Inter­view mit Außen­po­litik-Expertin: Donald Trump inter­es­sieren keine Staats­sys­teme“

Datum
17. April 2025
Autor*in
Alma Jung
Thema
#Politik
Donald Trump auf Zeitungen.

Donald Trump auf Zeitungen.

Donald Trump bestimmt die Nachrichten. Und das nicht nur in den USA. Foto: The Now Time/unsplash
Neue Zoll­be­stim­mungen, impe­ria­lis­ti­sche Visionen und die schein­bare Annä­he­rung des US-ameri­ka­ni­schen Präsi­denten in Rich­tung russi­scher Narra­tive. Wir hätten uns vorbe­reiten können“, sagt Cathryn Clüver Ashbrook.

Neue Zoll­be­stim­mungen, impe­ria­lis­ti­sche Visionen und die schein­bare Annä­he­rung des US-ameri­ka­ni­schen Präsi­denten in Rich­tung russi­scher Narra­tive. Wir hätten uns vorbe­reiten können“, sagt Cathryn Clüver Ashbrook, Expertin für Außen­po­litik.

Cathryn Clüver Ashbrook ist eine deutsch-ameri­ka­ni­sche Poli­to­login und Expertin für trans­at­lan­ti­sche Bezie­hungen der Bertels­mann-Stif­tung. Zu ihren Fach­ge­bieten zählen auch die euro­päi­sche Sicher­heits­po­litik und die Zukunft der Demo­kratie. Von Juni 2021 bis Februar 2022 war sie Direk­torin und Geschäfts­füh­rerin der Deut­schen Gesell­schaft für Auswär­tige Politik. Als geschäfts­füh­rende Vize­prä­si­dentin lädt Clüver Ashbrook zum Gespräch in das Gebäude der Bertels­mann-Stif­tung auf der Muse­ums­insel in Berlin ein.

poli­ti­ko­range: Der Raus­wurf des ukrai­ni­schen Präsi­denten Wolo­dymyr Selen­skyjs durch seinen ameri­ka­ni­schen Amts­kol­legen Donald Trump aus dem Weißen Haus und die plötz­liche Über­nahme kreml-naher Rhetorik verun­si­chern euro­päi­sche Partner*innen. Wird Russ­lands Präsi­dent Wladimir Putin mitt­ler­weile als Verhandler, nicht als Verbre­cher gesehen?

Cathryn Clüver Ashbrook: Für Donald Trump gilt in erster Linie immer, alles medi­en­wirksam zu machen, was in seinen Bereich fällt. Er verdreht die Fakten und schafft sich seine eigene Wahr­heit. Diese besagt nun, dass Russ­land unter Umständen bereiter für einen Frieden sei und die Ukraine der Aggressor.

Welche Druck­mittel verliert der Westen gerade?

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­rium hat ange­kün­digt, offen­sive Cyber­at­ta­cken auf die Russi­sche Föde­ra­tion einzu­stellen, obwohl US-Behörden und der Außen­ge­heim­dienst seit 2016 einen Angriff der russi­schen Staats­stellen auf unter­schied­liche Insti­tu­tionen im ameri­ka­ni­schen gesell­schaft­lich-poli­ti­schen und sozialen System beob­achten nach­weisen können. Russ­land hat auf Kriegs­wirt­schaft umge­stellt und die Cyber- und Desin­for­ma­ti­ons­kam­pa­gnen gegen­über Europa nehmen seit Jahren zu. Gleich­zeitig werden die Waffen­lie­fe­rungen an die Ukraine instru­men­ta­li­siert um die Ukraine – das Opfer des russi­schen Angriffs – zu Zuge­ständ­nissen zu zwingen.

Russ­land hat auch die Mini­mal­ziele bishe­riger Gespräche nicht einge­halten, weist nun Bemü­hungen der Trump-Regie­rung von der Hand – trotzdem kommt die USA Russ­land beim von der Trump-Regie­rung ange­zet­telten Handels­krieg Russ­land entgegen, spart es als einziges großes Land von Zoll­auf­lagen aus. Das ist in einer Verhand­lungs­si­tua­tion fast unver­ständ­lich, weil es die ameri­ka­ni­sche und damit auch die euro­päi­sche Posi­tion schwächt.

Nutzt oder nutzte Trump den Einfluss russi­scher Akteur*innen in irgend­einer Form? Gibt es da ein Motiv?

