Eine Koali­tion für die Zukunft oder ein leeres Verspre­chen?

Datum
13. Mai 2023
Autor*in
Lisa Schmachtenberger
Themen
#JPT23 #Politik
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Miriam Siglreitmaier, Paavo Czwikla, Timon Dzienus und Anne Marie Bauer im Dialog
@jugendpresse e.V./ Andrea Schon
Die Ampel bezeichnet sich selbst als Zukunfts­ko­ali­tion“, die sich beson­ders für junge Menschen einsetzt. Die Frage, ob sie dem gerecht wird, bleibt.

Die Ampel bezeichnet sich selbst als Zukunfts­ko­ali­tion“, die sich beson­ders für junge Menschen einsetzt. Die Frage, ob sie dem gerecht wird, bleibt.

Paavo Czwikla

Miriam Siglreitmaier, Paavo Czwikla, Timon Dzienus und Anne Marie Bauer im Dialog. Foto: Jugendpresse Deutschland e.V./ Andrea Schon

Ob er lieber Arte oder Disney+ schaue? Ehrlich gesagt keines von beiden, ich schaue wenig Fern­sehen“, sagt Olaf Scholz. Der Bundes­kanzler beant­wortet auf den Jugend­Po­li­tik­Tagen nicht nur Fragen zu Klima­schutz, Bildung und Inklu­sion, er muss auch dem Entweder-Oder-Spiel Stand halten, mit dem er von Moderator*innen konfron­tiert wird.

Die Teilnehmer*innen bekommen einen lockeren Olaf Scholz präsen­tiert, der über seine Döner-Präfe­renzen oder Kino­ge­wohn­heiten spricht. Und für den Kanzler selbst ist das die Chance, sich poten­ti­ellen jungen Wähler*innen gegen­über nahbar und modern zu geben. Natür­lich gehe er lieber zu den Jugend­Po­li­tik­Tagen als zur Kabi­netts­sit­zung. Und mit seiner Koali­tion, die sich selbst Zukunfts­ko­ali­tion“ nennt, setze er sich mit ganz viel Herz­blut für die Jugend ein. Verspre­chen kann man viel. Zeit, einmal nach­zu­prüfen, ob die Ampel wirk­lich eine Zukunfts­ko­ali­tion“ für junge Menschen ist.

Rich­tungs­streit statt Reformen?

Nach 16 Jahren CDU-geführter Bundes­re­gie­rung ist die Ampel defi­nitiv die Koali­tion, die am meisten für die Jugend bewirken kann“, sagt Paavo Czwikla, Pres­se­spre­cher der Jungen Libe­ralen, im Gespräch mit der poli­ti­ko­range-Redak­tion. Akti­en­rente, Cannabis-Lega­li­sie­rung und Absen­kung des Wahl­al­ters seien Projekte, die sich gezielt auf junge Menschen auswirken – trotzdem hake es bei der Fort­schritts­ko­ali­tion: Beson­ders beim Thema Cannabis sehen wir, dass die Ampel sich als Reform­ko­ali­tion noch schwer tut. Deswegen ist es ganz wichtig, dass wir als Jugend­or­ga­ni­sa­tionen weiter Druck machen.“

Bis zum Ende der Legis­la­tur­pe­riode hat sich die Ampel ehrgei­zige Ziele gesetzt – doch momentan scheint es so, als wäre der Reform­fluss ins Stocken geraten. Die Absen­kung des Wahl­al­ters ist nur mit einer Ände­rung des Grund­ge­setzes möglich, für die braucht es aber eine 2/​3‑Mehrheit – und dafür die Stimmen von CDU und CSU, die Wahlen ab 16 ablehnen. Die Cannabis-Lega­li­sie­rung kommt, jedoch zuerst nur in Projekt­re­gionen und um die Kinder­grund­si­che­rung streiten sich Fami­li­en­mi­nis­terin Lisa Paus (B90/DIE GRÜNEN) und Finanz­mi­nister Chris­tian Lindner (FDP). Sie braucht 12 Milli­arden Euro, er fährt einen harten Spar­kurs – auch, wenn es um Sozi­al­leis­tungen geht.

Miriam-Siglreitmaier

 

Es muss noch viel passieren“

Gut 3 Millionen Kinder und Jugend­liche in Deutsch­land leben in Armut. Für Miriam Sigl­reit­maier, Mitglied im Bundes­vor­stand der Jusos, ist die Kinder­grund­si­che­rung deswegen das wich­tigste Projekt der Ampel: Gerade Kinder- und Jugend­armut ist ein Faktor dafür, dass man nicht teil­haben kann an der Gesell­schaft, dass man weniger Zugang für Bildung hat. Und Bildung ist der Schlüssel zur Zukunft.“ Dass die Koali­tion in Diskus­sionen über Details bei der Ausge­stal­tung der Kinder­grund­si­che­rung versinkt, ärgere sie beson­ders, erklärt sie poli­ti­ko­range.

Timon Dzienus, Bundes­spre­cher der Grünen Jugend, sieht die Haupt­schul­digen dafür bei der FDP. Sie blockiert, was notwendig ist. Es bräuchte gerade mindes­tens 12 Milli­arden Euro und gerade reden wir nur über ein paar wenige.“ Wie er der poli­ti­ko­range-Redak­tion erklärt, ist er auch beim Klima­schutz, der Asyl­re­form oder dem Umgang mit stei­genden Mieten alles andere als zufrieden: Ich sehe nicht, dass man eine Zukunfts- oder Fort­schritts­ko­ali­tion ist.“ Vor allem in Bezug auf den Klima­schutz müssten junge Menschen mehr gehört werden. Die Konzepte dafür liegen laut Timon Dzienus schon auf dem Tisch, aber: Die Tendenzen gehen in die rich­tige Rich­tung, aber an vielen Stellen muss man zur Ampel sagen, dass das nicht reicht und auf keinen Fall genug ist.“

Paavo Czwikla sieht eben­falls Verbes­se­rungs­be­darf bei der Ampel: Ich bin zufrieden unter der Prämisse, dass das Ende der Fahnen­stange noch lange nicht erreicht ist. Bis 2025 muss noch viel passieren.“

Timo-Dzienus

 

Wie fort­schritt­lich kann eine Koali­tion sein, wenn der eigene Nach­wuchs die Progres­si­vität anzwei­felt? Das werden die kommenden Monate zeigen. Fest steht: Die Ampel muss liefern – für ihre Jugend­or­ga­ni­sa­tionen und alle anderen jungen Menschen in Deutsch­land. Denn nur, wer sich wirk­lich für die Zukunft einsetzt, kann sich berech­tigt Zukunfts­ko­ali­tion“ nennen.


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