Ich kann auch ohne – ein Selbst­ver­such

Datum
04. Juni 2015
Autor*in
Dominik Glandorf
Thema
#JMWS15
Ichkannauchohne_Dominik-Glandorf_1

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Digi­tale Welt – ein großes Thema, ein noch größerer Siegeszug. Hier ein Klin­gelton, dort ein leuch­tender Bild­schirm. Und ich bin mitten­drin.

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Einfach mal abschalten? Oder doch noch ein Bild bei Instagram hochladen? (Foto: Dominik Glandorf)

Meine Gene­ra­tion kennt es schon gar nicht mehr anders. Smart­phones und Note­books werden intuitiv bedient. Somit steht häufig die Frage im Raum: Geht es noch ohne digi­tale Medien? Analog? Oldschool? Wer hat denn noch nicht behauptet: Natür­lich könnte ich auch ohne!“ Um am eigenen Leib zu erfahren, wie tief meine digi­talen Wurzeln reichen und wie naiv Gene­ra­tion Y auf ihre Technik vertraut, verzichte ich auf Handy und Laptop. 24 Stunden, die kurz klingen, aber digital ein Schwer­ge­wicht sind.

Um Mitter­nacht beginnt das Expe­ri­ment. Den letzten Ton vorm Einschlafen gibt heute nicht mein Handy beim Ausschalten, sondern ein Buch­de­ckel von sich. Am Früh­stücks­tisch sind meine Augen nicht an hoch­ak­tu­elle News, die neuesten Status­mel­dungen meiner Freunde und Bilder ihrer Aktionen gefes­selt, sondern wandern von der Tages­zei­tung in die sonnen­be­schie­nene Natur. Dass die Nach­richten auf dem Papier genau genommen von gestern sind, stört mich bei dem Anblick nicht. Mein Schreib­tisch bietet zwar herr­lich viel Platz ohne Technik, jedoch vermisse ich beim Lernen fürs Abitur durchaus den schnellen Zugriff auf engli­sche Voka­beln, physi­ka­li­sche Formeln und komplexe Graphen. Blät­tern ersetzt wieder das Klicken. Entschleu­ni­gung.

Der Entschleu­ni­gung begegnet Entspan­nung. Es stört mich niemand aus der virtu­ellen Welt, wenn ich es nicht will. Im Gegenzug erreiche aber auch ich andere deut­lich schlechter. Wie viele Tele­fon­num­mern kenne ich auswendig? Zwei. Der Rest ist digital gespei­chert. Umso mehr freut mich schließ­lich der Anruf, mit dem meine Abend­pla­nung beschlossen wird. Bei unserem Foto-Trip berichten meine Freunde der Außen­welt, während ich den Moment genieße. Fokus­sie­rung.

Ich kann auch nicht immer ohne

Ohne die Ablen­kung durch die mobilen Begleiter werden die Unter­hal­tungen inten­siver. Denn neben Benach­rich­ti­gungen fällt auch das selbst­ge­machte Übel der medialen Unter­hal­tung weg. Keine süchtig machenden Apps oder sinn­losen Face­book-Videos rauben mir die Zeit. Inten­si­vie­rung.

Das digi­tale Eremiten-Leben stößt leider schnell an seine Grenzen. Manch wich­tige Info lässt sich nur noch über das Internet erhalten. Tele­fon­ketten sind out. Meinen Nebenjob übe ich gänz­lich vorm Bild­schirm aus. Und die Pflege sozialer Kontakte wird durch Smart­phones erleich­tert. Reali­sie­rung.

Fazit: Eine digi­tale Auszeit ist nicht nur gut möglich, sondern jedem nur zu empfehlen. Ob es wenige Stunden, ein paar Tage oder sogar Wochen sind, ist dir dabei selbst über­lassen. Aber am Ende bleibt das Gefühl: Ich bin Herr über meine Vernet­zung und nicht die Vernet­zung über mich.

Frei­heit.


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