Häus­ling: Europa ist kein Selbst­läufer“

Datum
06. Mai 2018
Autor*in
Mehtap Kirbiyik
Thema
#EPjugendforum 2019
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Martin Häus­ling ist Europa-Abge­ord­neter für Bündnis 90/​Die Grünen in Brüssel. Für das #EPju­gend­forum in Wies­baden kehrte er zurück in den Hessi­schen Landtag und stand den Schü­le­rinnen und Schü­lern Rede und Antwort. Nachdem er sich mit den Ideen und Vorschlägen ausein­an­der­ge­setzt hat, stellte er sich den Fragen von Methap und Aleyna. 

Hallo Herr Häus­ling, seit wann sind Sie poli­tisch aktiv?

Also kommu­nal­po­li­tisch aktiv bin ich seit 1981 und auch bis heute im Kommu­nal­par­la­ment meiner Gemeinde. Profi­mäßig war ich erst 2003 im hessi­schen Landtag und seit 2009 im euro­päi­schen Parla­ment.

Gab es einen bestimmten Anlass, der Sie dazu veran­lasst hat, poli­tisch aktiv zu sein?

In meiner Heimat sollte mal ein Atom­kraft­werk gebaut werden – bis zum Stör­fall in Tscher­nobyl und ich habe mich dagegen enga­giert. Das hat mich poli­ti­siert. Ich bin Bauer und habe Land­wirt gelernt. Als ich ange­fangen habe den Betrieb meiner Eltern zu über­nehmen, habe ich begonnen ohne Pesti­zide ökolo­gi­sche Land­wirt­schaft zu betreiben. Jetzt sind wir seit 30 Jahren ein Bio-Land­be­trieb. Somit wurde die Land­wirt­schaft und der Einsatz von Chemi­ka­lien mein zweites großes Thema.

Wir haben von Ihrem Erfolg im Bezug auf die Bienen gehört. Herz­li­chen Glück­wunsch dazu. Welche weiteren Projekte und Pläne gibt es im Bezug auf die ökolo­gi­sche Land­wirt­schaft?

Also ich finde, dass nun drei Mittel in der EU verboten wurden, die extrem schäd­lich sind, kann nur ein Schritt sein. Es darf jetzt nicht passieren, was sonst oft passiert, nämlich, dass sie einfach vom Markt genommen werden und es dann drei neue gibt. Es gibt ja noch mehr davon und es kann keine Alter­na­tive sein, dass wir immer mehr Chemie in der Land­wirt­schaft einsetzen. In den letzten Jahren wurde wieder mehr Chemie einge­setzt und zu viel gedüngt. Mein Ziel ist es, darauf hinzu­ar­beiten, dass die Land­wirt­schaft am Ende ökolo­gisch ist und es in die Rich­tung geht, dass wir ohne Pesti­zide auskommen. Einfach weil ich es nicht für normal halte, dass wir Lebens­mittel produ­zieren, indem wir dort Chemie drauf­kippen. In bestimmten Berei­chen ist das bereits sehr extrem.

Haben Sie noch eine weitere poli­ti­sche Herzens­an­ge­le­gen­heit?

Ja, das ist das Thema Plastik und die Vermei­dung davon. Das ist nun auch auf der Agenda. Deshalb denke ich, dass dort die nächsten großen Schritte gemacht werden müssen und ich sehe auch, wie viele Leute uns anschreiben –und vor allem betroffen sind– von dieser Vermül­lung. Nicht nur in Deutsch­land, sondern in der ganzen Welt. Darum müssen wir unbe­dingt wieder runter­kommen von diesem exzes­sivem Verbrauch an Plastik.

Spre­chen wir über die EU: Was machen für sie euro­päi­sche Werte aus? Wo begegnen uns diese im Alltag?

