Einer starken Heimat­be­we­gung gelingt es, sich klar abzu­grenzen von rechts­ge­sinnten Strö­mungen!“ – Staats­se­kretär Vogel im Inter­view

Datum
15. Oktober 2020
Autor*in
Dijana K.
Themen
#heimatkongress 2020 #Politik
Volkmar Vogel

Volkmar Vogel

Volkmar Vogel lächelt in die Kamera. Foto: privat

Volkmar Vogel ist parla­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär beim Bundes­mi­nister des Innern, für Bau und Heimat, kurz: BMI. Im Nach­gang des Bundes­kon­gresses 2020 des Bundes Heimat und Umwelt (BHU) hat poli­ti­ko­range-Redak­teurin Dijana ein schrift­li­ches Inter­view mit Herrn Vogel geführt.

Frage: Was verstehen Sie unter der Heimat­be­we­gung“, wie es der BHU auf seiner seiner Website schreibt?

Seine Antwort: Unter Heimat­be­we­gung verstehe ich alle Menschen, die sich für Heimat einsetzen, gleich ob es ein Einsatz für Kultur­land­schaften, Baukultur, imma­te­ri­elles Kultur­erbe, für Regio­nal­ge­schichte oder Spra­chen und Dialekte ist. Das Beson­dere am Heimat­en­ga­ge­ment ist, dass es inter­dis­zi­plinär, viel­seitig und inter­na­tional ist. Es ist mir ein wich­tiges Anliegen, dass Bürge­rinnen und Bürger sich enga­gieren und ihre Heimat mitge­stalten wollen.

Die Heimat­ver­bände spielen hier eine wich­tige Rolle. Sie sind fach­lich gut aufge­stellt und unter­stützen und vernetzen Enga­gierte zugleich auch durch ihre breite Veran­ke­rung in der Gesell­schaft. Daher unter­stützt das Bundes­mi­nis­te­rium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) die Heimat­be­we­gung insti­tu­tio­nell.

Die Heimat­po­litik der Bundes­re­gie­rung insge­samt geht aber weit darüber hinaus. Mit der im BMI etablierten Abtei­lung Heimat verfolgt sie das Ziel, den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt in Deutsch­land zu erhalten. Das gelingt in erster Linie durch eine neue und aktive Struk­tur­po­litik, in dem wir überall gleich­wer­tige Lebens­ver­hält­nisse schaffen und die Lebens­qua­lität der Menschen in ganz Deutsch­land verbes­sern. Dazu gehört, die ökono­mi­schen Entwick­lungs­chancen struk­tur­schwa­cher Regionen zu stärken, zum Beispiel durch Schaf­fung neuer Arbeits­plätze in struk­tur­schwa­chen Regionen oder durch die Teil­habe an kultu­rellen Akti­vi­täten vor Ort.

Einer starken Heimat­be­we­gung gelingt es auch, sich klar abzu­grenzen von rechts­ge­sinnten Strö­mungen, die häufig eben­falls das Wort Heimat“ für sich bean­spru­chen. Die Heimat­be­we­gung, für die wir und der BHU stehen, versteht Heimat als Einla­dung für alle in Deutsch­land lebenden Menschen. Über die Abtei­lung Heimat hat das BMI eine breite, positiv geprägte Diskus­sion über Heimat“ in Gang gesetzt und einen neuen poli­ti­schen Umgang mit Heimat erreicht.

Welche gesamt­ge­sell­schaft­liche Bedeu­tung schreiben Sie Heimat­ver­bänden und dem Bundes­kon­gress zu?

Die Heimat­ver­bände sind gesamt­ge­sell­schaft­lich rele­vant, weil sie viele verschie­dene Menschen zusam­men­bringen. Durch den inter­dis­zi­pli­nären und inter­na­tio­nalen Fokus auf die verschie­denen Spiel­arten des kultu­rellen Erbes decken sie ein breites Spek­trum ab, statt Spar­ten­ver­bände zu sein. Gerade abseits der großen Städte, im länd­li­chen Raum ist diese Art von Vereins­leben wichtig und eine tragende Säule für gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt und Enga­ge­ment. Der BHU vertritt zusammen mit seinen Landes­ver­bänden über eine halbe Million Mitglieder.

Der Bundes­kon­gress ist eine Fach­ver­an­stal­tung für Verbände und Insti­tu­tionen rund um das Thema Heimat. Hier werden Ideen und Entwick­lungen ausge­tauscht und disku­tiert, die anschlie­ßend in die konkrete Arbeit der Landes­ver­bände einfließen.

Was tun Sie und Ihre Partei dafür, um die Kommu­ni­ka­tion zwischen Deut­schen und geflüch­teten Personen zu stärken?

Ein wich­tiger Aspekt ist, bei der einhei­mi­schen Bevöl­ke­rung das Bewusst­sein zu wecken, dass Migra­tion kein neu aufge­tre­tenes aktu­elles Thema ist, sondern ein im laufe der Zeit immer wieder­keh­rendes Phänomen.

Frühere Migranten sind heute oftmals ein selbst­ver­ständ­li­cher Teil der Gesell­schaft, in ihrer neuen Heimat veran­kert und enga­giert.

