Frei­heit messen – Geht das?

Datum
01. Juli 2016
Autor*in
Marie Illner
Thema
#ZukunftsTour 2016
Flickr / Stefanie Eisenschenk - Reporter ohne Grenzen. CC BY 2.0

Flickr / Stefanie Eisenschenk - Reporter ohne Grenzen. CC BY 2.0

Medienfreiheit ist keine Selbstverständlichkeit

CC BY 2.0 via flickr/jeffdjevdet

Meist komplizierter als Scrabble: Die Freiheit der Presse (Foto: Jeff Djevdet , flickr.com/ CC BY 2.0)

Jähr­lich bewerten Orga­ni­sa­tionen wie Reporter ohne Grenzen‘ oder Freedom House‘ die Medi­en­frei­heit welt­weit. Marie Illner hat mit Chris­tian Gramsch, dem Direktor der Deut­sche Welle Akademie und seiner Kollegin Vanessa Völkel auf der Zukunfts­tour gespro­chen – über Medi­en­frei­heit, Entwick­lungs­po­litik und Meinungs­äu­ße­rung. 

Frei­heit messen, das klingt zunächst einmal wider­sprüch­lich. Wie gehen die einzelnen Orga­ni­sa­tionen vor?

Völkel: Reporter ohne Grenzen, Freedom House, IREX, UNESCO und die Fried­rich-Ebert-Stif­tung erstellen regel­mäßig inter­na­tio­nale Vergleiche zur Medi­en­frei­heit. Dabei haben alle Orga­ni­sa­tionen unter­schied­liche Metho­do­lo­gien und konzep­tu­elle Hinter­gründe. Manche defi­nieren Frei­heit mit Blick auf die Medi­en­ent­wick­lung, andere achten vermehrt auf die Medi­en­sta­bi­lität. In Journalisten‑, Menschen­rechts- und Exper­ten­ge­sprä­chen werden zum Beispiel Medi­en­viel­falt, gesetz­liche und poli­ti­sche Rahmen­be­din­gungen, Frei­heits­ver­let­zungen und Unab­hän­gig­keit hinter­fragt.“

Die Krite­rien, die Medi­en­frei­heit bemessen, sind also weit­rei­chend und dringen in die unter­schied­lichsten Lebens­sphären ein. Warum ist Medi­en­frei­heit so wichtig?

Gramsch: Freie Kommu­ni­ka­tion ist essen­tiell für die Entwick­lung frei­heit­lich- demo­kra­ti­scher Staaten. Für die freie Kommu­ni­ka­tion wiederum sind Medien von enormer Bedeu­tung. Das können die klas­si­schen Medien sein – Zeitung, Radio, Fern­sehen – aber auch alles andere, was dazu beiträgt, dass Menschen mitein­ander reden und ein Welt­bild entwi­ckeln können. Auch soziale Medien wie Face­book oder Twitter gehören also dazu.“

George Orwell hat einmal gesagt: Frei­heit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen. Welche nega­tiven Konse­quenzen folgen, wenn Medien dies nicht können?

Gramsch: Unfreie Medien bedeuten, dass die Menschen nicht über jene Infor­ma­tionen verfügen, die sie notwen­di­ger­weise benö­tigen, um vernünf­tige Entschei­dungen für sich selbst treffen zu können. Das fängt mit Fragen nach der Wohn- und Ausbil­dungs­si­tua­tion an, betrifft aber auch Fragen wie: Welche Rechte habe ich? Wie kann ich sie einfor­dern? Es treten sogar Situa­tionen auf, in denen Menschen in die Flucht getrieben werden, weil sie falsche Infor­ma­tionen bekommen. “

Die Technik verbes­sert sich stetig. Inno­va­tion folgt Inno­va­tion. Wie steht es um die Medi­en­frei­heit?

Gramsch: Leider verschlech­tert sie sich welt­weit. Die neuen Möglich­keiten der Kommu­ni­ka­tion werden auch zur propa­gan­dis­ti­schen Steue­rung und Mani­pu­la­tion von Systemen genutzt. Wenn man zu Staaten wie Russ­land schaut, dann sieht man, dass Kommu­ni­ka­tion unter­drückt und gesetz­lich mani­pu­liert wird.“

Reporter ohne Grenzen stufte Deutsch­land 2016 im Ranking um 4 Platze herab, sodass wir hinter Jamaica und Costa Rica auf Platz 16 landen. Wie steht es um die deut­sche Medi­en­frei­heit?

Gramsch: Wir spielen in der oberen Liga. Wir haben eine frei­heit­liche Verfas­sung, wir haben klare Rechte, die man auch einfor­dern kann.Unsere Medi­en­sys­teme sind frei. Im welt­weiten Vergleich schneiden wir gut ab. Dass man immer etwas verbes­sern kann, ist klar. Es lohnt sich auf die abso­lute Mehr­heit der Menschen zu schauen, die in ihren Rechten völlig beschnitten sind, das sind immerhin 6/7 . Medi­en­frei­heit ist keine Selbst­ver­ständ­lich­keit – im Gegen­teil.

Entwick­lungs­po­litik verbindet ein Groß­teil der Menschen mit Hunger- und Krank­heits­be­kämp­fung. Wie sieht Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit im Medi­en­be­reich aus?

Gramsch: Zunächst gilt es ein gutes Vorbild zu sein und mit unserer Frei­heit verant­wort­lich umzu­gehen; sie zu schützen und sinn­voll zu nutzen. Zwei­tens muss man denje­nigen helfen, die an freier Kommu­ni­ka­tion inter­es­siert sind. Gemeinsam baut die Deut­sche Welle Akademie im Auftrag der staat­li­chen Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit mit ihnen Struk­turen auf, stärkt Insti­tu­tionen und hilft entspre­chende Gesetze zu verab­schieden. Auch das jour­na­lis­ti­sche Hand­werk ist ein Element. Es ist zuneh­mend aber auch so, dass die Menschen selber zu Medien greifen, um sich zu arti­ku­lieren, Gemein­schaften zu bilden und Infor­ma­tionen auszu­tau­schen. Das geht an vielen Orten auch ohne Journalist*innen und denen helfen wir ganz genauso.

Finn­land Platz 1, Punkt­zahl 8,59, mit einer Punk­t­än­de­rung ‑1,07. Können Zahlen tatsäch­lich Frei­heit wider­spie­geln?

GramschMedi­en­frei­heit ist natür­lich mehr als das, was die Indi­ka­toren messen. Sie gehen von verfassten Medien aus und wie frei­heit­lich diese arbeiten können. Sie messen nicht die Qualität der Medien. Man muss aber auch von einzelnen Menschen aus gehen und fragen, inwie­weit sie die Möglich­keit haben sich zu infor­mieren und ihre Meinung frei zu äußern. Da sieht die Lage teil­weise noch etwas schlechter aus.

Auf der Seite der Deut­schen Welle Akademie könnt ihr inter­aktiv die Medi­en­frei­heit in der Welt verglei­chen.

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