Psycho­the­rapie als Luxusgut – Lange Warte­zeiten und wie Parteien die Lage verbes­sern wollen 

Datum
22. Februar 2025
Autor*in
Tara Yakar
Thema
#BTW2025
Unbenannt

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Wer in Deutsch­land eine Psycho­the­rapie braucht, braucht vor allem eins: Geduld – oft mehr, als die eigene psychi­sche Gesund­heit erlaubt. Während die Tele­fone der Praxen unun­ter­bro­chen klin­geln und Absagen auf Absagen folgen, scheint das Thema der psycho­the­ra­peu­ti­schen Versor­gung im aktu­ellen Wahl­kampf zwischen Migra­tion, Sicher­heit und Wirt­schaft unter­zu­gehen. Die Folgen jahre­langer Vernach­läs­si­gung zeigen sich beson­ders deut­lich in Nord­rhein-West­falen. Das Minis­te­rium für Arbeit, Gesund­heit und Soziales NRW (MAGS) klärt über die aktu­elle Lage. 

Bild: Pixabay

in Land auf der Warte­liste 

Laut MAGS hat sich die Zahl der nieder­ge­las­senen psycho­lo­gi­schen Psychotherapeut*innen deut­lich erhöht – von 3.337 im Jahr 2015 auf 5.645 im Jahr 2024. Doch trotz dieses Anstiegs bleibt die durch­schnitt­liche Warte­zeit auf einen Thera­pie­platz bei fünf Monaten. Nach Berech­nungen der Psycho­the­ra­peu­ten­kammer fehlen allein in Nord­rhein-West­falen rund 1.600 psycho­the­ra­peu­ti­sche Praxen, um die Warte­zeit auf ein ange­mes­senes Maß zu redu­zieren. 

Die Erhö­hung der Anzahl der Psychotherapeut*innen ist zwar ein Schritt in die rich­tige Rich­tung – aber längst nicht genug. Die Reform der Psycho­the­ra­peu­ten­aus­bil­dung von 2020 sollte struk­tu­relle Verbes­se­rungen bringen, doch in der Praxis bleibt das Kern­pro­blem bestehen: Nicht genug Kassen­sitze bedeuten zu wenig Thera­pie­plätze für gesetz­lich Versi­cherte. 

Das Problem mit den Kassen­sitzen 

Um gesetz­lich Versi­cherte behan­deln zu dürfen, benö­tigen Psycho­the­ra­peu­tinnen einen Kassen­sitz – eine knappe und teure Ressource. Die Kosten für einen Kassen­sitz können bis zu 100.000 Euro betragen, was viele Thera­peu­tinnen abschreckt und dazu führt, dass sie sich statt­dessen auf Privat­ver­si­cherte konzen­trieren. 

Das MAGS erklärt dazu: 

Die Anzahl der Kassen­sitze richtet sich nach der Bedarfs­pla­nung auf Bundes­ebene (Bedarfs­pla­nungs-Richt­linie des Gemein­samen Bundes­aus­schusses). Dort ist mit bestimmten Verhält­nis­zahlen fest­ge­legt, wie viele Behandlerinnen pro Einwohnerin erfor­der­lich sind. Auf dieser Grund­lage legen zwei Landes­aus­schüsse in NRW die Nieder­las­sungs­mög­lich­keiten fest. Die Sicher­stel­lung der Versor­gung ist Aufgabe der Kassen­ärzt­li­chen Verei­ni­gungen.“ 

Die Reform der Ausbil­dung von 2020 – ein Teufels­kreis? 

Die Reform von 2020 setzte aller­dings nicht an der Bedarfs­pla­nung an. Sie regelte ledig­lich, dass die Psychotherapeut*innen- Weiter­bil­dung besser vergütet werden muss. Das Problem: Zukünftig werden Ausbil­dungs­plätze wegfallen, da Kliniken und Ausbil­dungs­in­sti­tute diese bislang nur anbieten konnten, da die Kosten von den ange­henden Psychotherapeut*innen selbst getragen wurden. 

