Ein ganz normaler Mensch

Datum
12. März 2018
Autor*in
Jan Hendrik Blanke
Thema
#EWLako18
Looking for Freedom - Offene Kulturbühne // Bild: Erik-Holm Langhof

Looking for Freedom - Offene Kulturbühne // Bild: Erik-Holm Langhof

© Erik-Holm Langhof
Mit Musik kennt er sich aus. Doch auch über Bart­wuchs und die geplanten und unge­planten Dinge im Leben kann Julian Wallisch hervor­ra­gend reden. Jan Blanke hat mit dem Gewinner des Eine Welt Song Contests“ der Enga­ge­ment Global Gesell­schaft gespro­chen.

Foto: Erik-Holm Langhof

Julian Wallisch macht Musik und hat noch keinen Facebook-Auftritt, weil er sich für unfotogen hält. / Bild: Erik-Holm Langhof

This world needs people, who fight for their freedom. This world needs unity and I want you to be nothing more, nothing less than a human being. This could be your one last chance to under­stand that you can change the world.“

(No Hero – Andas)

Für promi­nent hält er sich wohl nicht. Wallisch lächelt über­rascht, als ich um ein Inter­view bitte. Nachdem ich ihm erzählt habe, dass poli­ti­ko­range bis jetzt nur ältere Kongress­teil­neh­me­rinnen und ‑teil­nehmer inter­viewt hat und gern auch mal jemand Junges spre­chen würde – ihr wisst ja, Diver­sität und so – ist der 24-Jährige dann aber bereit, mit mir zu reden.

Zu erzählen hat er einiges. Immerhin ist Wallisch einer der 23 Gewin­ne­rinnen und Gewinner des Eine Welt Song Contests“. Zum zweiten Mal hat die Global Enga­ge­ment Gesell­schaft dazu aufge­rufen, das Thema globale Entwick­lung als musi­ka­li­sche Message zu verpa­cken. Die Reso­nanz auf den Wett­be­werb ist gewaltig gewesen: Über 2500 junge Menschen zwischen zehn und 25 Jahren haben sich mit selbst geschrie­benen Liedern betei­ligt. Wallisch, dessen Künst­ler­name Andas“ lautet, ist mit dem Song No Hero“ ange­treten – und hat die Jury über­zeugt. Auf Sound­cloud gibt es die Hymne an die normalen Menschen“ schon. Im Früh­jahr wird sie zusammen mit den anderen Gewin­ner­bei­trägen auf einer CD erscheinen.

Ich habe mal in No Hero“ rein­ge­hört. Eine Zeile lautet This world don’t need no, no super­hero. This world needs people”. Sie begleitet uns von Anfang an durch das Gespräch, denn auch Wallisch sieht sich als einen dieser normalen Menschen“, über die er auf Spanisch, Englisch und Deutsch singt.

Beschei­dene Anfänge

Heute klingt Wallisch wie jemand, der das Musi­zieren liebt. Dabei ist er eher unfrei­willig dazu gekommen. Als Kind wollen seine Eltern, dass er Block­flöte und Gitarre lernt. Was wie ein Zwang klingt, kommt Wallischs Inter­essen ganz gut entgegen: Schon in seiner Jugend hört er AC/DC und träumt davon, Rock­star zu werden. Dafür reiche sein Talent jedoch leider nicht aus, meint Wallisch lachend. Trotzdem lässt ihn die Musik nicht los. Zunächst beginnt er, in Schul­band­pro­jekten zu spielen. Doch erst kurz vor dem Abitur geht es für Wallisch richtig los mit Gesang und Gitarre. Anstatt zu lernen, schreibt er nämlich lieber Lieder.

Nachdem er mir das erzählt hat, klin­gelt Wallischs Handy. Am Apparat ist seine Mutter. Stolz erzählt Wallisch ihr, dass er gerade inter­viewt wird. Danach wendet er sich wieder mir zu.