Das wissen wir seit dem Bericht von Robert Mueller als Sonder­er­mittler 2016, der russi­schen Einfluss auf die US-Wahl im Wahl­jahr belegen sollte. Er konnte zwar keine straf­baren Hand­lungen nach­weisen, aber sehr wohl, dass es massiven staat­li­chen Einfluss der russi­schen Föde­ra­tion gegeben hat. Ille­gale Partei­spenden und Ähnli­ches werden immer auf Einzel­per­sonen abge­wälzt, das zeigt ein Muster und eine koor­di­nierte Beein­flus­sung, um die Demo­kratie in ihrer Funk­tio­na­lität zu schwä­chen. Und zwar überall, wo sie als beson­ders resi­lient gilt. In den USA, aber auch in Europa streut diese breit ange­legte Kampagne Desin­for­ma­tion, arbeitet so mit dem starken Wahl­motiv des Unmuts und treibt Wähler in die Arme der radi­kalen Parteien, die sich z.T. gegen die demo­kra­ti­sche Grund­ord­nung posi­tio­nieren. Das genau will das Regime Putin errei­chen.

Make America great again“, tönte Trump auch im vergan­genen Wahl­kampf wieder. Glaubt er wirk­lich, mit diesen Entschei­dungen, dieser russ­land­freund­li­chen Politik, den USA zu alter Größe zu verhelfen? 

Für Donald Trump geht es in erster Linie um Donald Trump. Das haben wir in der ersten Amts­zeit gesehen, als er seine Familie einge­setzt hat, um ganz bestimmte Assets zu beschützen. Hinter ihm aber steht eine viel besser orga­ni­sierte Bewe­gung, die auf der Basis einer Falschaus­le­gung eines exklu­die­renen christ­lich-weißen natio­na­lis­ti­schen Ethos agiert, wie J.D. Vance es beispiels­weise tut. In dieser Hinsicht beein­druckt die Härte Vladimir Putins in Sachen kultu­reller Kontrolle das Team Trump, das Vorgehen gegen LGBTQI Gruppen in Russ­land, zum Beispiel, auch wenn es auf einem völlig falschen Verständnis russi­scher Reali­täten beruht und die große Diver­sität der Russi­schen Föde­ra­tion igno­riert. Im Übrigen hat die Ausle­gung einer hier­ar­chisch-geord­neten christ­li­chen Nächs­ten­liebe, wie von J.D. Vance geäu­ßert, wenig mit der bibli­schen Defi­ni­tion zu tun, was man gut im Streit­ge­spräch mit dem Papst gut beob­achten konnte.

Cathryn Clüver Ashbrook

Die Außenpolitikexpertin der Bertelsmann Stiftung Cathryn Clüver Ashbrook. Foto: privat.

Es geht um den sozialen Ausschluss bestimmter Gruppen, was die Macht-Hier­ar­chien angeht, und das geht nun auch mit Korrup­tion einher. Auch die olig­ar­chi­sche Stra­tegie Russ­lands scheint Trump zu beein­dru­cken, bzw. ist er Geld­ge­bern aus Russ­land persön­lich verpflichtet.

Einer­seits erwachsen diese aus den Tech-Bros“ in großen Medi­en­un­ter­nehmen und auf der anderen Seite wissen wir, dass Donald Trump sich in seiner Karriere als Geschäfts­mann in Manhattan Kredite durch russi­sche Gelder hat erleich­tern lassen. Bei einer normalen Senats­prü­fung wäre sowas ein Conflict of Inte­rest“. Wir wissen nicht, wie viel Kompromat ein russi­scher Staats­chef gegen­über Donald Trump hat. In Summe ist aber der augen­schein­liche Seiten­wechsel in der Unter­stüt­zung russi­scher Sicht­weisen auf die Welt ein Bruch mit 80 Jahren ameri­ka­ni­scher außen­po­li­ti­scher Tradi­tion.

Sind Trumps über­zeugte Wähler*innen zufrieden mit ihm?

