Die Zukunft bleibt unge­wiss

Datum
27. November 2014
Autor*in
Alexander Kauschanski
Thema
#EINEWELT Zukunftsforum 2014
Zukunftscharta24_Merkel

Zukunftscharta24_Merkel

Gerd Müller wagt sich mit der Zukunfts­charta in neue Gebiete. Jedoch bleibt das Doku­ment in seinen Formu­lie­rungen unklar und unver­bind­lich. Ohne konkrete Forde­rungen ist es jedoch nicht mehr als ein Werbe­heft­chen des BMZ. Ein Kommentar von Alex­ander Kauschanski.

Der Politik wird regel­mäßig vorge­worfen, dass sie mit dem Menschen nichts mehr zu tun habe. Sie entferne sich syste­ma­tisch von Bürgern, igno­riere Stimmen aus Zivil­be­völ­ke­rung und halte die Massen durch gezielte Infor­ma­ti­ons­ver­schleie­rung aus dem Poli­tik­ge­schehen heraus.

zukunftscharta_cover

Cover der Zukunftscharta (Quelle: BMZ)

Auf dem ersten Blick geht die frisch präsen­tierte Zukunfts­charta (pdf-Down­load) einen anderen Weg. Vertre­te­rInnen aus Wirt­schaft, Politik, Wissen­schaft und konfes­sio­nellen Gruppen, aber auch Bürge­rInnen betei­ligten sich an der Erstel­lung der Zukunfts­charta. Von Augs­burg über Berlin bis nach Ulm reiste die Char­ta­or­ga­ni­sa­tion und sammelte auf Regio­nal­foren die Stimmen Deutsch­lands. Und auch im Netz unter www​.zukunfts​charta​.de betei­ligte sich die Zivil­be­völ­ke­rung an dem neuen Fahr­plan für die Entwick­lungs­po­litik Deutsch­lands. 1.500 Beiträge, Kommen­tare und Bewer­tungen von 776 Teil­neh­me­rInnen wurden laut dem Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung verfasst. Ein halbes Jahr lief das Projekt und kostete 1,5 Millionen Euro.

Grelle Werbe­bro­schüre ohne Forde­rungen

Das Projekt ist notwendig und wichtig. Denn: Die deut­sche Entwick­lungs­po­litik dümpelte unter der schwarz-gelben Regie­rung vor sich hin. Die Zukunfts­charta könnte jetzt ein wegwei­sendes Flagg­schiff für Parti­zi­pa­ti­ons­po­litik sein – wenn die Formu­lie­rungen sich nicht in Allge­mein­phrasen verlieren würden. Die Hand­lungs­felder“ der Charta sind acht an der Zahl und formu­lieren Ziele wie Ein Leben in Würde welt­weit sichern“ und Natür­liche Lebens­grund­lagen bewahren und nach­haltig nutzen“. Und selbst wenn verlaut­bart wird, dass die Armut bis 2030 besei­tigt werden soll, so bleibt die Umset­zung unge­wiss.

Vergli­chen mit den Mill­en­ni­ums­zielen der UN geht die deut­sche Charta deut­lich einen Schritt in Rich­tung Unver­bind­lich­keit. Während die UN ihre Absichten konkret formu­liert – Bekämp­fung von extremer Armut und Hunger“ – tauchen wich­tige Schlüs­sel­be­griffe der Entwick­lungs­po­litik in den Hand­lungs­fel­dern der Charta nicht auf. Haben die Bürge­rInnen und NGOs nicht genug gefor­dert? Oder hat die Politik ihnen nicht genug zuge­hört?

Formu­lierten die Kommen­ta­to­rInnen auf der Online-Platt­form der Zukunfts­charta noch konkrete Ziele, so wirkt die Endver­sion der Charta merk­würdig geglättet. Klischee­bilder von Menschen aus Indien, afri­ka­ni­schen Ländern und Boli­vien werden von Zitaten wie Wir brau­chen endlich wieder mehr Lang­fris­tig­keit“ und bunten Bücher­sym­bolen und Frie­den­stäub­chen geschmückt. Faktisch werden Probleme anein­an­der­ge­reiht und in leeren Plati­tüden wieder aufge­löst“. Das Ergebnis: Die Charta wirkt wie eine grelle Werbe­bro­schüre. Konkrete Forde­rungen bleiben aus.

Zukunftscharta24

Gerd Müller, Angela Merkel und Dunja Hayali bei der Übergabe der Zukunftscharta (Foto: Johannes Herbel)

Verspre­chen der Mill­en­ni­ums­ziele wurden nicht erfüllt

Rund 0,7 Prozent des Brut­to­na­tio­nal­ein­kom­mens sollte Deutsch­land für Entwick­lungs­hilfe ausgeben. So hat es die inter­na­tio­nale Staa­ten­ge­mein­schaft in ihren Mill­en­ni­ums­zielen verein­bart. Deutsch­land, das Vorbild für andere Länder sein will, erreichte dieses Ziel im vergan­genen Jahr bei Weitem nicht. Der Etat lag im vergan­genen Jahr gerade einmal bei 0,38 Prozent. Zwar leisten Staaten wie Spanien und Italien teils noch weniger. Aller­dings ist das eher Folge der Staats­ver­schul­dung und der schwä­chelnden Konjunktur in diesen Ländern. Gerade Deutsch­land sollte sich in Anbe­tracht eines neuen Entwick­lungs­kon­zepts und seiner Stel­lung als Wirt­schafts­motor an das Ziel halten. Aber auch darüber verliert die Charta kein Wort.

Die Hand­schrift der Mitver­fasser“ findet sich nur an den wenigsten Stellen der Charta. So verwun­dert es nicht, dass am Tag der symbo­li­schen Über­rei­chung dem Doku­ment Kritik entge­gen­schlägt. Oxfam fordert inhalt­liche Nach­bes­se­rungen und einen konkreten Plan zur Umset­zung durch die gesamte Bundes­re­gie­rung. Zudem solle nicht nur das Entwick­lungs­mi­nis­te­rium, sondern auch andere poli­ti­sche Instanzen an dem Projekt mitwirken.

Ob aus den nebu­lösen Ziel­set­zungen noch etwas wird, bleibt abzu­warten. Auch bei der Über­gabe hielt sich Müller mit genaueren Umset­zungs­maß­nahmen zurück. Wir sitzen alle im selben Boot“, schallte es im Saal während des Vortrags. Wir über­leben und kentern gemeinsam.“


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