Die Iden­tität Europas beruht auf kultu­rellem Austausch und gegen­sei­tiger Beein­flus­sung über Grenzen hinweg. Ziel der Heimat­po­litik ist daher auch die Neube­le­bung und ‑veror­tung einer gemein­samen Iden­tität und eines belast­baren Werte­fun­da­ments, das uns verbindet. Unsere Heimat­po­litik richtet sich an Einhei­mi­sche ebenso wie an Zuwan­derer aller Einwan­de­rer­ge­nera­tionen und Herkunfts­länder. Heimat­po­litik ist als gemein­same Gestal­tungs­auf­gabe aller gesell­schaft­li­chen Gruppen zu verstehen. Heimat grenzt nicht aus, sondern schließt alle mit ein.

Wie kann Deutsch­land (und die EU) den Menschen helfen, die ihren Herkunftsort verlassen mussten, eine neue Heimat in Deutschland/​Europa zu finden? Welche Rolle schreiben Sie Deutsch­land dabei zu?

Die Reform der euro­päi­schen Migra­tions- und Asyl­po­litik ist ein wich­tiger Schwer­punkt der deut­schen EU Rats­prä­si­dent­schaft 2020. Denn spätes­tens seit dem Flücht­lings­strom 2015/2016 ist die Inte­gra­ti­ons­po­litik ein zentrales Hand­lungs­feld in Deutsch­land.

Jeder und jede Zuge­wan­derte tragen durch ihr eigenes Enga­ge­ment zu einem gelin­genden Ankommen bei. Deswegen setzt die deut­sche Inte­gra­ti­ons­po­litik auch auf den Grund­satz des Förderns und Forderns.

Im Bereich des BMI werden insbe­son­dere die Maßnahmen sozialer Inte­gra­tion verant­wortet, unter denen an aller vorderster Stelle die Inte­gra­ti­ons­kurse zu nennen sind, die neben der Sprache auch Orien­tie­rung und Werte­ver­mitt­lung beinhalten. Daneben werden aber auch eine Reihe Inte­gra­ti­ons­pro­jekte geför­dert, die Zuge­wan­derten das Ankommen und die Inte­gra­tion erleich­tern sollen.Beispielsweise wird seit nunmehr mehr als 30 Jahren das Programm Inte­gra­tion durch Sport“ geför­dert. Dann gibt es mitt­ler­weile seit fast 15 Jahren die gemein­we­sen­ori­en­tierten Projekte, die Zuge­wan­derten wie auch der Aufnah­me­be­völ­ke­rung als Begeg­nungs­stätte dienen und so die gegen­sei­tige Akzep­tanz und den gesell­schaft­li­chen Zusam­men­halt stärken. Diese sollen in nächster Zukunft auch zu einem größeren Programm aufge­stockt werden.“

In Ihrem Gruß­wort beim Bundes­kon­gress 2020 spre­chen sie an, dass es wichtig sei, Teil­habe auch in der jüngeren Gene­ra­tion zu fördern. Haben Sie dahin­ge­hend konkrete Vorstel­lungen, wie man dies umsetzen kann?

Wichtig ist, Ange­bote zu machen, die zur Lebens­rea­lität der Menschen passen. Die Themen der Heimat­be­we­gung bleiben aktuell, aber wir beob­achten überall, dass Enga­ge­ment sich verän­dert – es entstehen neue Formen des Enga­ge­ments und der Vernet­zung unter­ein­ander. Wenn Menschen – etwa für Studium und Ausbil­dung – ihren Heimatort verlassen, verlassen sie auch ihren Heimat­verein.

Wir brau­chen daher Ange­bote, die Enga­ge­ment aus der Ferne oder zum Beispiel projekt­ge­bunden erlauben, sodass Menschen sich einbringen können, ohne seit 25 Jahren Vereins­mit­glied zu sein. Hier spielt die Digi­ta­li­sie­rung und die Förde­rung der digi­talen Ange­bote und Fähig­keiten eine wich­tige Rolle – gerade auch im länd­li­chen Raum. Dafür setzen wir uns als Bund ein. Wir haben uns die Themen Digi­ta­li­sie­rung und gleich­wer­tige Lebens­ver­hält­nisse auf die Fahnen geschrieben.

Blickt man auf die Veran­stal­tung Heimat in Europa“ und deren Podi­ums­be­set­zung könnte man meinen, es sei eine Veran­stal­tung für alte weiße Männer“. Wie reprä­sen­tativ finden Sie ein solches Bild? Und warum gibt es bei derar­tigen Veran­stal­tungen häufig zu wenig junge und diverse Menschen? Was muss sich Ihrer Meinung hier ändern?

Das Bild ist nicht reprä­sen­tativ für die Gesell­schaft und auch nicht für die Enga­gierten im Verband. Gleich­zeitig ist es so, dass für die Panel in erster Linie Personen in Führungs­po­si­tionen (Vorsit­zende etc.) ange­fragt werden, damit diese für ihren Verband oder ihre Orga­ni­sa­tion spre­chen können. Somit sind die Panel reprä­sen­tativ für Führungs­po­si­tionen in unserer Gesell­schaft, was bedau­er­lich ist. Dennoch, an der Spitze der Heimat­ver­bände, die den Kongress orga­ni­siert und reprä­sen­tiert haben – der BHU und der Heimat­ver­band Meck­len­burg-Vorpom­mern – stehen Frauen: die Präsi­den­tinnen und die Geschäfts­füh­re­rinnen. Wir wünschen uns noch mehr Frauen, mehr junge Menschen und mehr Diver­sität, dafür brau­chen wir auf gesell­schaft­li­cher Ebene mehr Sensi­bi­lität und auf Verbands– und Veran­stal­tungs­ebene gute Kommu­ni­ka­tion, die Offen­heit demons­triert und allen gesell­schaft­li­chen Gruppen Mitge­stal­tung anbietet.


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