Beson­ders wenn die Zölle kommen, wird sich relativ schnell ein Umdenken zeigen. Die Auswir­kungen sehen wir schon im Akti­en­markt – es wird sehr intensiv für die Bevöl­ke­rung werden: Große Verluste im Akti­en­markt bedeutet für viele große Verluste in der eigenen Renten­pla­nung, denn dort sind Renten inves­tiert; die Infla­tion klet­tert jetzt schon wieder und wenn die Zölle im ange­kün­digten Ausmaß kommen, könnten diese eine jähr­liche Teue­rung von $4600 bei Fami­lien der Mittel­schicht und unteren Einkom­mens­klassen bedeuten – ein ziem­li­cher Schlag. Vor dem 2. April schienen aber diese mögli­chen Reali­täten noch nicht richtig ange­kommen zu sein. Wir sehen diese Spal­tung zwischen sehr enttäuschten unab­hän­gigen Wählern und der unter­stüt­zenden Mehr­heit der MAGA-Repu­bli­ka­nern, von denen acht von zehn in Umfragen angeben, sie fänden es gut, wie Trump mit einer gewissen Schnel­lig­keit durch­greift“ – damals noch bezogen auf die Kürzungen von DOGE und über 100 Präsi­dent­schafts­de­kreten, die Wahl­ver­spre­chen umzu­setzen schienen

Sind denn über­haupt noch Menschen in Spit­zen­po­si­tionen der Repu­bli­ka­ni­schen Partei übrig, die der Make-America-Great-Again-Bewe­gung kritisch gegen­über­stehen?

Wir sehen in den Aussagen einiger Kongress­mit­glieder durchaus Wider­spruch und Kritik, wenn aber abge­stimmt wird, wie beispiels­weise beim Haus­halts­plan der Repu­bli­kaner, dann nehmen sich auch kriti­sche repu­bli­ka­ni­sche Stimmen zurück. Das liegt zum einen an der finan­zi­ellen Droh­ka­pa­zität für kommende Vorwahl­kämpfe, in denen finanz­starke Spender, u.a. Musk und Co. sich einbringen wollen – im Sinne der Präsi­dent­schafts­agenda. Zum anderen werden Abge­ord­nete physisch auf der Straße und durch Swat­ting-Attacks bedroht – die Krimi­nal­sta­tistik allein in Washington ist seit Dezember in die Höhe geschnellt – beson­ders bezogen auf poli­ti­sche Figuren. Die Abge­ord­neten mit konträren Meinungen sind einge­schüch­tert und in der Summe hat das zu einheit­li­chem Abstim­mungs­ver­halten geführt. Die Zölle aber treten auch in der Bevöl­ke­rung eine solche Protest­welle los, dass sich auch in der Partei mehr Wider­stand regt. Bei der vermeint­li­chen Durch­set­zung des Haus­halts wird man sehen können, wie bereit Repu­bli­kaner sind, sich von ihrem Präsi­denten loszu­sagen und andere Meinungen zu vertreten

Der Kongress und seine zwei Kammern sind mehr­heit­lich repu­bli­ka­nisch. Wird Trump durch­re­gieren?

Elon Musk hat weit mehr als 200 Millionen in den Wahl­kampf gespült, um dafür zu sorgen, dass sich diese Kongress­mehr­heit für Trump ergeben hat. Verän­de­rungen im Wahl­system in großer Masse und in allen Staaten sind vorstellbar, aber nur indem die Macht des Kongresses genutzt wird, um zentrale Weichen­stel­lungen zu verschieben. Wenn man sich beispiels­weise das Project 2025“ oder ähnliche Insti­tu­tionen anschaut, dann kann man heraus­lesen, dass die Struk­tur­ver­än­de­rungen weiter­gehen sollen und das durchaus können.

Die Wahl­rechts­re­form, die gerade disku­tiert wird, ist ein Präze­denz­fall: Im Kongress kann sie so nicht durch­kommen – natio­nales Wahl­recht braucht über­par­tei­liche Mehr­heiten, um verän­dert zu werden. So hat der Präsi­dent mit einem Dekret nach­ge­holfen“ um den Vorschlag der Repu­bli­kaner, eine Ausweis­pflicht einzu­führen, zu verstärken – auch das wird nicht durch­kommen, weil ein Dekret dazu nicht das rich­tige legis­la­tive Mittel ist – aber, es dient zum Druck­aufbau auf die Gouver­neure. Und wenn solche Dinge zusätz­lich zum Druck auf die repu­bli­ka­ni­schen Gouver­neure passieren, könnte das natür­lich kumu­lativ dafür sorgen, dass das Wahl­recht nicht mehr so funk­tio­niert, wie es funk­tio­nieren sollte und Bevöl­ke­rungs­gruppen entmachtet werden.