Zu den euro­päi­schen Werten, unter denen sich am Ende auch die Länder zusam­men­finden, gehört für mich allem der Begriff der Demo­kratie, so wie wir ihn in Europa defi­nieren. Doch auch in Europa ist die Demo­kratie nicht mehr ganz unge­fährdet, das muss man auch sagen. Es ist die Frei­heit des Einzelnen und dazu gehört mehr als bloß die Reise­frei­heit, sondern auch wie wir uns persön­lich entfalten können. Und, dass wir in Europa das Menschen­recht als höchsten Maßstab ansehen. Wenn ich mich so umgucke in der Welt, ist das tatsäch­lich nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Deshalb sollten wir als Euro­päer mit einem guten Beispiel voran­gehen, damit auch andere Länder, mit denen wir Handel betreiben, unseren Maßstäben von Demo­kratie, Bürger­rechten und Frei­heits­rechten entspre­chen.

Wie schätzen Sie denn die aktu­elle Lage der EU ein, was gibt es noch zu tun? 

Also Europa ist kein Selbst­läufer. Es ist nicht so, dass nun immer alles besser wird und alles zusam­men­wächst. Man sieht es ja an den letzten Jahren: Natio­na­lismus und natio­nal­staat­li­ches Denken nehmen Über­hand und einige Länder glauben, sie können euro­päi­sche Probleme alleine besser lösen. Dazu kommt seit der Flücht­lings­krise das Gefühl, dass da etwas Unre­gu­liertes passiert und dass man der Zuwan­de­rung Grenzen setzen muss. Das sind natür­lich Probleme und das hängt damit zusammen, wie wir uns als Euro­päer global einmi­schen in Thema­tiken. Europa hat sich in vielen Dingen in den letzten drei Jahr­zehnten immer mal quer gestellt und nicht reagiert. Gerade der Nahost-Konflikt ist eine Sache, um den sich natür­lich auch Europa kümmern muss und nicht noch zusätz­lich Bomben“ hinlie­fern.

Gerade auch, wenn einige Leute aus der Flücht­lings­krise heraus denken, Grenzen dicht machen zu müssen, kann das für Europa kein Ausweg sein. Ich plädiere dafür, dass Europa mehr Verant­wor­tung über­nehmen muss: Natio­na­lismus, Klein­staa­terei und das Dicht­ma­chen von Grenzen sind keine adäquaten Antworten für die Zukunft.

Denken Sie, dass die Arbeit, die hier heute von den Jugend­li­chen verrichtet wurde, nach­haltig ist? Wirken sich Ergeb­nisse des Jugend­fo­rums auf die Arbeit im Euro­päi­schen Parla­ment aus?

Ich fand es erstmal sehr span­nend, dass während des Plenums viele Themen ange­spro­chen wurden, die nun auch bei uns in Brüssel auf der Agenda stehen. Also Themen wie Plastik und das Voran­bringen erneu­er­barer Ener­gien. Das sind alles Punkte, mit denen wir uns dort tagtäg­lich beschäf­tigen. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Menschen damit beschäf­tigen würden, also so, wie Sie es jetzt gemacht haben: Themen von unten disku­tieren und sagen, dass man Ideen hat und anschlie­ßend so etwas in den Diskus­si­ons­pro­zess einbringen. Das Problem für uns als Parla­men­ta­rier ist oft, dass man leider weit weg ist und deshalb ist so eine Rück­kopp­lung gut.

Denken Sie, dass sich Jugend­liche mehr mit poli­ti­schen Inhalten ausein­an­der­setzen sollten und sehen Sie Möglich­keiten, wie dies konkret passieren kann?

Ich persön­lich bin nicht in die Politik einge­stiegen mit dem Ziel die Welt zu verän­dern. Meis­tens geht es eher darum, mit kleinen Projekten das eigene Umfeld zu verän­dern. Aber man merkt dann auch oft, dass man an den großen Rädern drehen muss. Ich glaube, ein Problem heute ist, dass alles unüber­sicht­li­cher wird. Man weiß nicht mehr, was oder wer wofür steht und dann halten sich viele lieber raus. Ich glaube jedoch auch, trotz dieser Unüber­sicht­lich­keit und der Schnel­lig­keit, dass man sich trotzdem einbringen sollte. Ich kann dazu nur sagen, dass Poli­tiker nicht allein sind in ihren Parla­menten. Man muss sie fordern und auch an solchen Veran­stal­tungen wie heute daran erin­nern.

Herr Häuß­ling, danke für das Gespräch!


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