Nach der Schule geht Wallisch für ein Jahr nach Para­guay. Dort schreibt er weiter eigene Songs und Texte. Wenn man Pech hat, ist man in einem Auslands­jahr viel allein“, sagt Wallisch und schiebt nach: aber viel­leicht hat man eine Gitarre.“ Wallisch hat eine. Das Instru­ment wird für ihn schnell zum wich­tigen Begleiter: Seine neu erwor­benen Spanisch­kennt­nisse verar­beitet er in Liedern.

Seine Songs seien damals wie heute zum Teil ein Selbst­aus­druck gewesen, erzählt der 24-Jährige. Sie reflek­tieren Erleb­nisse aus dem fremden Land ebenso wie die Teen­ager-Melan­cholie“, die Wallisch als 18-Jähriger mit nach Para­guay gebracht hat.

Der große Auftritt

Poli­tisch werden Wallischs Texte erst, als er wieder nach Deutsch­land zurück­kehrt. Plötz­lich habe er gesehen, dass sein Heimat­land ziem­lich schön sei, erin­nert er sich. Im Vergleich zu Paraguy funk­tio­niere vieles.

Die Armut und Korrup­tion, die Wallisch in Südame­rika erlebt hat, inspi­rieren ihn zu No Hero“. Bei der Offenen Kultur­bühne“ der Eine-Welt-Konfe­renz hat Wallisch erst­mals die Gele­gen­heit, mit seinem eigenen Song allein auf der Bühne zu stehen. Ein ziem­li­cher Nerven­kitzel: Ich war mega aufge­regt. So aufge­regt, dass ich bei meinen beiden letzten Lieder einen Groß­teil des Textes vergessen hab.“

Zum Glück weiß sich Wallisch in dieser Situa­tion zu helfen: Er wieder­holt die erste Strophe einfach dreimal. Ist keinem aufge­fallen“, sagt er. Im Saal habe eh kaum jemand Spanisch verstanden. Ich schmun­zele. Wallisch steckt sich derweil seine Sonnen­brille an den Hemd­kragen.

Für Wallisch ist Musik ein Hobby, kleine Fauxpas sind da ruhig mal erlaubt. Ernst­haft studiert er derzeit Spanisch und Geschichte auf Lehramt. Was er studieren wolle, das habe er nach seiner Rück­kehr aus Para­guay noch nicht gewusst. Letzt­lich entscheidet Wallisch sich für Fächer, mit denen er in seinem Auslands­jahr in Kontakt gekommen ist. In Para­guay hat Wallisch im Kinder­garten eines Kinder­dorfes gear­beitet und Deutsch in einem benach­barten Internat unter­richtet. Viel­leicht habe ich keinem Kind perfektes Deutsch beigebracht“, räumt er selbst­kri­tisch ein, aber sie konnten meine Kultur kennen­lernen und ich ihre.“

Bilin­gua­lität und Bärte

Wallisch schätzt den inter­kul­tu­rellen Dialog. Als Studi­en­fach ist Spanisch deshalb für ihn die erste Wahl gewesen. Geschichte ist hinzu­ge­kommen, weil Wallisch denkt, dass ein Verständnis von Welt nur durch ein Verständnis von Geschichte entstehen kann.

Ich nicke. Das Aufzeich­nungs­gerät ist aus und das Gespräch fast vorbei. Doch noch fehlt Wallisch und mir ein wich­tiges Thema. Genauer gesagt: ein wasch­echtes Männer­thema. Bärte. Während seines Jahrs in Paraguy hat sich bei Wallisch nicht viel an der Gesichts­be­haa­rung geän­dert. Noch immer ist sein Gesicht entgegen jeder Hoff­nung eher glatt. Dass das eine kleine Enttäu­schung ist, kann ich nach­voll­ziehen. Wir zwei verstehen uns.

Genau um diese Zwischen­mensch­lich­keit geht es Wallisch oft in seinen Texten: Menschen müssen keine Helden sein, um für Frei­heit und Einheit zu kämpfen. Sie müssen nur begreifen, dass sie eben Menschen sind. Das reicht schon aus, um die Welt zu verän­dern.

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