Wie steht es um die Gewal­ten­tei­lung in den USA?

In Teilen wird sie auf jeden Fall unwirksam. Die Trump-Regie­rung setzt die Kontroll­ka­pa­zi­täten des Kongresses aus, beispiels­weise bei der Kürzung der Ukrai­ne­hilfe, und wider­setzt sich gegen rich­ter­liche Anord­nung, wie zum Beispiel bei den Massen­de­por­ta­tionen nach El Salvador. Wenn Systeme tech­no­lo­gisch zur Mani­pu­la­tion frei­ge­geben werden und Musk – und nicht der Kongress – als Gate­keeper agiert, kann das zum Verhängnis werden. Durch DOGE [„Effi­zi­enz­be­hörde“ unter Leitung des Tech-Milli­ar­därs Musk, Depart­ment Of Govern­ment Effi­ci­ency; A.d.R.] gibt es jetzt für jede Behörde neue Ziele, diese durch massiven Perso­nal­abbau und interne Kontrolle zu schwä­chen – vorbei an regu­lären Kontroll­in­stanzen. Das soll Sendungs­wir­kung haben. In Summe geht es darum, die Rolle des Präsi­denten im System zu erhöhen – das war nie die Inten­tion der ameri­ka­ni­schen Verfas­sungs­väter.

Sie haben in einem Inter­view gesagt, Trump habe sein emotional aufge­la­denes Verhalten im TV gelernt. Ist das eine Schwäche, die genutzt werden könnte oder eine Stärke, die sich euro­päi­sche Politiker*innen ein Stück weit aneignen können oder sollten?

Donald Trump inter­es­sieren keine Staats­sys­teme, ihn inter­es­siert die Außen­wir­kung und persön­liche Bezie­hungen. Man muss sich deshalb in diese Perspek­tive hinein­ver­setzen, was viele euro­päi­sche Politiker*innen aller­dings gera­dezu anwi­dert. Dennoch tun sich innen­po­li­ti­sche Schwach­stellen für Trump auf. Er wird euro­päi­sche Staats­chefs als Verlierer und sich als Gewinner sehen wollen, er sieht sich als König und verlangt entspre­chende Tribute. Wenn man mit Trump verhan­delt, muss man – auch um eigene Erfolge zu plat­zieren – planen, wie man die eigenen Ambi­tionen so verpackt, dass Trump sie trotzdem als Gewinne verkaufen kann. Diese Sorte trans­ak­tio­na­lis­tisch-gedachter Diplo­matie ist euro­päi­schen Staats­chefs fremd­ge­worden. Kanada und Mexiko haben sich sehr lern­fähig gezeigt – auch hier sollte man inter­na­tional Taktiken abglei­chen.

Donald Trump wird innen­po­li­tisch unter Druck kommen. Wenn es Möglich­keiten gibt, seine innen­po­li­ti­schen Schwie­rig­keiten abzu­mil­dern und gleich­zeitig für euro­päi­schen Wert­zu­wachs zu sorgen, ohne für Trump Partei zu ergreifen, wäre das ein stra­te­gi­scher Gewinn für die Euro­päer. Das setzt gute Diagnostik in Brüssel und in Europas-Haupt­städten voraus, die koor­di­niert und sequen­ziert werden muss, um Botschaften diplo­ma­tisch und medial gut zu plat­zieren.

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Kann das nicht auch gefähr­lich sein und ihn noch mäch­tiger machen?

Natür­lich muss man aufpassen, dass man sich dadurch nicht selbst konter­ka­riert und Trump in seinem impe­ria­lis­ti­schen Gehabe bestärkt. Wenn man auf bestimmte Entschei­dungen eingehen kann, um andere Dinge wieder erleich­tern zu können, wäre das eine funk­tio­nale Stra­tegie. Das einzige Problem an dieser Taktik ist die Erratik, die Trump zum Programm machen will. Er liest keine Sicher­heits­brie­fings, er entscheidet so. Clüver Ashbrook macht eine abrupte, ausla­dende Geste. Das könnte auch eine ausge­klü­gelte Stra­tegie torpe­dieren.

Welche innen­po­li­ti­schen Schwie­rig­keiten wird Trump genau bekommen?

