Wir wollen nicht dieses Mitleids­ding“

Datum
08. Juli 2016
Autor*in
Nathalie Bockelt
Thema
#ZukunftsTour 2016
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Sauberes Trink­wasser für alle: Was als kleiner gemein­nüt­ziger Verein begann, ist mitt­ler­weile ein global bekanntes Netz­werk. Doch auch bei Viva con Agua läuft nicht immer alles rund.

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Leonie, Maren und Antonia engagieren sich in der Mainzer Gruppe von Viva con Agua. Foto: Nathalie Bockelt

663 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trink­wasser, 2,4 Milli­arden leben ohne eine vernünf­tige sani­täre Basis­ver­sor­gung. Trotz Entwick­lungs­hilfe und UN-Zielen sind die Zahlen anhal­tend hoch. Der Verein Viva con Agua (Leben mit Wasser) mit dem einpräg­samen blau-weißen Logo will das ändern.

Von der Idee zu Tausenden Unter­stüt­zern

Gegründet wurde Viva con Agua de Sankt Pauli e.V. im Jahr 2006 von Benjamin Adrion. Er war damals Spieler beim Zweit­li­gisten FC St. Pauli und merkte ein Jahr zuvor bei einem Trai­nings­lager auf Kuba, wie schlecht die Wasser­ver­sor­gung in Entwick­lungs­län­dern sein kann. Wenig später been­dete Adrion seine Profi-Karriere und widmete sich ganz Viva con Agua. Dabei konnte er auch auf die Unter­stüt­zung ehema­liger Mitspieler und St. Pauli-Freunde zählen, schnell stellte sich der Erfolg ein. 1,3 Millionen Euro Projekt­s­penden sammelte Viva con Agua im vergan­genen Jahr ein. Seit den Anfängen arbeitet der Verein eng mit der Welt­hun­ger­hilfe zusammen, die die Projekte vor Ort umsetzt.

Das Beson­ders an Viva con Agua sei das offene Netz­werk, das Frei­wil­ligen ganz unge­zwungen die Möglich­keit gebe, sich zu enga­gieren, erzählt Leonie. Leonie ist 26, studiert noch und vertritt den Verein auf der Zukunfts­tour in Mainz. Zu Viva con Agua kam sie eher zufällig: Ich bin sozial und umwelt­in­ter­es­siert wie fast alle Studis.“ Seit einein­halb Jahren ist sie dabei und fast jede Woche auf Treffen.

Jeder macht, so viel er kann“, erklärt Leonie, aber jede Gruppe hat einen harten Kern.“ Damit meint sie sich und andere Mitglieder der soge­nannten Local Crews, die oft und viel Energie in die regio­nalen Netz­werke stecken. Bei den Mainzer Treffen seien dennoch meist so um die 30 Leute dabei. Im gesamten deutsch­spra­chigen Raum gibt es inzwi­schen knapp 60 regio­nale Gruppen, mehr als 12 000 Unterstützer*innen enga­gieren sich im Verein.

Aktionen statt Emails

Mit ihren Projekten verzichten die Viva con Agua-Gruppen auf die Macht der Tränen­drüse, die der Arbeit mancher Charity-Orga­ni­sa­tionen anzu­haften scheint. Wir wollen nicht dieses Mitleids­ding“, betont Leonie, wir machen nur, worauf wir Lust haben.“ Dazu gehört vor allem Spenden sammeln auf Festi­vals oder Konzerten. Im Wies­ba­dener Schlachthof, einer beliebten Loca­tion für Konzerte, Floh­märkte und Poetry Slams, ist Viva con Agua ein gern gese­hener Gast. Auch an Schulen sind Leonie und ihre Mitstreiter*innen immer wieder, um in Vorträgen oder Plan­spielen für das Projekt zu werben. Es ist viel Arbeit, das am Leben zu erhalten.“

Zu viel Kommerz?

Neben der Arbeit der Ehren­amt­li­chen erkundet der Verein Viva con Agua seit einiger Zeit auch andere Wirkungs­felder. Erste Social Busi­ness-Ideen wurden bereits umge­setzt, etwa der Verkauf von Charity-Mine­ral­was­ser­fla­schen. Diese waren zunächst nur auf Konzerten und im Raum Hamburg verbreitet, heute stehen sie bei vielen Startups auf den Konfe­renz­ti­schen. Im Früh­jahr 2016 stellte Viva con Agua zudem eigenes Toilet­ten­pa­pier vor, 100 000 Packungen hatte das Unter­nehmen mit den Kompost­toi­letten-Hersteller Gold­eimer produ­ziert. Mit dem Verkauf sammelte Viva con Agua Spenden für Sani­tär­an­lagen in Äthio­pien. Und im Avocado Store, einem bekannten Online­shop für nach­hal­tige Mode und Life­style-Objekte, gibt es Pullis und T‑Shirts mit dem Logo des Vereins zu kaufen.

Reflek­tieren und weiter­ma­chen

Doch mit dem Wachstum der Bewe­gung wuchsen auch die internen Meinungs­ver­schie­den­heiten über die interne Ausrich­tung der ehren­amt­li­chen Arbeit. Muss man wirk­lich Wasser verkaufen, obwohl es kaum Erlös abwirft? Nicht alle finden das, sagt Leonie, erklärt aber auch, dass Flaschen und Klopa­pier eher dazu dienen, die Bekannt­heit des Projektes zu erhöhen, als hohe Erträge zu sammeln. Das laufe immer noch über die Spen­den­ar­beit der Crews. Auch die Unge­zwun­gen­heit des Enga­ge­ments wird hin und wieder zum Problem. Einer­seits senkt sie die Hemm­schwelle und erleich­tert es, neue Unterstützer*innen zu gewinnen. Ande­rer­seits lösen sich Gruppen immer wieder auf, weil Frei­wil­lige wegziehen oder schlicht Zeit und Anreize fehlen, Spen­den­ak­tionen auf die Beine zu stellen.

Dennoch legt Viva con Agua den Fokus nach vorne. Seit einiger Zeit knüpft der Verein beispiels­weise enge Kontakte zu Unterstützer*innen in Uganda und hat dort eine eigene Orga­ni­sa­tion gegründet, die selbst Spenden sammelt und Projekte plant. Ganz nach dem Motto des Vereins: Wasser für alle – Alle für Wasser“.


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