Von Flip­charts zur Bundes­po­litik

Datum
17. September 2016
Autor*in
Katharin Tai
Thema
#Jugendkonferenz16
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Foto: Paul Wischnowski

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In der Diskussion mussten auch die Erwachsenen mal zuhören. (Foto: Paul Wischnowski)

Anstatt nur über Jugend­be­tei­li­gung zu reden, soll sie bei der Jugend­stra­tegie direkt ange­wandt werden: Das Feed­back der Teil­neh­menden soll beein­flussen, wie die Jugend­po­litik in Zukunft umge­setzt wird. Die Konfe­renz in Berlin war die erste Gele­gen­heit, bei der so viele Jugend­liche aus verschie­denen Orga­ni­sa­tionen zusammen kamen, um die Jugend­stra­tegie nach einem Jahr Lauf­zeit zu bewerten: Was hat sich getan? Was könnte besser laufen? Und wie soll es weiter­gehen?

Bereits in der Vergan­gen­heit hatte die Koor­di­nie­rungs­stelle mehr­fach Ideen von Jugend­li­chen gesam­melt. Beson­ders für das Projekt der Refe­renz­kom­munen“, in denen Lokal­po­litik jugend­freund­li­cher gemacht werden soll, gab es Work­shops, bei denen sich Ange­stellte der Städte und enga­gierte Jugend­liche austau­schen konnten. Auf der Jugend­kon­fe­renz ging es aller­dings parallel um viele verschie­dene Bestand­teile der Jugend­stra­tegie. Während bei machen noch nach einem Namen gesucht wird, soll für andere Projekte nach einem Jahr Lauf­zeit Feed­back einge­holt werden: Der Inno­va­ti­ons­fond verteilt Förder­gelder, die Refe­renz­kom­munen verpflichten sich, jugend­freund­li­cher zu werden, und der Jugend­check soll Poli­tiker und Poli­ti­ke­rinnen auf Bundes­ebene in Zukunft daran erin­nern, welche Folgen ein neues Gesetz für junge Menschen in Deutsch­land haben wird – spätes­tens ab 2017. Immer wieder betonen Work­shop­lei­tende, Refe­renten und Refe­ren­tinnen, dass die Ergeb­nisse aus dem Wochen­ende an Entschei­dungs­träger weiter­ge­geben werden.

Besuch von der Bundes­ebene

Am Sonntag gab es aller­dings auch eine Möglich­keit für direkten Austausch zwischen Erwach­senen und Jugend­li­chen: Beim Gallery Walk“, einem Rund­gang durch die Work­shop­räume, konnten sich sowohl Teil­neh­mende als auch Gäste mit Vorträgen der Jugend­li­chen in die Themen der letzten Tage einar­beiten. Die Gäste kamen aus verschie­denen Insti­tu­tionen, die die Jugend­stra­tegie umsetzen: vom Bundes­mi­nis­te­rium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Deut­schen Bundes­ju­gend­ring, Städ­tetag, den Landes­ju­gend­be­hörden und von der Service­stelle zur Umset­zung der EU-Jugend­stra­tegie in Deutsch­land.

Dabei war Disku­tieren erlaubt und erwünscht. Die Bereit­schaft dazu war in den einzelnen Vortrags­gruppen unter­schied­lich: Während in manchen Räumen hitzige Diskus­sionen über die Kommu­ni­ka­tion zwischen Kommu­nal­ver­wal­tung und Jugend­li­chen entstanden, waren in anderen nur die Stimmen der Vortra­genden zu hören. Wenn aber eine Diskus­sion entstand, dann zwischen erwach­senen Gästen und jugend­li­chen Teil­neh­menden.

