Auf einen Tee mit Rebecca Maskos

Datum
29. August 2015
Autor*in
Tatjana Tiefenthal
Thema
#Vielfalt im Journalismus 2015
2015_08_28_Interview - Quadrat

2015_08_28_Interview - Quadrat

Foto: Lilith Grull

Rebecca Maskos ist freie Jour­na­listin und Autorin. Aufgrund der Glas­kno­chen­krank­heit sitzt sie im Roll­stuhl. Im Inter­view mit Tatjana Tief­en­thal und Lilith Grull berichtet sie über ihren Arbeits­alltag.

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Die freie Journalistin und Autorin Rebecca Maskos trifft sich mit zwei Nachwuchsjournalistinnen auf einen Tee. Foto: Lilith Grull

Wie viel­fältig ist der Jour­na­lismus heut­zu­tage?

Aus meiner Sicht nicht sehr viel­fältig. Ich habe den Eindruck, dass in erster Linie Menschen zum Jour­na­lismus kommen, die gute Start­chancen im Leben haben: Zum einen braucht man immer Abitur, zum anderen Eltern, die einen finan­ziell unter­stützen können. Ich konnte sehr viele Prak­tika machen, weil ich nicht nebenbei jobben musste. Die mediale Welt spie­gelt heute primär die weiße Mittel­schicht wieder. Andere Perspek­tiven tauchen eher selten auf. Bei Leuten mit Behin­de­rung ist zudem oftmals der Bildungsweg durch Sonder­schulen und ähnli­ches schwie­riger. Viele schaffen es gar nicht erst auf eine Univer­sität und das nicht aufgrund ihrer schu­li­schen Leis­tung. Alleine das macht es für Menschen mit Behin­de­rung sehr viel schwie­riger in den Jour­na­lismus rein­zu­kommen.

Hattest du schon einmal Hürden in deinem jour­na­lis­ti­schem Alltag?

Es ist schon so, dass ich oft nicht als Jour­na­listin wahr­ge­nommen werde. Im Zuge eines Prak­ti­kums habe ich mal über die Eröff­nung eines Alten­heimes berichtet und mich mit dem Leiter unter­halten. Am nächsten Tag war ein Foto von mir in der Zeitung mit dem Titel: Leiter des Alten­heimes spricht mit einer Bewoh­nerin. Das man auch im Rolli Jour­na­listin sein kann, kommt in den Köpfen vieler Leute gar nicht vor. Es gibt aber nicht nur Nach­teile. Poli­tiker, die mit einer grim­migen Mine aus einer Konfe­renz kommen, und mich sehen, ändern sofort ihr Verhalten, fangen an zu lächeln und gehen in die Hocke. Auf der Leitungs­ebene gab es auch immer wieder Zweifel, ob ich die Arbeit auch schaffe. Es gab viele Vorbe­halte, dass ich nicht flexibel einsetzbar sei. Mein Fazit: Man benö­tigt wohl ein sehr selbst­be­wusstes Auftreten und eine ganz klare Haltung als Mensch mit Behin­de­rung im Jour­na­lismus.

Wie bist du zum Jour­na­lismus gekommen?

Ich hatte schon immer Spaß am Schreiben. So bildete sich schon früh die Idee, im publi­zis­ti­schen Bereich tätig zu sein. Beson­ders die Infor­ma­ti­ons­viel­falt hat mich gereizt. Nach der Schule habe ich immer wieder Prak­tika gemacht, hatte aber die Befürch­tung, dass es aufgrund meiner körper­li­chen Einschrän­kungen schwierig werden könnte. Um ein zweites Stand­bein zu haben, absol­vierte ich erst einmal ein Psycho­lo­gie­stu­dium. Meine Befürch­tungen haben sich nach meiner einstim­migen Annahme an der Evan­ge­li­schen Jour­na­lis­ten­schule in Berlin bestä­tigt. Nach dem Bescheid riet mir die dama­lige Leitung deut­lich dazu den Platz abzu­lehnen. Es würden doch zu viele Umstände für sie, aber doch vor allem auch für mich, entstehen. Bei meinen Prak­tika davor hatte ich noch nichts davon bemerken können. Glück­li­cher­weise habe ich kurz darauf die Zusage für ein Volon­ta­riat bei Radio Bremen erhalten. Bewusst habe ich mich dafür und somit einen gerechten Umgang entschieden.

Hast du das Gefühl, dass Menschen mit Behin­de­rung im Jour­na­lismus unter­re­prä­sen­tiert sind?

Ja, auf jeden Fall! Ich glaube, es gibt eine Menge Leute mit Behin­de­rung, die gerne schreiben. Das sieht man auch an der Viel­zahl von Blogs, aber dass man tatsäch­lich eine Anstel­lung bekommt, ist eher selten. Jour­na­lismus ist ein Beruf, der viel Mobi­lität und Flexi­bi­lität erfor­dert, dies erleich­tert die Gesamt­si­tua­tion nicht. Das heißt nicht, dass es nicht machbar ist. Ich kenne mehrere Jour­na­listen mit verschie­denen Behin­de­rungen. Es gibt Hilfs­mittel, die die Arbeit ermög­li­chen, oder auch eine Arbeits­as­sis­tenz, die man bean­tragen kann.

Du hast dich sehr bei dem Projekt Leid­me­dien enga­giert. Hast du das Gefühl, dass sich die Bericht­erstat­tung über Menschen mit Behin­de­rung verbes­sert hat?

Ja, ich hab schon das Gefühl, dass es sich ein biss­chen verbes­sert hat. Wir waren selber total über­rascht, wie viel Erfolg wir mit Leid­me­dien hatten. Aus meiner Sicht ist die Bericht­erstat­tung etwas neutraler geworden, viel­leicht weil das Thema auch endlich Gehör findet.


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