Digi­ta­li­sie­rung betrifft die Persön­lich­keits­bil­dung“

Datum
20. März 2019
Autor*in
Sandra Schaftner
Thema
#jungunddigital 2019
Beitragsbild Digitalisierung

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Digitalisierung

Digi­ta­li­sie­rung bedeutet viel mehr, als dass nur Briefe und Zeitungen durch Smart­phones und Laptops ersetzt werden. Das wurde bei der Veran­stal­tung des Landes­ju­gend­rings NRW zum Thema Digi­tale Trans­for­ma­tion“ deut­lich. Aber auch, dass es Hand­lungs­be­darf im Bereich der Persön­lich­keits­bil­dung Jugend­li­cher gibt.

Digi­ta­li­sie­rung“ – ein Thema ohne Anfang und ohne Ende. Sie betrifft alle Lebens­be­reiche von Jugend­li­chen und jungen Erwach­senen. Gerade deshalb fragen sich vor allem viele Jugend­ver­bände: Wie können wir uns dem Thema annä­hern? 30 Vertre­te­rinnen und Vertreter von Jugend­ver­bänden entschieden sich dazu, an einer Veran­stal­tung des Landes­ju­gend­rings NRW zum Thema Digi­tale Trans­for­ma­tion: Wie Technik unser Zusam­men­leben beein­flusst und was Digi­ta­li­sie­rung mit uns macht“ am 19. März 2019 in Essen teil­zu­nehmen.

Die Teil­neh­menden kamen mit unter­schied­li­chen Erwar­tungen und Erfah­rungen zur Veran­stal­tung. Das Spek­trum reichte von drei jungen Frauen von der Sport­ju­gend im Kreis Coes­feld, die sich Inspi­ra­tionen für Trai­ne­rinnen- und Trai­ner­lehr­gänge und das Jugend­team des Sport­ver­bands erhofften, bis hin zu Vertre­tern und Vertre­te­rinnen des Jugend­ver­bands des Deut­schen Gewerk­schafts­bunds, die schon viel Hinter­grund­wissen hatten und sogar poli­ti­sche Forde­rungen wie eine Novel­lie­rung des Berufs­bil­dungs­ge­setzes gestellt hatten. Tobias von der DGB-Jugend fasst seine Erwar­tung an den Abend klar zusammen: Wir hoffen, dass wir die Lebens­rea­lität junger Menschen in der Arbeits­welt mit in die Veran­stal­tung tragen können.“

Tobias, die Frauen von der Sport­ju­gend, und Vertre­tungen von Pfad­finder- und Land­ju­gend sollten gemeinsam am Ende des Abends Thesen zu der Frage Was bedeutet digi­tale Trans­for­ma­tion für junge Menschen?“ aufstellen. Davor gab es einfüh­renden Input von Experten: Einer davon ist Dr. Harald Gapski, Leiter der Grimme Forschung am Grimme-Institut.

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Tobias vom Jugendverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds NRW interessiert das Thema vor allem im Kontext der Arbeitswelt.                                                                       Foto: Sandra Schaftner

Was bedeutet Medi­en­kom­pe­tenz, wenn das Auto‘ selbst fährt?“

Gapski machte mit Meta­phern und vielen Beispielen das Thema Digi­ta­li­sie­rung greifbar. Mit dem Vergleich Daten sind das neue Öl“ verdeut­lichte Gapski, welchen Wert und welche Macht unsere Daten für die Inter­net­riesen haben. Außerdem erklärte er das Bild vom Internet als Auto. Man spreche nicht umsonst von Daten­au­to­bahnen und dem Compu­ter­füh­rer­schein. Aber das Internet entwickle sich immer weiter, was den Experten zur provo­kanten Frage führt: Was bedeutet Medi­en­kom­pe­tenz, wenn das Auto‘ selbst fährt?“

