Mit dem Finger zeigen können viele“

Datum
26. Juni 2015
Autor*in
Vanessa Reiber
Thema
#ZukunftsTour 2016
Sarah-Karski_Peer-Stumpenhusen_Vanessa-Reiber_1

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Sarah Karski und Peer Stum­pen­husen enga­gieren sich bei UNICEF. Vanessa Reiber traf sie auf der Zukunfts­Tour in Bremen und sprach mit ihnen über ihren Einsatz gegen Kinder­ar­beit.

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Nicht nur bei der ZukunfsTour aktiv: Sarah Karski und Peer Stumpenhusen engagieren sich in Bremen bei UNICEF (Foto: Vanessa Reiber)

Ihr macht euch hier bei der Zukunfts­Tour für Kinder­rechte stark. Wie kam es dazu?

Sarah: Ich studiere seit 2013 Touris­mus­ma­nage­ment und wir durften im ersten Semester eine Haus­ar­beit über irgendwas, worauf wir Lust hatten, schreiben. Ich bin auf das Thema Sextou­rismus und die kommer­zi­elle sexu­elle Ausbeu­tung von Kindern gestoßen. Dieses Thema – fernab von Uni, Sport und was man sonst so erlebt – hat mich seitdem nicht mehr losge­lassen.

Jeder von uns war mal Kind und da kann man sich ja vorstellen, was diese Kinder durch­ma­chen. Mich hat vor allem scho­ckiert, dass dieses Thema von der kommer­zi­ellen sexu­ellen Ausbeu­tung überall ist. Es ist nicht nur fernab in Asien, wo man sich das immer denkt. Man muss darüber aufklären – das ist vor allem die Aufgabe, die wir beide UNICEF in Bremen über­nehmen. Wir gehen in Schulen und infor­mieren. Es macht Spaß, so neben dem Unialltag, was anderes, was Gutes zu machen.

Peer: Während der Ober­stufe habe ich ange­fangen, die Dinge zu hinter­fragen und begonnen, Dinge wie das Wirt­schafts­system zu verstehen. Irgend­wann bin ich dann auf Kinder­ar­beit aufmerksam geworden. Es ist nicht alles so toll, wie es aussieht. Mit dem Finger zeigen können viele, aber eigent­lich muss man sich selber fragen: Was ist eigent­lich mit mir? Da habe ich mir gedacht: Ich müsste eigent­lich selber mal was machen, bei mir liegt auch Verant­wor­tung.

Kinder­ar­beit – das ist ja so weit weg von hier.“ Was denkt ihr, wenn ihr Aussagen wie diese hört?

Peer: Ich finde das total schade, wenn Leute die Aussage machen, dass sie Kinder­ar­beit nichts angehe. Die Welt ist nicht so einfach, dass man sagen kann: Ich habe hier meine kleine heile Welt und könnte ja eh nichts gegen die Probleme der anderen tun. Das entspricht nicht der Wahr­heit, man kann auf jeden Fall etwas machen. Solche Sätze sind eine schlechte Entschul­di­gung dafür, nichts zu tun.

Sarah: Sich zu verschließen, das ist ein sehr einfa­cher Weg. Ich glaube aber, dass spätes­tens dann, wenn Menschen anfangen zu reisen, der Punkt kommt, wo sie sich nicht mehr verschließen können. Auf ihren Reisen sehen sie, in welchen Ländern Armut herrscht. Da die Kinder auch auf den Straßen arbeiten, ist es schwer, ihre Situa­tion auszu­blenden.

Welt­weit arbeiten etwa 150 Millionen Kinder zwischen fünf und 14 Jahren. Wo liegen die Ursa­chen von Kinder­ar­beit?

Sarah: Für mich sind die drei Haupt­fak­toren Armut, Tradi­tion und fehlende Bildung. Diese sind eng mitein­ander verknüpft. Armut zwingt Eltern, ihre Kinder arbeiten zu lassen. Sie haben kein Geld, das sie in die Schul­bil­dung ihrer Kinder inves­tieren können. Und die Kinder haben ja auch keine Zeit, weil sie Geld verdienen müssen. Oft arbeiten Kinder schon seit Gene­ra­tionen. Das heißt, dass die Menschen das gar nicht anders kennen und in Frage stellen.

Peer: Auch der Kapi­ta­lismus trägt stark zum Problem Kinder­ar­beit bei. Kapi­ta­lismus heißt, es muss immer Wachstum geben. Die Indus­trie­länder wollen immer güns­tiger, immer mehr produ­zieren. Solange es billiger geht, ist der Preis, den andere – in diesem Fall Kinder – tragen, oft egal.

Was ist für euch das Schlimmste an Kinder­ar­beit?

Peer: Das krasse Problem auf der Welt ist das, was ich Gebur­ten­glück nenne. Wo man geboren ist, bestimmt darüber, was man werden kann und wird. Kinder aus Indus­trie­staaten werden viel­leicht 80 Jahre alt und führen ein glück­li­ches Leben. Wer in einem Entwick­lungs­land geboren ist, fängt mit fünf Jahren an zu arbeiten und hört mit 30 auf, weil er nicht mehr arbeiten kann. Die nächste Gene­ra­tion ist eine Alters­vor­sorge und muss arbeiten, damit die Familie über­lebt. Das ist ein ewiger Kreis­lauf.

Sarah: Ich finde, das Schlimmste an Kinder­ar­beit ist, dass Kinder eigent­lich keine Kinder mehr sein können. Jeder von uns hatte, ob jetzt schön oder nicht schön, eine Kind­heit, in der er Kind war und spielen konnte. Für mich ist wichtig, dass Kinder Kinder sein können, dass die Kinder­rechte überall durch­ge­setzt werden

Was tut ihr bei UNICEF gegen Kinder­ar­beit?

Peer: UNICEF betreibt viel Präven­tions- und Infor­ma­ti­ons­ar­beit gegen Kinder­ar­beit. Ich finde es super, dass wir so inter­na­tional sind: Sarah und ich sind hier in Bremen und versu­chen über Kinder­ar­beit aufzu­klären. Genauso versucht UNICEF, den Eltern von arbei­tenden Kindern und auch den Regie­rungen zu verdeut­li­chen, dass Kinder­ar­beit schreck­lich ist. Außerdem werden Schulen gebaut, die die Kinder besu­chen können, ohne etwas dafür zu bezahlen.

Sarah: Bei der Arbeit in den betrof­fenen Ländern ist es wichtig, zu kommu­ni­zieren, dass die Menschen aus der west­li­chen Welt nicht alles verän­dern wollen und die anderen Kulturen zu akzep­tieren.

Sarah Karski, 22, studiert Touris­mus­ma­nage­ment an der Hoch­schule Bremen ist seit Februar 2015 bei UNICEF aktiv. Peer Stum­pen­husen, 24, studiert Sozio­logie an der Univer­sität Bremen. Seit zwei­ein­halb Jahren enga­giert er sich bei UNICEF.


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