Die Lega­li­sie­rung von Cannabis und die Igno­ranz der Union

Datum
15. September 2020
Autor*in
Benjamin Müller
Themen
#allaboutdrugs 2021 #Politik
Foto: Christopher Folz

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Wir schreiben das Jahr 2020 und Cannabis ist immer noch illegal. Die Drogen­po­litik von CDU/CSU erachtet poli­ti­ko­range-Redak­teur Benjamin Müller als syste­ma­ti­sche Igno­ranz. Eine Glosse.

Die Drogen­po­litik der Bundes­re­gie­rung im Jahr 2020 zu kommen­tieren ist eigent­lich eine müßige Ange­le­gen­heit, wo doch schon so viele Kommen­tare die Absur­dität der Drogen­po­litik der Union darlegen. Aller­dings hat es im vergan­genen Jahr eine Kehrt­wende gegeben: Die ehema­lige Bundes­dro­gen­be­auf­tragte Marlene Mortler (CSU), die sich mit heraus­ra­gender Kompe­tenz vor allem im Umgang mit Cannabis profi­liert hat, konnte einen Sitz im Euro­päi­schen Parla­ment ergat­tern, wodurch ihr Posten wieder vakant wurde. Am 10. September 2019 wurde Daniela Ludwig (eben­falls CSU) zur neuen Bundes­dro­gen­be­auf­tragten ernannt. Inner­halb von weniger als einem Jahr hat sie es geschafft, die massiven Fußstapfen, die ihre Vorgän­gerin hinter­lassen hat, voll­ständig auszu­füllen. Nun könnte das voll­stän­dige Argu­men­ta­ti­ons­re­per­toire Ludwigs und ihrer Wegbe­rei­terin hier ausge­breitet werden. Aller­dings trifft stetiges Rezi­tieren von Cannabis ist kein Brok­koli“ und Cannabis ist verboten, weil es eine Ille­gale Droge ist“ nicht den Kern des Problems, sondern demü­tigt nur die Bundes­dro­gen­be­auf­tragte, welcher die unsäg­liche Aufgabe zufällt, die macht­lose Botschaf­terin der ideo­lo­gisch moti­vierten und logik­fernen deut­schen Scheu­klap­pen­dro­gen­po­litik zu sein.

Ein Blick über die Länder­grenzen

Bei Drogen­po­litik geht es selbst­ver­ständ­lich nicht nur darum, ob und wann Cannabis lega­li­siert wird, es geht nicht mal nur im Allge­meinen darum fest­zu­legen, welche Substanzen legal oder illegal sind. Laut Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium soll Drogen­po­litik sicher­stellen, dass sowohl legale als auch ille­gale Drogen gewis­sen­haft und geringen Mengen konsu­miert werden. Und genau das ist der Knack­punkt: Wie soll ein gewis­sen­hafter Umgang mit ille­galen Drogen aussehen? Ein von der CDU gerne genutztes Motiv ist der ach so böse Berliner Görlitzer Park, der Tag für Tag von hunderten krimi­nellen Drogenhändler*innen geflutet wird. Für den gewis­sen­haft Konsum von Cannabis sind die Konsu­mie­renden nun dazu gezwungen, sich gewis­sen­haft mit krimi­nellen Drogenhändler*innen ausein­an­der­zu­setzen, gewis­sen­haft voll­kommen unre­gu­lierte Drogen zu kaufen und sich dabei gewis­sen­haft strafbar zu machen. Richtet man nun den Blick von Berlin einige hundert Kilo­meter weiter nach Westen, dann fällt auf, dass bei glei­cher Konsum­ab­sicht ein Ausweis von den Käufer*innen verlangt wird, dass die Verkäufer*innen ein Geschäft führen und eine Gewer­be­li­zenz besitzen, dass sie Steuern bezahlen und es Höchst­ab­ga­be­mengen und Quali­täts­vor­schriften gibt, denen die Verkäufer*innen Folge leisten müssen. So sieht es nämlich aus, wenn in den Nieder­landen Cannabis gekauft wird. Ein ähnli­ches Modell findet sich in Kanada und einigen Bundes­staaten der USA. In Portugal wurden Anfang der 2000er Jahre alle Drogen entkri­mi­na­li­siert, was zumin­dest die Aufklä­rungs­mög­lich­keiten erheb­lich verbes­sert und den Justiz­ap­parat entspannt hat. Diese posi­tiven Beispiele werfen die Frage auf, warum die CDU/CSU so wenig aufge­schlossen ist.

Warum Cannabis illegal ist und die CDU/CSU nichts daran ändern wird

Bei der Krimi­na­li­sie­rung von Cannabis in Folge der Prohi­bi­tion, die sich von den USA in die ganze Welt ausge­breitet hat, handelt es sich ohne Frage um einen sehr zwie­lich­tigen Gesetz­ge­bungs­pro­zess. (siehe Info­kasten: Wie kam es zum Verbot von Cannabis?) Und auch in der Union wird an der These fest­ge­halten: Wenn wir etwas verbieten, dann gibt es das nicht. Diese Logik geht über den Alltag von Millionen Menschen in Deutsch­land hinweg, die regel­mäßig kiffen.

