Wahl­pla­kate – So alt wie unver­zichtbar!

Datum
18. September 2021
Autor*in
Fynn Dresler
Themen
#BTW21 #Wahlen
Vorschau_Plakate_Christopher Folz

Vorschau_Plakate_Christopher Folz

Jugendpresse Deutschland e. V./Christopher Folz

Jeden Wahl­kampf das Gleiche: Pein­liche Fotos, schwam­mige Sprüche, zuge­klebte Stra­ßen­kreu­zungen. Viele Menschen ärgern sich über Wahl­pla­kate. Fynn Dresler hingegen betont ihren Beitrag für die Demo­kratie. Ein Kommentar.

Aufmacher_Plakate_Christopher Folz

Wahlplakate an jeder Ecke: Hilfreiche Wahlentscheidung oder Fluch für das Stadtbild? Foto: Jugendpresse Deutschland / Christopher Folz

Gehören Wahl­pla­kate in die Innen­stadt? Die AfD im Lüne­burger Stadtrat findet, sie sollten verboten werden. Mit dieser Meinung steht sie ziem­lich einsam dar: Mit drei zu 35 Stimmen wurde ihr entspre­chender Antrag abge­lehnt. Richtig so!

Spätes­tens mit dem grin­senden Gesicht der Spitzenkandidat*innen vor der eigenen Haustür ist es offen­sicht­lich – es stehen wieder Wahlen an. Und das ist nicht zuletzt Verdienst der oft so verhassten Wahl­pla­kate. Gerade weil es schier unmög­lich scheint, in den Monaten vor der anste­henden Wahl das Haus zu verlassen, ohne dabei zumin­dest von einer Partei auf das Datum des Urnen­gangs hinge­wiesen zu werden, ist ein*e jede*r somit zumin­dest für ein paar Sekunden mit dem eigenen Wahl­recht konfron­tiert. Die oft so fern wirkende Politik kommt auf die Straße und mit über­großen Portraits drängen sich auch einige Gesichter in den Alltag der Menschen. Gesichter späterer Interessenvertreter*innen, die Vertraut­heit und Bezug schaffen, der an keinem anderen Ort mit einer derart nied­rigen Hürde zu den Wähler*innen vordringt.

Wer wüsste ohne Wahl­pla­kate, wie die Kandidat*innen aussehen?

Es ist in erster Linie unver­hält­nis­mäßig, wenn das Aufhängen von Wahl­pla­katen als über­zogen oder sogar dreist bewertet wird, wo doch Werbung und Social Media mit aller Kraft und ganz selbst­ver­ständ­lich um die Aufmerk­sam­keit der Menschen ringt. Regel­mäßig wird inhalt­liche Kritik zu einer gene­rellen Ableh­nung von Wahl­pla­katen erwei­tert. Das ist falsch und einseitig, wo doch der Nutzen gänz­lich verschwiegen wird. Wo sonst können Parteien ihre Kandidat*innen den Bürger*innen in einem vergleich­baren Ausmaß vorstellen? Das ist weder durch weitere Veran­stal­tungen oder Haus­tür­be­suche noch durch die glei­chen Sprüche und Bilder auf Social Media zu schaffen. Beson­ders auf kommu­naler Ebene stammen die einzigen Bilder von Kandi­die­renden, die bei den Bürger*innen hängen bleiben, von Wahl­pla­katen. 

Und so sehr mehr inhalt­liche Stärke wünschens­wert wäre, so reicht oftmals allein ein glatt­ge­schlif­fener Slogan und das Konterfei der Kandi­die­renden, um einen Diskurs anzu­regen. Nicht zuletzt auf lokaler Ebene pola­ri­sieren Kandi­die­rende aller Parteien mit kurzen State­ments. So berichtet die Kommu­nal­po­li­ti­kerin Anna-Lena Narewski (FDP), die die Plakate Lüne­burgs mit dem Slogan Kompe­tenz statt Quote“ füllt, über die große Reso­nanz auf ihre Kampagne. Gerade in der Pandemie, wo direkter Kontakt zu Wähler*innen auf Wahl­ver­an­stal­tungen rar ist, eröffnen die Plakate den Diskurs und somit das Tor zur weiteren Ausein­an­der­set­zung und final einer über­legten Wahl­ent­schei­dung. Damit bilden sie ein wich­tiges Rad im Getriebe der demo­kra­ti­schen Willens­bil­dung, die eben nicht wie oftmals prophe­zeit mitt­ler­weile allein auf Twitter statt­findet. 

Wahl­pla­kate sind nicht alles – aber sie sind und bleiben wichtig

Niemand würde behaupten, dass Wahl­pla­kate das einzig wirkungs­volle Mittel sind, um das Demo­kra­tie­ver­ständnis der Bürger*innen zu schärfen, doch ihr Beitrag ist bisher nicht zu ersetzen. Viel Kritik am Wahl­kampf, wie die inhalt­liche Knapp­heit, wird pauscha­li­sie­rend auf Wahl­pla­kate redu­ziert, die durch die fehlenden Befürworter*innen und den schwer quan­ti­fi­zier­baren Nutzen leicht als Sünden­bock herhalten. Dabei bleiben es bei vielen Menschen Wahl­pla­kate, von denen die verin­ner­lichten Bilder zu den nichts­sa­genden Namen auf dem Wahl­schein stammen. Ein Beitrag, der bisher alter­na­tivlos bleibt und spätes­tens in einem Wahl­kampf ohne Plakate schmerz­haft vermisst werden würde.