Die Repor­tage – Ist das noch Jour­na­lismus oder kann das weg?

Datum
21. November 2021
Autor*in
Julia Wyrott
Themen
#YouMeCon21 #Medien
Vorschaubild: "Der Spiegel" machte den Betrugsfall Relotius zur Titelstory im Dezember 2018. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

Vorschaubild: "Der Spiegel" machte den Betrugsfall Relotius zur Titelstory im Dezember 2018. Foto: Jugendpresse Deutschland / Saad Yaghi

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Repor­tagen ziehen das Publikum in den Bann und zeigen Gescheh­nisse hinter harten Fakten. Doch kürz­lich ist die Darstel­lungs­form in Verruf geraten. Zwei Reporter*innen und ein Repor­ta­ge­fo­to­graf berichten. [/vc_column_text][us_separator size=„small“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][us_image image=„24321“ meta=„1“][us_separator size=„small“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]

Leuch­tend blauer Himmel reflek­tiert in den verspie­gelten Fens­ter­scheiben der Hoch­häuser. Bunte Plakate mit Sprü­chen wie Gates, du bist schon verloren!“ oder Stoppt die Expe­ri­mente mit eurer Impfung!“ bewegen sich im mäßigen Gleich­schritt durch die Straßen in Berlin-Mitte. Mitten­drin: Julius Geiler. Der Reporter berichtet von der Quer­denken-Demons­tra­tion via Twitter. Um ihn herum werden Menschen darauf aufmerksam, wütend, nähern sich mit lauten Drohungen. Es fängt an mit Schubsen, dann wird daraus mehr, Schläge, bis ihm schwarz vor Augen wird.

Das ist zwar ein heroi­scher Repor­tagen-Einstieg – entspricht aber nicht der Realität. Dass die Repor­tage Journalist*innen dazu verleitet, Grenzen zwischen Fakten und Fiktion verschwimmen zu lassen, ist ein fort­wäh­render Vorwurf an die jour­na­lis­ti­sche Darstel­lungs­form. Ausge­löst wurden diese durch einen der größten Fälschungs­skan­dale im deutsch­spra­chigen Jour­na­lismus: dem Fall von Claas Relo­tius.

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Repor­tage im Jour­na­lismus: Sagen, was ist

Relo­tius ist fest­an­ge­stellter Redak­teur im Gesell­schafts­res­sort des Spie­gels, als sein Kollege Juan Moreno auf Unstim­mig­keiten in seinen Texten aufmerksam wird. Eine Unter­su­chungs­kom­mis­sion prüft die knapp 60 Texte, die von oder mit ihm entstanden sind. Die Bilanz: viele davon sind gefälscht, vom leichten Hinzu­dichten bis zum freien Erfinden ist alles dabei. Im Abschluss­be­richt, Mai 2019, räumt der Spiegel ein: Der Fall Relo­tius hat den Ruf des SPIEGEL und den Ruf einer jour­na­lis­ti­schen Gattung in Deutsch­land beschä­digt, der Repor­tage.“ Auch der Repor­ter­preis verlor an Geltung, weil Relo­tius mehr­fach mit diesem für seine gefälschten Texte ausge­zeichnet wurde.

Doch was ist drei Jahre nach Aufde­ckung des Fälschungs­skan­dals aus der Repor­tage geworden? Warum gibt es die Repor­tage noch, obwohl der Umgang mit der Darstel­lungs­form umstritten ist?

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Reporter vor Ort: Julius Geiler zwischen Quer­den­kern und Gefahren

Körper­liche Anfein­dungen hatte ich als Reporter noch nicht wirk­lich, aber virtuell geht das bis hin zu Mord­dro­hungen und der Veröf­fent­li­chung meiner Adresse.“ Julius Geiler ist Tages­spiegel-Reporter und berichtet vor allem über die rechte Szene und die Quer­denken-Bewe­gung. Seit der Bericht­erstat­tung ist es gefähr­li­cher vor Ort zu sein, Kame­ra­teams haben nun meis­tens Begleit­schutz. Auf den Demons­tra­tionen würde er bloß ein Handy brau­chen, da er über Twitter berichtet und demnach nicht so stark auffällt.