Die funda­men­talen Argu­mente, die die Union gegen die Lega­li­sie­rung ins Feld führt, lauten wie folgt: Cannabis ist eine Einstiegs­droge, der Jugend­schutz muss gewahrt werden und Daniela Ludwig hat, wie sie im Juli 2020 in der Bundes­pres­se­kon­fe­renz bekannt gab, keine Lust auf Volks­droge Nummer Drei. Aber Cannabis ist keine Einstiegs­droge: Die Deut­sche Haupt­stelle für Sucht­fragen hält in ihren Cannabis Basis­in­for­ma­tionen fest, dass lange Zeit fälsch­li­cher­weise ange­nommen wurde, dass es sich bei Cannabis um eine Einstiegs­droge handelt. Dies wird darauf zurück­ge­führt, dass ein Groß­teil der Hero­in­ab­hän­gigen angibt, früher Cannabis konsu­miert zu haben. Auf der anderen Seite steigt nur ein sehr geringer Anteil von Canna­bis­kon­su­mie­renden lang­fristig auf eine härtere Droge um. Der Rück­schluss ist also falsch.

Foto: Christopher Folz

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Diese Fehl­ein­schät­zung wird aller­dings durch das grobe Fehl­ver­halten im Bereich Jugend­schutz noch in den Schatten gestellt. Die Tatsache, dass sich Unionspolitiker*innen noch immer auf den Jugend­schutz berufen, ist an Dreis­tig­keit und Heuch­lerei nicht mehr zu über­bieten. Durch eine Krimi­na­li­sie­rung von Cannabis wird die Jugend nicht geschützt. Es gibt keine hinrei­chende Aufklä­rung über Cannabis, weil es ja illegal ist. Jugend­liche können genauso zu Dealer*innen gehen wie Erwach­sene. Gras, das von Dealer*innen verkauft wird, ist in jedem Fall schäd­li­cher als das, das legal im Handel erscheinen würde. Und zuletzt steht es jedem, der das 16. Lebens­jahr voll­endet hat, frei, sich mit fünf­zehn­pro­zen­tigem Alkohol ins Koma zu trinken.

Sie wollen es einfach nicht

Zuletzt steht noch Daniela Ludwigs höchst­per­sön­li­ches Argu­ment gegen die Lega­li­sie­rung im Raum: Ich habe keine Lust auf Volks­droge Nummer drei.“, antwor­tete sie, nachdem sie von dem Reporter Tilo Jung gefragt wurde, warum Cannabis illegal ist. Dieser Argu­men­ta­tion folgend könnte Verkehrs­mi­nister Andreas Scheuer auch ein Verbot von Fahr­rä­dern initi­ieren, weil er keine Lust auf noch ein Fort­be­we­gungs­mittel hat, obwohl Millionen Deut­sche es täglich nutzen. Im Kern ist es aber richtig: Die Bundes­re­gie­rung, also die CDU/CSU, lega­li­siert Cannabis nicht, weil sie keine Lust darauf hat. So gut wie kein*e Wähler*in trifft seine bzw. ihre Wahl­ent­schei­dung aufgrund der Drogen­po­litik einer Partei, weshalb Forde­rungen ohne Konse­quenzen über­gangen werden können, obwohl der Anteil derje­nigen, die wirk­lich aktiv gegen eine Lega­li­sie­rung sind, die Minder­heit darstellt. Eine Lega­li­sie­rung führt, das ist in anderen Ländern sichtbar, zu einer Entspan­nung des Justiz- und Poli­zei­ap­pa­rates – sowohl perso­nell als auch finan­ziell – zu besseren Aufklä­rungs­mög­lich­keiten, zu Steu­er­ein­nahmen und zur Besei­ti­gung der Geschäfts­grund­lage von Krimi­nellen, die momentan für die Versor­gung zuständig sind. Starr­sin­nig­keit und Igno­ranz des Konser­va­tismus lassen keinen Platz für Verän­de­rungen. Fakt ist: Cannabis bleibt verboten, weil es eine ille­gale Droge ist.

Info­kasten – Wie kam es zum Verbot von Cannabis?

Canna­bis­konsum hatte bis ins 20. Jahr­hun­dert welt­weit Tradi­tion. Aller­dings herrschte von 1920 bis 1933 ein Alko­hol­verbot on den USA, die so genannte Prohi­bi­tion. Der vermeint­liche Besitz von Alkohol wurde während der Prohi­bi­tion von ameri­ka­ni­schen Straf­ver­fol­gungs­be­hörden oft als Anlass rassis­ti­scher Über­griffe auf afro­ame­ri­ka­ni­sche Bürger*innen genutzt. Nach dem Ende der Prohi­bi­tion war dies nicht mehr möglich. Außerdem war die Entwick­lung der Kunst­fa­ser­in­dus­trie auf dem Vormarsch, für die Hanf eine bedeu­tende Konkur­renz darstellt. Dies hatte zur Folge, dass von dem Drogen ableh­nenden konser­va­tiven Poli­tiker Harry Enslinger eine Schmutz­kam­pagne gegen Cannabis gestartet wurde, welche frag­wür­dige und falsche wissen­schaft­liche Erkennt­nisse und Neben­wir­kungen von Cannabis als Fakten darge­stellt hat. So wurde bekannt­ge­geben, dass Cannabis wahn­sinnig mache und dass es bereits Morde gegeben haben soll, die einzig auf den Konsum von Cannabis zurück­zu­führen seien. Enslin­gers Kampagne erreichte ihr Ziel: Im Jahr 1942 wurde Cannabis in den USA verboten. Am Beispiel der USA orien­tiert brei­tete sich das Canna­bis­verbot ab diesem Zeit­punkt rund um den Globus aus.

 

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