Ich möchte mitge­stalten und nicht nur wohnen“

Datum
25. Juni 2017
Autor*in
Lea Keßler
Thema
#Jugendforum Stadtentwicklung 2017
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Noah Wehn (16) aus Leipzig nimmt am 11. Jugend­forum Stadt­ent­wick­lung teil und spricht im Inter­view mit poli­ti­ko­range über seine Wahl­stadt, die Vision einer jugend­ge­rechten Groß­stadt und ein Leben auf weniger als 10 Quadrat­me­tern. 

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Noah Wehn präsentiert im Plenum einen Zwischenstand aus seiner Workshop-Gruppe zu Bedürfnissen Jugendlicher in Großstädten. Foto: Laura Lubahn

poli­ti­ko­range: Wie bist du denn auf das Jugend­forum Stadt­ent­wick­lung gekommen?

Noah Wehn: Durch meine Ange­hö­rig­keit im Jugend­par­la­ment. Das Jugend­par­la­ment ist im Prinzip die gesetz­lich legi­ti­mierte Inter­es­sen­ver­tre­tung von Jugend­li­chen im Rathaus. Das heißt, dass die Jugend einer Stadt eine Stimme im Rathaus hat. Und wir wurden einfach ange­schrieben, dann habe ich mir gedacht, das könnte inter­es­sant sein. Groß­städte sind sowieso immer inter­es­santer. Wir sollen das beson­ders vor dem Hinter­grund des globalen Kontextes sehen. In Groß­städten wird sich die Zukunft abspielen. Groß­städte werden immer noch größer werden. Und deshalb habe ich mich schließ­lich fürs Jugend­forum entschieden.

Was inter­es­siert dich an Stadt­ent­wick­lung beson­ders?

An Stadt­ent­wick­lung inter­es­siert mich beson­ders, dass es ganz konkret mit den Menschen zu tun hat. Also wir leben am Ende in der Stadt. Und die Stadt ist im Endef­fekt auch der Bereich der Zukunft, denn wir haben es zuneh­mend mit einer Urba­ni­sie­rung zu tun. Und deshalb möchte ich natür­lich auch mitge­stalten, nicht nur wohnen.

Glaubst du, dass durch diese Urba­ni­sie­rung der Fokus zuneh­mend auf die Städte gelegt wird und dadurch das Land vernach­läs­sigt wird?

Ich befürchte es. Auch wenn das nicht der Fall sein sollte.

Würdest du lieber in einer noch größeren Stadt als Leipzig leben?

Nein. Weil es noch unper­sön­li­cher werden wird. Ich fühle mich eigent­lich relativ wohl in Leipzig. Also ich kann jetzt nur aus meiner Perspek­tive spre­chen. Mir geht es wirk­lich gut. Es gibt viele Möglich­keiten, wo ich mich enga­gieren kann. Es gibt Mitbe­stim­mungs­mög­lich­keiten, wie beispiels­weise den Stadt­schü­lerrat oder das Jugend­par­la­ment. Es gibt auch Demons­tra­tionen, wo man selbst teil­nehmen und Politik machen kann. Inso­fern fühle ich mich sehr wohl in Leipzig.

Wie stellst du dir gute und vor allem konstruk­tive Jugend­be­tei­li­gung in einer Groß­stadt vor?

Also ich stelle mir konstruk­tive Jugend­be­tei­li­gung so vor, dass man selbst als Jugend­li­cher eine Stimme, die auch gehört wird. Das heißt, dass man eine direkte Stimme beispiels­weise im Stadtrat bekommt. Weil die Jugend­li­chen sind die Zukunft von morgen. Also wir müssen dann mal in der Stadt leben, die jetzt errichtet wird.

Glaubst du, dass so ein Antrags­recht im Stadtrat reicht, oder müsste es noch weiter gehen?

Ich finde, es ist erst mal ein sehr guter Anfang. Wir können zufrieden sein. Vor allem, wenn man sich anschaut, was die anderen Jugend­par­la­mente so für Rechte haben. Aber reichen tut das glaube ich letzt­end­lich nicht. Ich glaube, wir sollten auch mehr direkte Rechte und Verant­wor­tung haben.

Also wenn du ein ideales Jugend­par­la­ment und die Rechte des Jugend­par­la­mentes selbst aufstellen könn­test. In einer fiktiven Stadt, in vielen, vielen Jahren. Was würdest du dir wünschen?

Zuerst würde ich uns einen wesent­lich größeren Etat zuspre­chen. Weil Wahl­kampf ist leider untrennbar mit Geld verbunden. Das heißt, wenn man viel Geld hat, kann man auch einen großen Wahl­kampf machen, um so zu einer sehr hohen Wahl­be­tei­li­gung zu kommen. Zumin­dest ist das der Ideal­fall oder besten­falls die Folge. Und dadurch ist man ganz anders legi­ti­miert. Das heißt, man wird von Stadtrat anders wahr­ge­nommen, wenn man jetzt 60 Prozent Wahl­be­tei­li­gung hat anstelle von 4,5 oder 5 Prozent. Dass man nicht nur Rechte auf dem Papier hat, sondern dass das auch genau so im Gesetz steht, wie Jugend­be­tei­li­gung auch funk­tio­nieren muss.

Kommen wir zu einem anderen Thema: Könn­test du ohne Auto leben?

Ich könnte in einer Groß­stadt ohne Auto leben. Auch wenn ich glaube, dass hierfür noch wesent­lich mehr getan werden müsste. Ich komme in Leipzig eigent­lich überall hin. Es gibt aber so ein paar Ausnahmen. Also z.B. an den Stadt­rand kommt man teil­weise sehr schwer, vor allem abends, und wenn dann nur lästig mit viel Umsteigen. Und teil­weise fahren die Züge bzw. die Stra­ßen­bahnen in keiner hohen Frequenz, was das Ganze zwar nicht behin­dert, aber dann zeit­lich erschwert. Also ich könnte aktuell überall hinkommen, aber ich würde mir noch wesent­lich mehr wünschen. Dann würde ich mich auch besser fühlen, wenn ich gar kein Auto hätte.

Du bist jetzt 16 Jahre alt. Könn­test du dir vorstellen, auf einen Führer­schein zu verzichten oder wirst du einen Führer­schein machen?

Ich werde einen Führer­schein machen. Allein um mir diese Flexi­bi­lität offen zu halten. Also ich weiß nicht, wo es mich mal später hinziehen wird. Aktuell fühle ich mich in Leipzig sehr wohl. Aber ich weiß nicht, wie es in 30 Jahren aussieht. Viel­leicht habe ich dann genug vom Stadt­leben, sodass ich einfach mal auf das Land ziehen und meine Ruhe haben möchte. Und dort ist ein Auto, zumin­dest in der aktu­ellen Zeit, noch unab­dingbar.

Könn­test du dir vorstellen, in einem tiny house“, also auf weniger als zehn Quadrat­meter zu leben?

Das kommt natür­lich immer auf die Umstände an. Also mit einer Familie auf keinen Fall. So groß ist unge­fähr mein Kinder­zimmer. Aber wenn man jetzt viel­leicht ein Student ist, dann kann man sich das viel­leicht angu­cken für ein paar Monate. Aber leben, ich weiß nicht so recht. Also ich bin eigent­lich schon ziem­lich glück­lich darüber, dass ich so viel Frei­raum habe und dass ich mich auch frei Entfalten kann in gewisser Maßen. Vor allem Freunde in einem tiny house“ einzu­laden, könnte schwierig werden.


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