Das MAGS merkt dazu folgendes an: Für das Aus- und Weiter­bil­dungs­system nach der Ausbil­dungs­re­form in 2020 fehlt hierfür aller­dings bislang die recht­liche Grund­lage. Diese muss durch den Bundes­ge­setz­geber geschaffen werden. Das MAGS setzt sich daher gemeinsam mit den anderen Ländern bereits seit langem verstärkt für die Schaf­fung dieser drin­gend erfor­der­li­chen Rechts­grund­lagen ein.“ 

Wie Parteien das Problem lösen wollen 

CDU/CSU: Die Versor­gung psychi­scher Erkran­kungen sowohl im ambu­lanten als auch im statio­nären Bereich soll gezielt an den tatsäch­li­chen Bedarf ange­passt werden – mit beson­derem Fokus auf Kinder und Jugend­liche. 

AfD: Die AfD will die Teil­le­ga­li­sie­rung von Cannabis rück­gängig machen, da sie nach ihrer Ansicht Intel­li­genz verrin­gere und gesund­heit­liche sowie seeli­sche Schäden verur­sache. Um Drogen­kranke“ zur Absti­nenz zu ermu­tigen, soll die sucht-psych­ia­tri­sche Versor­gung ausge­baut werden. 

SPD: Es soll eine Termin­ga­rantie und ein soli­da­ri­sches Finan­zie­rungs­mo­dell geben. Warte­zeiten und Behand­lungs­mög­lich­keiten zwischen privat und gesetz­lich Versi­cherten sollen besei­tigt werden. Der Finanz­aus­gleich zwischen Kran­ken­kassen soll fairer gestaltet werden, wobei auch private Versi­che­rungen beitragen sollen. 

Bündnis 90/​Die GRÜNEN: Die Bedarfs­pla­nung soll moder­ni­siert werden, beson­ders für Kinder und Jugend­liche. Außerdem soll die Weiter­bil­dung von Psychotherapeut*innen ange­messen finan­ziert werden und sektor­über­grei­fende psych­ia­tri­sche Versor­gung soll verstärkt werden. 

Die LINKE: Die Bedarfs­pla­nung für Kassen­sitze soll den realen Bedarf wider­spie­geln. Ausbil­dungs­kosten für Psychotherapeut*innen sollen gede­ckelt, ihr Beschäf­ti­gungs­status tarif­lich gere­gelt und die Finan­zie­rung der Weiter­bil­dung gesetz­lich gesi­chert werden. 

BSW: Die Bedarfs­pla­nung für Kassen­sitze soll an den realen Bedarf ange­passt werden. Ausbil­dungs­kosten für Psychotherapeut*innen sollen gede­ckelt, deren Beschäf­ti­gungs­status tarif­lich gere­gelt und die Ausbil­dungs­fi­nan­zie­rung gesetz­lich fest­ge­legt werden. Beson­derer Fokus liegt auf der Versor­gung von Kindern und Jugend­li­chen. 

FDP: Die psycho­the­ra­peu­ti­sche Versor­gung soll durch digi­tale Ange­bote, die Verkür­zung der Warte­zeiten und den Ausbau der Thera­pie­plätze verbes­sert werden. Die Ausbil­dung der Psychotherapeut*innen soll weiter­ent­wi­ckelt und schul­psy­cho­lo­gi­sche Ange­bote sollen ausge­baut werden, um den Zugang zur Versor­gung zu erleich­tern. 

Die Bundes­tags­wahl 2025 wird zeigen, ob und wie sich die psycho­the­ra­peu­ti­sche Versor­gung in Deutsch­land verbes­sern wird: Ohne tief­grei­fende Reformen wird Psycho­the­rapie für viele weiterhin ein Luxus bleiben, den sie sich weder finan­ziell noch zeit­lich leisten können. 


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