Medienkompetenz

Eindrucksvolles Beispiel: Wenn der sogenannte Computerführerschein nichts mehr bringt.                                                                                                                                 Foto: Sandra Schaftner

Um diesen Kontroll­ver­lust zu veran­schau­li­chen, brachte er einige Beispiele zur Sprache, die vielen Teil­neh­menden die Augen öffneten. Ungläu­biges Gelächter ging durch den Raum, als der Experte von einer Erfin­dung aus Finn­land sprach, bei der Bewerber auf einen Job explizit nur ihr E‑Mail-Post­fach offen­legen sollten und daran ihre Eignung für den Job gemessen wurde.

Nach dem Vortrag spra­chen die Vertre­tungen der Verbände auch immer wieder über das geplante chine­si­sche Sozi­al­punk­te­system, von dem viele bisher nicht viel bekannt war. Das System soll zukünftig mittels Unmengen an gesam­melten Daten durch Smart­phones, soziale Netz­werke und Über­wa­chungs­ka­meras jedem Bürger und jeder Bürgerin in China einen Score“, also einen Punkt­wert, zuteilen, der angibt, ob er oder sie ein guter“ oder schlechter“ Mensch ist.

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Dr. Harald Gapski ist Experte in den Themen Digitalisierung und Medienkompetenz.                                                                                                                                 Foto: Sandra Schaftner

Gapski machte den Teil­neh­menden deut­lich, dass die Entwick­lungen immer mehr in Rich­tung einer daten­ge­trie­benen Kontroll- und Bewer­tungs­ge­sell­schaft gehen. Und da, so Gapski in seinem Vortrag, müsse die Bildung ansetzen. Es geht um die Bewer­tung jenseits der Quan­ti­fi­zie­rung“, forderte der Experte. Und auch die Persön­lich­keits­bil­dung in der digi­talen Welt sei wichtig, da sie ein Anker“ ange­sichts des Kontroll­ver­lusts sei. Der Experte erklärte anhand aner­kannter Modelle aus der Theorie, dass Jugend­liche wie Erwach­sene in der digi­talen Welt mit Werte­kon­flikten, Kontin­genz und Unsi­cher­heit konfron­tiert seien. Da sei die persön­lich­keits­bil­dende Perspek­tive essen­ziell und damit die Frage: Wie posi­tio­niere ich mich?“

Bilder, die hängen bleiben

Nach dem Vortrag merkte man den Teil­neh­menden an, dass es an der ein oder anderen Stelle viel­leicht doch etwas zu viel Theorie war und sie die aus inein­ander verfloch­tenen Ellipsen oder Pfeil­ge­bilden bestehenden Modelle nicht so recht auf ihre konkrete Jugend­ar­beit proji­zieren konnten. Dennoch prägten vor allem die verwen­deten Beispiele ihre Auffas­sung von Digi­ta­li­sie­rung und auch der Begriff der Persön­lich­keits­bil­dung domi­nierte noch später die Diskus­sion bei der Aufstel­lung der Thesen.

Jens vom Ring deut­scher Pfad­finder- und Pfad­fin­de­rin­nen­ver­bände (RdP) NRW fand einen Ansatz sehr wichtig, den die weitere Vortra­gende Kirsten Fiedler von der NGO Euro­pean Digital Rights (EDRi) ange­führt hatte. Jugend­liche könnten sich – genauso wie sie sich für Bio-Lebens­mittel und regio­nale Produkte entscheiden können – auch Alter­na­tiven zu Google und Face­book suchen. Das über­zeugte auch andere Teil­neh­mende wie Chris­tina vom Bund der Deut­schen Katho­li­schen Jugend (BDKJ), die meinte: Wenn die Jugend­leiter sagen, wir nutzen jetzt alle den Messenger Signal, dann fangen die Jugend­li­chen auch an, sich dafür zu inter­es­sieren.“

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In der Diskussion wurde der Bezug zur Verbandsarbeit konkret.                      Foto: Sandra Schaftner