Er wird Probleme mit ameri­ka­ni­schen Unter­neh­mern und Inves­toren, aber auch mit seinen Kern­wäh­lern bekommen haben. Inves­toren brau­chen Plan­bar­keit und gute Ziel­set­zung – das ist bei der jetzigen, konter­ka­rie­renden Zoll­po­litik nicht zu erkennen.

Ist Durch­halten bis zur nächsten Wahl eine Option für die Europäer*innen? Auf einen Demo­kraten nach Trump zu hoffen?

Nein. Die verhee­renden Folgen des Umbaus in der ameri­ka­ni­schen Demo­kratie zwingen uns jetzt schon, andere inter­na­tio­nale Bezie­hungen zu verstärken. Es muss nun darum gehen, den Abbau der inter­na­tio­nalen Rechts­ord­nung einzu­dämmen, so z.B. in die Entwick­lungs­po­litik aktiver zu inves­tieren, denn China expan­diert bereits seinen Einfluss im globalen Süden. Es gilt auch, neue Handels­part­ner­schaften aufzu­bauen und die exis­tie­renden zu erwei­tern oder in die Umset­zung zu bringen, wie die Handels­ab­kommen mit MERCOSUR, mit Japan und anderen Part­nern. Innen­po­li­tisch muss eine neue Bundes­re­gie­rung Sach­zwänge klar darstellen, mit den USA sach­lich und aufge­klärt-reali­tisch umgehen.

Die Unter­stüt­zung anti­de­mo­kra­ti­scher, aber auch pro-russi­scher Parteien wie der AfD torpe­diert in gewisser Weise einen stabi­leren Ausbau und Inves­ti­tion in die Sicher­heits­po­litik. Hatten Unter­stüt­zende wie Vance oder Musk das im Blick?

Momentan glaube ich, dass das noch nicht ganz verbunden wird. Aber die AfD ändert auch ihren Sprach­duktus. Auf einmal sind die USA gar nicht mehr der größte Feind. Je nach Entwick­lungen, wird das auch Anpas­sungen in der Haltung der AfD mit sich bringen.

Was war Ihr Gedanke zum KI-Post von Trump, dem Trump-Gaza“-Videoclip? Wird global in den nächsten Jahren ein Umbau hin zu impe­ria­lis­ti­schen Bestre­bungen vieler Akteur*innen statt­finden? 

Ich fand es menschen­ver­ach­tend, es glori­fi­ziert eine Völker­ver­trei­bung und zeigt die völlige Welt­ent­frem­dung Trumps und die Partei­nahme von bestimmten poli­ti­schen Bestre­bungen in Israel. Die Zwei­staa­ten­lö­sungen scheint vom Tisch, es geht hier um eine Verän­de­rung der Regeln, die wir 1945 [gemeint ist die Grün­dung der Vereinten Nationen mit der UN-Charta, die die Souve­rä­nität von Staaten beschloss; A.d.R.] fest­ge­legt haben – und das Video zeigt eine um eine Kommer­zia­li­sie­rung israe­li­schen und paläs­ti­nen­si­schen Leids.

Menschen zeigen sich scho­ckiert über diese Vorstoß, selbst über­zeugte Wähler*innen sind entsetzt. Wie ernst darf man Trumps Ankün­di­gungen nehmen?

Das ist einfach ein Werk­zeug, das er immer wieder benutzt. Er hat aus dem Reality-TV gelernt: Wenn man Dinge in den Raum stellt, dann kann man neue Reali­täten schaffen oder Dinge infrage stellen und dann ist es irrele­vant, ob außen­po­li­tisch so viel davon reali­siert wird. Trump nährt sich am Normen­bruch. Vieles davon ist unrea­lis­tisch, mit Recht und Gesetz nicht vereinbar, aber die Provo­ka­tion stellt neue Dinge in den Raum, siehe auch die Ankün­di­gungen zu Grön­land, Panama und Kanada. Erst wird provo­ziert, dann wird die Umset­zung geprüft – Teil seiner zirkus­ar­tigen Stra­tegie zum Teil abzu­lenken, von tatsäch­li­chen Problemen, aber auch der Beginn, getragen von ameri­ka­ni­scher Macht neue Wahr­neh­mungen zu schaffen.

Was aber kann Europa nun tun, wie mitma­chen, wenn man nicht mit den glei­chen Mitteln spielen will?

