Jünger, schneller, agiler werden

Datum
29. Oktober 2015
Autor*in
Philipp Neudert
Thema
#ZukunftsTour 2016
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Mode­riert vom TV-Meteo­ro­logen Sven Plöger disku­tierten Staats­se­kretär Thomas Silber­horn, Landes­mi­nister Peter Fried­rich und Prof. Dr. Liebig in der Poli­ti­k­arena über die Heraus­for­de­rungen des Klima­wan­dels.

Für 200 Menschen war die Poli­ti­k­arena bestuhlt. Schät­zungs­weise 500 wollten zuschauen. Der TV-Meter­eo­loge Sven Plöger, der die Veran­stal­tung mode­rierte, bat darum, der Diskus­sion auf in benach­barten Räumen ange­brachten Moni­toren zu verfolgen. Lobend erwähnte er, dass so viele junge Menschen anwe­send waren, denn die zwei Grad Celsius, um die sich die Erde in den kommenden Jahr­zehnten wohl erwärmen werde, würde vor allem die jüngere Gene­ra­tion betreffen. Vor der eigent­li­chen Diskus­sion rief er die bekannte, aber gern verdrängte Proble­matik des Klima­wan­dels und die sich daraus erge­benden extremen Wetter­ereig­nisse ins Gedächtnis, die Fluten, Stürme und langen Dürren. Der fiktive Wetter­be­richt für den 7. August 2050 fiel düster aus. Der schwä­chelnde Jetstream wird dafür sorgen, dass Hoch- und Tief­druck­ge­biete lange Zeit nicht weiter­ziehen, sodass extreme Hitze, Kälte oder Regen für lange Zeit an einem Ort stehen­bleiben werden. Wenn man das verhin­dern wolle, käme es verstärkt auf den Einzelnen an, betonte Plöger und zog Paral­lelen zu den fried­li­chen Protesten in der DDR. Zwar habe auch die Natur ihren Anteil an der Erder­wär­mung, aber der Mensch beschleu­nige die Verän­de­rung massiv. Was genau man dagegen tun könne, darüber solle die Zukunfts­tour infor­mieren, dazu seien auch Diskus­sionen wie Poli­ti­k­arena da.

Neue Planeten suchen?

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17 Ziele für nachhaltige Entwicklung. Hier nachzulesen: Foto: Philipp Neudert.

Thomas Silber­horn, parla­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär im Bundes­mi­nis­te­rium für wirt­schaft­liche Zusam­men­ar­beit und Entwick­lung (BMZ) begann seine Rede mit einem Verweis auf den Astro­phy­siker Stephen Hawkins. Dieser sei der Meinung, die Mensch­heit müsse andere Planeten besie­deln, denn auf der Erde sei die Belas­tungs­grenze bereits über­schritten. Er, Silber­horn, müsse sich als Poli­tiker jedoch auf die Erde und die hiesigen Probleme konzen­trieren. Wichtig sei es, von der theo­re­ti­schen Erkenntnis zur Aktion über­zu­gehen. Und solche gebe es schon. Die Agenda 2030 der UN beinhaltet unter anderem den Kampf gegen den Klima­wandel, für den die Welt­ge­mein­schaft 100 Milli­arden Dollar bis zum Jahr 2020 aufbringen will. Die Zukunfts­charta des BMZ ist ein Doku­ment, das ähnliche Ziele formu­liert, unter anderem die Erhal­tung der natür­li­chen Lebens­grund­lage durch nach­hal­tige Bewirt­schaf­tung. Für die UN-Klima­kon­fe­renz in Paris sei man verhalten opti­mis­tisch, die fran­zö­si­sche Diplo­matie gehöre schließ­lich zu den besten der Welt. Wenn China umschwenke, was aufgrund der massiven Umwelt­ver­schmut­zung im diesem Land heute wahr­schein­li­cher sei als noch vor einigen Jahren, könne in Zusam­men­ar­beit mit Obama gegen Ende von dessen Präsi­dent­schaft ein Konsens erreicht werden. Was ein Schei­tern der Welt­ge­mein­schaft bedeuten würde, verschwieg Silber­horn nicht: Ein Anstieg des Meeres­spie­gels um einen Meter würde in Bangla­desch schon 15 Millionen Menschen heimatlos machen. Mit 150 bis 300 Millionen Klima­flücht­lingen welt­weit habe man bei einer Erwär­mung um zwei Grad zu rechnen. Ein Problem sei unsere alternde Gesell­schaft, die satt und langsam geworden sei. Man müsse jünger, schneller und agiler werden. Das junge Publikum fühlte sich geschmei­chelt.

