Die West­pfalz als neue rechte Hoch­burg des Westens? Ein Kommentar

Datum
22. Februar 2025
Autor*in
Aušra Julia Yasmin Dilba
Themen
#Kommentar #BTW2025
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Seit unge­fähr Mitte Januar konnte ich auf meiner tägli­chen Pendel­route durch die West­pfalz immer mehr Wahl­pla­kate beob­achten. Zwar habe ich nicht konkret gezählt, aber ehrlich gesagt musste ich das auch nicht, denn das Übermaß an AfD-Plakaten war nicht zu über­sehen. Doch dabei blieb es nicht. Im Verlauf des Februars durfte ich mit Schre­cken auf meinen Busfahrten fest­stellen, dass immer mehr Wahl­pla­kate anderer Parteien mit blauer Farbe und roten Schrift­zügen beschmiert wurden, um denen von Weidels Partei zu ähneln.
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© Dominik Türk / Pexels

Seit unge­fähr Mitte Januar konnte ich auf meiner tägli­chen Pendel­route durch die West­pfalz immer mehr Wahl­pla­kate beob­achten. Zwar habe ich nicht konkret gezählt, aber ehrlich gesagt musste ich das auch nicht, denn das Übermaß an AfD-Plakaten war nicht zu über­sehen. Doch dabei blieb es nicht. Im Verlauf des Februars durfte ich mit Schre­cken auf meinen Busfahrten fest­stellen, dass immer mehr Wahl­pla­kate anderer Parteien mit blauer Farbe und roten Schrift­zügen beschmiert wurden, um denen von Weidels Partei zu ähneln.

Für diese kleinen west­pfäl­zi­schen Ortschaften sind rechts­extreme Einstel­lungen keine Neuheit. Vor etwa zwei Jahren, am 18. Oktober 2023, gingen hunderte Bewohner*innen der Kreis­stadt Kusel auf die Straße, um gegen die Pläne ihrer Landes­re­gie­rung, weitere Geflüch­tete vor Ort in Unter­künfte zu bringen, zu protes­tieren. Vorwie­gend waren es Menschen mitt­leren bis hohen Alters, die an diesem Tag demons­trierten, deren Gesichter nicht zornig, aber stark besorgt und bedrückt. Was ist nur aus unserem Kusel geworden?“: ein Banner mit dem einige an diesem Tag durch die Innen­stadt laufen. Für die Kusler*innen ein letzter Hilferuf an die Verant­wort­li­chen…

Gegen­stand des Protests: wo früher Bundes­wehr­sol­daten auf Befehle gewartet hatten, sollten nun 800 Menschen auf dem Gelände eine Turn­halle, sowie in mehreren umfunk­tio­na­li­sierten Kaser­nen­haus­blö­cken unter­ge­bracht werden. Zusätz­lich dazu sollten etwa 200 Menschen auf dem Gelände in Zelten Schutz finden. Für die damals anwe­senden Bewohner*innen ganz klar: genug ist genug!

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Quelle: SWR

Jedoch lässt sich die Wahr­neh­mung der Marschie­renden, dass sie von einer Flücht­lings­welle“ über­rannt seien, von den Zahlen nicht bestä­tigen. 2023 waren diese nämlich bereits im Rück­gang und waren von 34% (2019) auf 26% (2023) gesunken.

Scheinbar haben die dama­ligen Schlag­zeilen auch die AfD erreicht, und somit besuchte letz­tens sogar Alice Weidel höchst­per­sön­lich die Klein­stadt, um das zu tun, wofür ihre Partei bekannt ist: einfache Lösungen“ auf komplexe Anliegen zu bieten. Doch erfreu­li­cher­weise wurde mindes­tens in genauso großem Stil gegen den Wahl­kampf­be­such demons­triert! Sogar mehr als doppelt so viele haben sich am 8. Februar dieses Jahres versam­melt, um ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Parallel trafen etwa genauso viele Menschen bei einer Wahl­ver­an­stal­tung zusammen, um der AfD-Kanz­ler­kan­di­datin und dem lokalen AfD-Kandi­taten zuzu­hören.

Im Gegen­satz zu damals war die Menge gemischt. Aus allen Gene­ra­tionen waren Vertreter*innen vor Ort und haben sich in ihrer Viel­falt vereint, um für den Erhalt von demo­kra­ti­schen Grund­werten zu kämpfen. Man konnte viele mühsam gebas­telte Plakate mit provo­kanten Schrift­zügen lesen. Die Demons­tra­tion selbst wurde einige Tage zuvor von Kommunalpolitiker*innen der etablierten demo­kra­ti­schen Parteien wie der SPD beworben und ange­kün­digt. Es war nicht schwer in der Atmo­sphäre zu spüren, dass sich hier viele in dem Punkt einig sind, dass sie der AfD keine neue Hoch­burg hier­zu­lande schenken wollen und dafür auch laut­hals einstehen werden.

Inter­es­sant finde ich, wie beide Seiten, auch wenn sich nicht stärker unter­scheiden könnten, mit derselben Energie auf die Straße gehen. Sie sorgen sich um ihre Zukunft.

In Betracht dieser beider sehr emotional gela­denen Aktionen in meiner Kreis­stadt stellt sich mir zum einen die Frage, ob es die Menschen waren, die 2023 gegen die Aufnahme von Geflüch­teten protes­tieren, die auch diesen Februar Alice Weidel in Kusel will­kommen hießen. Wie effektiv konnte die AfD die Frus­tra­tion nutzen, die durch die Planung neuer Unter­künfte bei den Einwohner*innen entstanden war? Vor allem als Frau mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund wurde mir in den letzten Wochen etwas mulmig zumute. Ich blicke mit Ehrfurcht und kurzem Atem dementspre­chend auf die kommende Bundes­tags­wahl und kann nur hoffen das auch meine Mitbür­ge­rinnen und Mitbürger sich den grund­sätz­li­chen frei­heit­lich-demo­kra­ti­schen Werten besinnen können


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