke bislang haupt­säch­lich im Osten der Repu­blik. In Thüringen stellt sie sogar den Minis­ter­prä­si­denten. Im Westen sind die Erfolge dagegen über­schaubar. Zwar ist die Partei in Bremen seit 2019 erst­mals Teil einer Regie­rung in einem west­deut­schen Bundes­land, das bleibt bisher aber eine Ausnahme. In sechs von zehn west­li­chen Bundes­län­dern verhin­dert die 5‑Pro­zent-Hürde den Einzug in den Landtag.

Die Wahl in Baden-Würt­tem­berg ändert daran nichts. Sahra Mirow verfolgt die Ergeb­nisse der Wahl in Stutt­gart. Zwar kann die Linke ihr Ergebnis von 2,9 Prozent auf 3,6 Prozent verbes­sern, aber für den Einzug in den Landtag reicht es wieder einmal nicht. Für Mirow eine herbe Nieder­lage. Erfolg­reich ist die Partei ausschließ­lich in den urbanen und bevöl­ke­rungs­rei­chen Bezirken.

In Baden-Würt­tem­berg der Öffent­lich­keit weit­ge­hend unbe­kannt

Der Frei­burger Wahl­for­scher Prof. Dr. Eith führt die vergleichs­weise beschei­denen Ergeb­nisse in der Landes­po­litik auf Unter­schiede öffent­li­cher Wahr­neh­mung zurück: Den größten Effekt sehe ich darin, dass die Linke in der Landes­po­litik in Baden-Würt­tem­berg eigent­lich kaum vorkommt und der brei­teren Wähler­schaft als Landes­partei nicht bekannt ist.“ Dies sei bei der Bundes­tags­wahl anders, denn als Partei, die im Bundestag vertreten ist, hat sie dort eine größere Öffent­lich­keit.“ Das schlechte Abschneiden bei der Land­tags­wahl ist für ihn daher keine Über­ra­schung. Wer in der Öffent­lich­keit nicht vorkommt, hat auch ziem­lich wenig Chancen, ein gutes Ergebnis einzu­fahren.“

Auffällig ist für ihn vor allem die Vertei­lung der Wahl­er­geb­nisse: Es sind die Univer­si­täts­städte, die auch einen höheren Anteil an jungen Menschen haben und wenn man sich die Struktur der Wahl­er­geb­nisse anschaut, dann besteht eine große Ähnlich­keit zu den Wahl­er­geb­nissen der Grünen in den 1980er Jahren“. Dass die Links­partei in Baden-Würt­tem­berg beson­ders schlecht abschneidet, führt er auf die histo­ri­sche Struktur sozialer Gefüge zurück. Im Gegen­satz zu anderen Bundes­län­dern sei die Indus­trie stärker verteilt und reiche bis in die länd­li­chen Gebiete. Während die Bevöl­ke­rung des Ruhr­ge­biets zu Zeiten der Indus­tria­li­sie­rung in vielen Fällen aus ihren sozialen Bezügen heraus­ge­rissen wurde und sich ein poli­ti­sches Bewusst­sein der Arbeiter*innen heraus­bil­dete, seien die Leute hier stärker in ihren ursprüng­li­chen sozialen Zusam­men­hängen verblieben. Ähnlich wie die SPD habe es eine tradi­tio­nelle Arbeiter*innenpartei wie DIE LINKE hier deshalb schwerer.

Mit neuen Schwung aus dem Parteitag?

Lange war sich die Partei uneins, in welche Rich­tung es in Zukunft gehen sollte. Mit dem Bundes­par­teitag wollte sie nun mit frischem Wind und einem ebenso frischen Führungsduo in das Super­wahl­jahr starten.

Denn die Basis der Links­partei hat sich in den letzten Jahren stark verän­dert: Die Mitglieder sind immer jünger und west­li­cher. Zudem gibt es viele neue Partei­ein­tritte. Ein Trend, der sich auch im Landes­ver­band Baden-Würt­tem­berg beob­achten lässt: In den letzten drei Jahren stieg die Mitglie­der­an­zahl um mehr als zehn Prozent. Schaut man sich jedoch die Wahl­er­geb­nisse inner­halb älterer Bevöl­ke­rungs­gruppen an, verhärtet sich das Bild einer Partei, deren Ideen bei jungen Menschen gut ankommen, aber unter der konser­va­tiver geprägten älteren Bevöl­ke­rung in Baden-Würt­tem­berg kein Fuß fassen kann. Während die Grünen längst einen Image­wandel durch­liefen und heute über alle Gene­ra­tionen hinweg Zuspruch finden, ist noch nicht klar, wie der Links­partei dieser Wandel gelingen soll.

Was also hätte anders laufen müssen? Darauf hat Sahra Mirow am Tag nach der Wahl keine Antwort. Noch am Morgen hat sie an der Seite der frisch gewählten Bundes­par­tei­vor­sit­zenden Hennig-Wellsow auf der Bundes­pres­se­kon­fe­renz über das Ergebnis der Wahl gespro­chen. Auch dort bleibt die Frage, woran es am Ende schei­terte, ohne befrie­di­gende Antwort. Jetzt sitzt Mirow im Zug zurück in ihre Wahl­heimat Heidel­berg. Sie sei enttäuscht, dass es für den Einzug ins Parla­ment nicht gereicht hat. Für die anste­hende Bundes­tags­wahl sieht sie in dem Ergebnis jedoch ein posi­tives Zeichen. Dort lief es bislang immer besser als bei der Land­tags­wahl.

Viel aufräumen muss sie bis dahin nicht: Das Roll-Up-Banner kann sie direkt in ihrem Arbeits­zimmer stehen lassen. Denn bis zum nächsten Wahl­kampf ist es nicht mehr lang.


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