Erdbe­ob­ach­tung per Satellit

Wie Silber­horn bezog sich Prof. Dr. Volker Liebig, der als Direktor für Erdbe­ob­ach­tung bei der Euro­pean Space Agency ESA tätig ist, am Anfang seines Vortrages auf Hawkins. Und wie Silber­horn hielt er Welt­raum­be­sie­de­lung nicht für die beste Lösung, gestand jedoch ein, dass die Verletz­lich­keit der Mensch­heit durch den Klima­wandel ständig wächst. Sein Vortrag handelte von der Erdbe­ob­ach­tung mittels Satel­liten, die inzwi­schen große Möglich­keit bietet, beispiels­weise das Abschmelzen von Glet­schern genau zu doku­men­tieren oder Flücht­lings­zelte aus dem Weltall zu zählen. Der Beitrag der Erdbe­ob­ach­tung gegen den Klima­wandel sind die wissen­schaft­liche Fakten und statis­ti­sche Daten, die sie liefert.

Wie die gemein­samen Ziele errei­chen?

Im Anschluss hatten die Redner Gele­gen­heit, mitein­ander zu disku­tieren. Zu Plögers Eröff­nungs­frage, wo sie unsere Welt in dreißig Jahren sehen, fielen ihnen natür­lich die abschmel­zenden Polkappen, der stei­gende Meeres­spiegel und die extre­meren Wetter­ereig­nisse ein. Liebig wies auf die Probleme der Modell­rech­nung hin. Keine Prognose sei völlig gesi­chert. Indes herrschte Skepsis, was das Ziel von zwei Grad Celsius Erwär­mung angeht, es werden wohl eher mehr werden. Den Leugner*innen des Klima­wan­dels hielt Silber­horn die realen Auswir­kungen entgegen. Von Anfang an herrschte in der Diskus­sion Einig­keit, dass sich etwas ändern muss. Aber wie man diese Ände­rung errei­chen soll, das blieb die große Frage, deren befrie­di­gende Antwort noch gefunden werden muss. Auch die Agenda 2030 und die Zukunfts­charta formu­lieren letzt­end­lich nur Ziele, ohne konkrete Stra­te­gien aufzu­zeigen. Ein nach­hal­tiger Lebens­stil ist jeden­falls ein wich­tiger Schritt. Peter Fried­rich, baden-würt­tem­ber­gi­scher Minister für Bundesrat, Europa und inter­na­tio­nale Ange­le­gen­heiten, hielt diesen Lebens­stil auch für den ange­neh­meren, weil Verbraucher*innen ihr Gewissen nicht belasten müssen. Auch ökono­misch sei eine Unab­hän­gig­keit von fossilen Brenn­stoffen sinn­voll, so Fried­rich.

Keine bahn­bre­chenden neuen Ideen

Gegen Ende der Diskus­sion bekamen noch einige gela­dene Gäste aus Baden-Würt­em­berg Gele­gen­heit, ihre Thesen und Projekte vorzu­stellen. So wurde man über Smar­thomes ins Bild gesetzt. Das bedeutet, dass beispiels­weise die Heizung über das Smart­phone an- und abge­schaltet werden kann. Auch Projekte wie Bewegen statt Daddeln“ oder Tausche neuen Schrott gegen alte Werte“ zu wurden vorge­stellt. Und der Bau von Shop­ping­smalls in Stutt­gart wurde kriti­siert. So war die Chance, ursäch­liche Lösungen für das weite Problem­feld zu disku­tieren oder zumin­dest zu skiz­zieren, vertan. Das Gespräch fuhr sich an der Frage fest, wie viele Primarks es in Stutt­gart gibt und welche alter­na­tiven Einkaufs­mög­lich­keiten. Letzt­end­lich konnte man aus den Reden anre­gende Details mitnehmen. Wich­tige Zusam­men­hänge wie der zwischen der Klima­er­wär­mung und dem stei­genden Meeres­spiegel wurden deut­lich gemacht. Konkrete und ursäch­liche Lösungs­an­sätze konnten aber nicht präsen­tiert werden. Die Zeit ging zu schnell vorbei.


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