Wer hat die Macht über uns? Wer sollte sie haben?

Datum
01. Juni 2015
Autor*in
Carolin Schneider
Thema
#JMWS15
Rechenzentrum_1und1InternetAG_flickr.com_CC-BY-2-0_1

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Ich bin ein Digital Native“. Ich erobere die Gesell­schaft. Doch zunächst hat das Internet mich erobert. Ich suche Jobs im Internet, ich bewerbe mich über das Internet, ich infor­miere mich im Internet. Natür­lich hat jeder von uns die Wahl, ob und wie stark er im Internet aktiv ist.

Rechenzentrum_1und1InternetAG_flickr.com_CC-BY-2-0

Wo die vielen Daten wohnen: Innenansicht eines Rechenzentrums (Foto: 1&1 Internet AG, flickr.com, CC-BY 2.0)

Doch bei unseren Daten haben wir schon längst nicht mehr die Wahl. Auch wenn ein Bürger komplett ohne Internet lebt und jedes Formular per Hand ausfüllt, so kann er noch lange nicht verhin­dern, dass seine Daten meist in einer Cloud abge­spei­chert werden. Clouds sind doch etwas Tolles. Sie sind von unter­schied­li­chen Orten zugäng­lich und verbrau­chen lokal keinen Spei­cher­platz. Die Daten befinden sich irgendwo in einem Data Center und keiner weiß doch eigent­lich so genau, wo das ist. Durch diese rela­tive, lokale Unbe­stimmt­heit von Clouds, zählen die Gesetze des Landes, in dem sich der Server-Provider, quasi das Herz­stück einer Cloud, befindet.

Wenn es sich um einen ameri­ka­ni­schen Cloud-Anbieter handelt, dann sind Cloud-Daten auf keinen Fall mehr sicher vor der NSA, weil ameri­ka­ni­sche Cloud-Anbieter sogar gesetz­lich dazu verpflichtet sind, diese an die ameri­ka­ni­sche Sicher­heits­be­hörde weiter­zu­geben. Mitt­ler­weile haben viele resi­gniert und sind zu der Über­zeu­gung gelangt, die NSA wisse sowieso schon alles über uns. Die NSA hat schließ­lich Zugriff auf Unmengen von Face­book-Daten. Was nützt es mir, dass ich mich jahre­lang gegen einen Face­book-Account gesträubt habe, ich aber um WhatsApp nicht herum komme und damit sogar noch viel inti­mere Infor­ma­tionen aus einem virtu­ellen Zwei-Augen-Gespräch an die glei­chen Behörden gelangen? Gehöre ich schon zur Gene­ra­tion Daten­schutz hoff­nungslos“? Hoff­nungslos in dem Sinne, dass Sicher­heits­be­hörden sowieso schon (fast) alles über mich wissen.

Stoppt die Über­wa­chung!

Wenn es schon so ist, dann möchte ich wenigs­tens, dass es bei meinen Kindern anders wird. Für sie möchte ich, dass sie die gren­zen­lose Frei­heit über Konti­nente hinweg, mit der uns das Internet immer schmack­haft gemacht wird, unge­stört genießen können. Das Internet ist eine sehr große Wissens­quelle, doch das meiste Wissen bleibt einfach unge­nutzt, da es niemand hinsicht­lich Plau­si­bi­lität, Rich­tig­keit und Beleg­bar­keit unter­sucht hat. Dies zu tun, wäre mir viel wich­tiger, als Algo­rithmen zu program­mieren, die Werbung noch ziel­grup­pen­spe­zi­fi­scher plat­zieren, um den Absatz zu stei­gern. Ein Produkt verkauft sich zwar dadurch besser, aber noch besser verkauft es sich, indem es genial ist.

Groß­ar­tige Produkte können nur entstehen, indem sich Menschen auch trauen, im Internet über heikle, fort­schrei­tende, unmög­lich erschei­nende Pläne zu spre­chen. Doch das ist nur möglich, indem sie sich nicht ständig durch eine Behörde über­wacht fühlen und ihre Daten nicht zu ihrem Schaden einge­setzt wissen. Unsere Nach­kommen, die Digital Natives 2.0“, können mit ihren Ideen und der Hilfe des Inter­nets die Gesell­schaft erobern – doch dafür brau­chen sie Frei­raum und Sicher­heit zugleich.


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