Zum Abschluss gab es noch eine offene Diskus­sion mit den verschie­denen erwach­senen Akteuren der Jugend­stra­tegie. Die Disku­tanten konnte die Runde verlassen oder sich dazu­setzen wann immer sie wollten, sodass viele unter­schied­liche Themen zur Sprache kamen. Diese Viel­falt passte gut zur Jugend­stra­tegie, die sich auch nicht auf ein konkretes Ziel beschränkt, sondern breit ange­legt ist. Außerdem wurde klar, dass weder die bundes­weiten Reprä­sen­tanten noch die Jugend­liche eine homo­gene Gruppe mit einer Meinung zur Jugend­stra­tegie sind. So kam es nicht zu einer Diskus­sion der Älteren gegen die Jüngeren, sondern zu einem gemein­samen Dialog.

Wir müssen kürzere Wege schaffen! Ich bin eine klare Befür­wor­terin des föde­ralen Aufbaus, denn so können Jugend­liche direkt mit den Verant­wort­li­chen in den Kommunen in Kontakt treten“, fordert die Teil­neh­merin Daniela Lang, die in einem Würz­burger Jugend­ver­band tätig ist. Die Frage, ob Projekt­för­de­rungen besser auf kommu­naler oder auf Bundes­ebene aufge­hoben ist, war eines von vielen Themen, die kontro­vers im Fishbowl“-Format disku­tiert wurden.

Was machen die Erwach­senen jetzt anders?

Aber was bleibt von dem Wochen­ende? Werden die Teil­neh­menden ihre Ideen aus den Work­shops und ihre Argu­mente aus der Diskus­sion nächstes Jahr in der Politik wieder­finden?

Rainer Wiebusch, Leiter des Refe­rates Eigen­stän­dige Jugend­po­litik aus dem Bundes­fa­mi­li­en­min­s­te­rium, hat aus der Diskus­sion mehr als nur Blub­ber­bläs­chen mitge­nommen: Wir brau­chen eine dauer­hafte Betei­li­gung der Jugend. Ich denke jetzt ernst­haft über eine regel­mä­ßige Konfe­renz nach.“ Auch inhalt­liche Anstöße hat er mitge­nommen: Jugend­liche unter 18 sollten finan­zi­elle Förde­rung für Projekte erhalten können und eine Image­kam­pagne sollte dafür sorgen, dass die Jugend­stra­tegie nicht nur die schon poli­tisch Enga­gierten oder Wohl­ha­ben­deren erreicht.

Wirk­lich konkrete Antworten auf die Frage, was denn jetzt anders wird, sind aller­dings aus keinen offi­zi­ellen Gästen heraus­zu­holen. Doch Gesetz­ge­bungs­pro­zesse dauern lange. Wie passen die Ergeb­nisse von den bunten Flip­charts da rein? Hinter der Konfe­renz steckt auf jeden Fall viel poli­ti­sches Gewicht“, erklärt Nils Rusche von der Koor­di­nie­rungs­stelle. Die Ergeb­nisse kommen alle in eine Doku­men­ta­tion, die sowohl an die Teil­neh­menden als auch an das Minis­te­rium weiter­ge­geben wird“, ergänzt er. Danach geht es weiter mit nicht­öf­fent­li­chen Gesprä­chen, in denen auch die Refe­ren­tinnen und Refe­renten aus Berlin noch einmal zu Wort kommen können. Das ist natür­lich unbe­frie­di­gend – wenn Jugend­liche sich mit 16, 17 betei­ligen und dann viel­leicht zehn Jahre später die Verän­de­rung sehen.“

Poli­ti­sche Prozesse und die lang­samen Mühlen der Bundes­po­litik passen eben kaum zu der Energie vieler Teil­neh­mender, die ihre oft wider­sprüch­li­chen Ideen am liebsten direkt umsetzen würden. Wie viel diese Ideen wirk­lich verän­dern, hängt letzt­end­lich wieder von den Entschei­dungen Erwach­sener ab – denen, die mitdis­ku­tiert haben, die im Bundestag sitzen oder die im Minis­te­rium den Bericht von Nils Rusche lesen.

Von Isabel Pfann­kuche, Jan Batzner und Katharin Tai


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