Dieser Wett­lauf um bestimmte Teile der Welt war die Idee, von der wir nach den Welt­kriegen wegkommen wollten. Die Grün­dung der UNO und die Fassung inter­na­tio­nalen Rechst sollte die Macht­po­litik um Einfluss­ge­biete endgültig abschaffen. Jetzt kehren wir an diesen Ausgangs­punkt zurück: Groß­mächte [China, USA, Russ­land; A.d.R.] wollen ihre Einfluss­be­reiche abste­cken, das Recht des Stär­keren gegen­ein­ander ausspielen. Die EU muss sich mit anderen etablierten Demo­kra­tien wie Japan, Südkorea, Austra­lien, Indien oder Neusee­land zusammen tun. Diese Situa­tion ist brand­ge­fähr­lich.

Außer Musk und Mark Zucker­berg in den sozialen Medien, gibt es auch in klas­si­schen Medien Trump-Unterstützer*innen. Nicht nur Jeff Bezos dient Trump mit der neuer­dings so zuge­wandten Haltung seiner Washington Post. Welche Verant­wor­tung tragen auch deut­sche Journalist*innen und Medi­en­häuser welt­weit, wenn es um Aufmerk­sam­keit für Trump geht?

Ich glaube, es gibt eine große Not an gut gemachtem inves­ti­ga­tivem Jour­na­lismus. Die Stra­tegie, die Trump benutzt ist für Auto­kraten gängig. Trump-Berater Steve Bannon nannte sie einst floo­ding the zone“: In einer enormen Geschwin­dig­keit werden so viele Ereig­nisse erzeugt, dass sich das System selbst betäubt und die gestan­dene Jour­na­lis­ten­zunft nicht mehr hinter­her­kommt. Dem entge­gen­setzen kann man nur Quali­täts­jour­na­lismus. Die Besitzer der großen Sender – die in vielen Berei­chen inves­tiert sind, die unter­neh­me­risch handeln wollen – kommen einander jetzt in voraus­ei­lendem Gehorsam gegen­seitig zuvor. Beispiels­weise hat ABC News in einem Gerichts­pro­zess eine außer­ge­richt­liche Eini­gung ange­strebt, obwohl sie auf einer juris­ti­schen Ebene die deut­lich besseren Chancen hätten.

Das liegt dann daran, dass sie Angst vor Sank­tionen haben und die Trump-Regie­rung damit droht, gegen die unter­neh­me­ri­schen Inter­essen von Medi­en­eig­nern vorzu­gehen. Auch bei CBS haben wir diese Einschüch­te­rungs­klagen gesehen – die Reds­tone Familie, denen CBS gehört, stand gerade vor einer großen Merger-Entschei­dung, in der die Regie­rung invol­viert war. Für Korre­spon­denten und inter­na­tio­nale Jour­na­listen gilt es, die Systemik Trumps in dieser zweiten Amts­zeit zu verdeut­li­chen, beson­ders auch auf die Akteure im Hinter­grund und deren Absichten hinzu­weisen – denn auto­kra­ti­sie­rende Staats­umbau der verläuft hinter den Eilmel­dungen und dem Blitz­licht­ge­witter.

Hier gilt es, finan­zi­elle Inter­essen und perso­nellen Entschei­dungen engma­schig nach­zu­gehen, um das System aufzu­de­cken und zu warnen, denn wenn wir eines gelernt haben sollten, ist das, dass radi­ka­li­sierte Bewe­gungen derzeit stark die glei­chen Regie­an­wei­sungen nutzen. Das haben wir in Ungarn und Polen gesehen, es über­trägt sich in Frank­reich und Italien und wird in den USA perfek­tio­niert. Wähler in Deutsch­land müssen beson­ders wegen der histo­ri­schen Verant­wor­tung des Landes für schlei­chende und dann schnelle Demo­kratie-Zerset­zung sensi­bi­li­siert werden – das können vor allem die Medien.

Vielen Dank für das Inter­view, Frau Clüver Ashbrook.

Sehr gern. Danke!


Das Gespräch fand am Dienstag, den 4. März statt. Vier Tage nach dem Eklat im Weißen Haus. Der Artikel ist im Rahmen der offenen Redak­tion entstanden. Bei Fragen, Anre­gungen, Kritik und wenn ihr selbst mitma­chen mögt, schreibt uns eine Mail an redaktion@​jugendpresse.​de 


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