Während am Anfang noch die Frage im Raum stand, inwie­weit die Jugend­ver­bände über­haupt für die Sensi­bi­li­sie­rung der Jugend­li­chen mit Digi­ta­li­sie­rung verant­wort­lich sind, war am Ende der Diskus­sion das Fazit klar: Die Persön­lich­keits­ent­wick­lung ist Kern­thema unserer Verbände und wir sollten das um das Digi­tale erwei­tern“, sagte Peter Bednarz aus dem Vorstand des Landes­ju­gend­rings NRW am Ende der Veran­stal­tung.

Persön­lich­keits­bil­dung ist der gemein­same Ansatz­punkt

So zeigte sich, dass genau der Punkt der Persön­lich­keits­bil­dung das ist, was sowohl Sport­ver­eine als auch die DGB-Jugend sowie die Pfad­fin­de­rinnen und Pfad­finder verbindet, und wo alle im Kontext der Digi­ta­li­sie­rung ansetzen müssen. Bei all der Gemein­sam­keit gingen spezi­elle Zugänge zum Thema ein biss­chen unter, zum Beispiel zeigte sich Tobias von der DGB-Jugend am Ende etwas enttäuscht, dass für den Aspekt der Arbeits­welt fast keine Zeit war. Aber er beob­ach­tete auch: Die Heran­ge­hens­weise, wie wir die Thesen aufge­stellt haben, ähnelte Heran­ge­hens­weise, die wir auch bei anderen Themen­be­rei­chen anwenden. Also ist das alles viel­leicht gar nicht so schlimm mit der Digi­ta­li­sie­rung.“

Schlimm viel­leicht nicht, aber sehr wichtig, und deshalb bemerkte auch Gapski am Ende erfreut, dass die Verbands­ver­tre­tungen den Begriff Persön­lich­keits­bil­dung mit Digi­ta­li­sie­rung koppelten. Die digi­tale Welt stellt Fragen nach Werten wie Frei­heit, Souve­rä­nität und Selbst­be­stim­mung neu, die über die Jugend­ver­bands­ar­beit einge­bracht werden können“, sagte er gegen­über poli­ti­ko­range. Das hatte er den Teil­neh­menden an diesem Abend vermit­telt, der nur der Auftakt einer Veran­stal­tungs­reihe mit noch drei weiteren Terminen war, zu denen viele Verbände wieder­kommen und weiter disku­tieren wollen.

Das sagen die Teil­neh­menden:

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Jens vom Ring deutscher Pfadfinder- und Pfadfinderinnenverbände (RdP) NRW:„Herr Gapski hat in seinem Vortrag das Thema Bildung gut in den Fokus gerückt. Für uns Pfadfinder ist Digital Detox ein Thema. Mich hat auch die Datensammelwut der Chinesen überrascht, das wusste ich noch nicht." |Foto: Sandra Schaftner

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Christina vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ):„Bei mir ist das Bild hängen geblieben, dass Daten das neue Öl sind. Wir müssen schauen, welchen Umgang die Jugendlichen mit Daten pflegen und was sie alles an die Internetriesen weitergeben." I Foto: Sandra Schaftner

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Dennis von der Westfälisch-Lippischen Landjugend:„Ich finde, Herr Gapski hat das komplizierte Spannungsfeld Digitalisierung so gut es geht auf den Punkt gebracht. Es war aber nichts dabei, was man konkret auf die Landjugend beziehen kann. Unser Problem ist, dass wir erst einmal oft gar keinen Zugang zum Internet haben und deshalb noch gar nicht über Inhalte diskutieren brauchen." I Foto: Sandra Schaftner

Noch nicht genug bekommen?

Auch Zita Hille war in Essen mit dabei: Hier kannst Du ihren Beitrag zum Thema Zukunft der digi­talen Gene­ra­tion und Verant­wor­tung lesen.


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