Fakten oder Mythen – was wollen wir?

Datum
22. März 2021
Autor*in
Sabrina Wagner
Themen
#nofake 2021 #Leben

Wissen­schafts­kom­mu­ni­ka­tion braucht neue Formate. Ein Kommentar von poli­ti­ko­range-Redak­teurin Sabrina Wagner zur Wissen­schafts­ver­mitt­lung und unserem Inter­esse an Fiktion.

Dass Covid-19 eine ernst­zu­neh­mende Erkran­kung ist, bestä­tigen uns wissen­schaft­liche Erkennt­nisse. Auch sonst ermög­licht uns die Wissen­schaft das theo­rie­ge­lei­tete Erklären der Welt. Für einige Menschen ist das absolut zufrie­den­stel­lend. Gerade in der Corona-Pandemie ist aller­dings auch zu beob­achten, dass sich manche Menschen die Welt lieber mit Verschwö­rungs­my­then erklären. Klar ist, dass Verschwö­rungs­my­then keinen Ersatz zur Wissen­schaft darstellen. Dennoch stellt sich die Frage, warum gele­gent­lich Verschwö­rungs­my­then bevor­zugt werden und was sie auch für Menschen, die nicht daran glauben, inter­es­sant machen. Wissen­schaft ist kompli­ziert. Das Beispiel Corona hat gezeigt, dass die viro­lo­gi­schen Zusam­men­hänge schnell über ein Alltags­ver­ständnis hinaus­gehen, beson­ders, wenn Fach­sprache verwendet wird. Dennoch, Wörter wie Sieben-Tage-Inzi­denz werden inzwi­schen häufig auch außer­halb der Viro­logie gebraucht. Auch das Vertrauen in die Wissen­schaft scheint mehr­heit­lich vorhanden zu sein. Das zeigt zum Beispiel das Wissen­schafts­ba­ro­meter 2020, einer jähr­liche, reprä­sen­ta­tive Umfrage der Initia­tive Wissen­schaft im Dialog“ zur Einstel­lung von Bürger*innen zu Wissen­schaft und Forschung. 60 Prozent der Befragten gaben an, Wissen­schaft und Forschung eher oder voll und ganz zu vertrauen.

Faszi­nie­rende Fiktion und proble­ma­ti­sche Mythen

Schwie­riger tun wir uns damit, dass Forschung eigent­lich nie abge­schlossen ist und aktu­elle Ergeb­nisse immer wieder über­holt werden. Bis erste Forschungs­er­geb­nisse vorliegen, kann es auch mal eine längere Zeit dauern. Nicht ohne Grund benö­tigen Doktor­ar­beiten mehrere Jahre. Außerdem kann dabei einiges schief­gehen. Man kann sich irren. Wissen­schaft ist das stän­dige Über­prüfen und Über­ar­beiten eines aktu­ellen Standes. Genau dieser Punkt könnte es sein, den einige Menschen nicht akzep­tieren wollen. Verschwö­rungs­my­then machen es sich leicht. Sie erzählen verein­fa­chend. Für alles gibt es einen Grund und der ist bereits bekannt. Empi­risch über­prüfbar sind sie dabei nicht, weswegen hier auch der Begriff des Mythos verwendet wird. Sicher, harm­lose Fiktion begegnet uns im Alltag oft. In Büchern, Serien, Filmen werden häufig unrea­lis­ti­sche Hand­lungen und Zusam­men­hänge abge­bildet. Unser Inter­esse an diesen Medien senkt das nicht. Es ist zu vermuten, dass viele Menschen sich auch mit Verschwö­rungs­my­then wie beispiels­weise der von der insze­nierten Mond­lan­dung aus Inter­esse und Faszi­na­tion beschäf­tigen. Während Theo­rien die Realität fassen, erzählen Mythen Fiktion. Trotzdem können wir beides wollen. Mit Verschwö­rungs­my­then gehen aller­dings oftmals anti­se­mi­ti­sche Vorstel­lungen und andere menschen­ver­ach­tende Ideo­lo­gien einher. Deshalb stellen sie nicht nur keine Alter­na­tive zur Wissen­schaft dar, sondern ihre Rezep­tion und Verbrei­tung zu Unter­hal­tungs­zwe­cken ist grund­sätz­lich abzu­lehnen.

Neue Medien als Chance

Für die Wissen­schaft bedeutet das, dass neben den Erkennt­nissen auch präsenter kommu­ni­ziert werden muss, wie Wissen­schaft eigent­lich funk­tio­niert. Ein authen­ti­sches mediales Auftreten macht die Wissenschaftler*innen dabei nahbar. Gerade für junge Wissenschaftler*innen können soziale Medien eine Möglich­keit für direktes Feed­back und mehr Akzep­tanz seitens der nicht-wissen­schaft­li­chen Öffent­lich­keit sein. Dass das erfolg­reich funk­tio­niert, zeigen beispiels­weise die inzwi­schen 79 Folgen des NDR Info-Podcasts Coro­na­virus-Update“ mit Chris­tian Drosten und Sandra Ciesek als Gäst*innen. Die Wissen­schafts­jour­na­listin und Chemi­kerin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt auf ihrem YouTube-Kanal maiLab“ inzwi­schen 1,2 Millionen Abonnent*innen regel­mäßig Ergeb­nisse wissen­schaft­li­cher Studien oder klärt Mythen auf. Dabei darf nicht vergessen werden, dass mediale Aufmerk­sam­keit auch nega­tive Reak­tionen bis hin zur Bedro­hung der eigenen Person oder der Familie bedeuten kann. Beglei­tenden Leit­fäden und Richt­li­nien für die Wissen­schafts­kom­mu­ni­ka­tion, Medi­en­ko­ope­ra­tionen oder Wett­be­werben können dabei unter­stützen, die gegen­wär­tige Wissen­schafts­kom­mu­ni­ka­tion voran­zu­treiben.


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Anna Kauf