[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=„1/2“][us_image image=„24318“ meta=„1“][us_separator size=„small“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]Auf die Frage, ob die Repor­tage mitt­ler­weile besser über­prüft wird, antwortet Geiler: Nein, auf keinen Fall. Bei vielen Redak­tionen passiert das immer noch komplett auf Vertrau­ens­basis.“ Es fehle an Kapa­zi­täten, auch gene­rell für eine inhalt­liche Über­prü­fung. Der junge Reporter habe auch schon Situa­tionen erlebt, in denen er sich Geschichten vorge­stellt habe und bei seiner Recherche kam das dann tatsäch­lich so. Da dachte ich dann: Das kann ich so nicht aufschreiben, jeder wird sagen, das hast du dir ausge­dacht.“ Somit hat Geiler Fotos gemacht und Beweise aufge­hoben, falls jemand fragen sollte. Wurde ich aber nie.“[/vc_column_text][us_separator size=„small“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column width=„1/2“][us_image image=„24317“ meta=„1“][/vc_column][vc_column width=„1/2“][vc_column_text]

Unter­haltsam aber rele­vant: Die Aufgaben der Repor­tage

Ganz anders sieht das Maria Chris­toph. Bei meinen Repor­tagen wird konkret nach Primär­quellen gefragt, damit nicht einfach Behaup­tungen unter­stellt werden können.“ In einem vor kurzem erschie­nenen Zeit-Dossier, musste sie die Aussagen der Betrof­fenen unter­mauern: Dafür haben wir zusätz­liche Belege gesam­melt wie einen Arzt­brief, Arbeits­zeit­nach­weise oder die Aussagen von Ange­hö­rigen.“

Die freie Repor­terin arbeitet für den Baye­ri­schen Rund­funk, Die Zeit und ikone.media. In der Redak­tion von PULS, dem jungen Content-Netz­werk des BR, begleitet sie Filme von der Idee bis zum Schnitt.

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Die Repor­tage sieht sie als eine Darstel­lungs­form, die es Journalist*innen ermög­licht, komplexe Zusam­men­hänge verständ­lich aufzu­be­reiten und dem Publikum unter­schwellig zu vermit­teln.

Chris­toph hat im letzten Jahr den Repor­ter­preis für ihre Mitar­beit am Podcast Affäre Deutsch­land – die schwarzen Konten der CDU“ erhalten. Ob man sich denn über den Repor­ter­preis noch freuen könne, bejaht sie. Aber das Wich­tige ist doch, inwie­fern eine Recherche auch Diskus­sionen außer­halb der Jour­na­lismus-Bubble anstoßen kann.“ Sie freut sich vor allem dann, wenn ihre Arbeit Menschen bewegt oder etwas in dem Bewusst­sein eines Menschen verän­dert.

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Authen­ti­zität und Mani­pu­la­tion: Die Repor­ta­ge­fo­to­grafie

Bei all der Konzen­tra­tion auf text­liche Rich­tig­keit, sollte die Wirkung der Repor­ta­ge­fo­to­grafie nicht vergessen werden, so der Foto­graf Andi Weiland. Foto­grafie hat den Ruf, authen­tisch zu sein, aber eigent­lich ist sie sehr anfällig für Mani­pu­la­tion, viel­leicht sogar noch anfäl­liger als ein Text.“ Weiland foto­gra­fiert für Redak­tionen, Medi­en­ma­chende und Blogger*innen. Zur Sicher­stel­lung würden viele große Nach­rich­ten­re­dak­tionen nur noch Rohma­te­rial annehmen, um Fälschung durch Bild­be­ar­bei­tung vorzu­beugen.

Die Aufgaben von Foto­grafie in der Repor­tage sind sehr viel­fältig. Einer­seits gelten sie als Beweis­stück für die Recherche der Journalist*innen, ande­rer­seits bilden Fotos ein kollek­tives, gesell­schaft­li­ches Gedächtnis. Sie bleiben im Kopf und man kann sich ihnen nicht entziehen wie dem Text.

[/vc_column_text][us_separator size=„small“][/vc_column][vc_column width=„1/2“][us_image image=„24319“ meta=„1“][/vc_column][/vc_row][vc_row][vc_column][vc_column_text]In einem sind sich Journalist*innen und Fotograf*innen von Repor­tagen aber einig: Alle müssen wissen, dass wir nur eine Perspek­tive zeigen und nie den Anspruch auf eine allum­fas­sende Wahr­heit erheben können.“[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]


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